Tina, Achim, ihr habt euch 2006 bei einer Safari-Anreise kennengelernt. Noch heute sprecht ihr sehr positiv von dieser ehrenamtlichen Tätigkeit, die euer Leben sehr verändert hat. Wie genau lief das Kennenlernen ab?

AFS-Alumni mit einem Abschnitt der chinesischen Mauer in der Nähe von Peking im Abendlicht.

Tina: Während Achim schon einige Male am Flughafen für AFS ausgeholfen hat, war es für mich das erste Mal, dass ich bei Safari dabei war. Die Dynamik am Flughafen war sehr besonders. Wir waren viele kleine Gruppen an Menschen und insgesamt ca. 50 Betreuer*innen.

Achim: Es ist ein bunteres Feld, als man sich das vielleicht am Anfang denkt und immer spannend geblieben. Aber für uns hat diese Tätigkeit noch mal eine ganz besondere Bedeutung gehabt.

Tina: Ja, ziemlich schnell gab es damals diesen Funken zwischen uns. Der war noch nicht besonders riesig, wurde aber bald größer. Die ersten acht Jahre haben wir meist eine Fernbeziehung geführt und zwischendrin auch eine Weile zusammengewohnt. 2014 zogen wir dann in Köln zusammen.

Achim: Ich glaube, wir fanden uns schon interessant, aber richtig los ging es erst nach Safari. Wir wurden ein Paar, blieben zusammen und verlobten uns an unserem zehnten Jahrestag. Im Jahr darauf heirateten wir.

Was für eine schöne Geschichte. Und wie ich hörte, hat eure Arbeit am Flughafen sich auch auf einen ganz anderen Bereich ausgewirkt?

Achim: Absolut! Der rote Faden beim mir ist – privat und beruflich – der Flughafen. Nach dem dritten oder vierten Mal Safari habe ich Stellenausschreibungen für medizinische Kuriere gesehen und hatte sofort Interesse. 2011 flog ich dann zum ersten Mal mit menschlichen Blutstammzellen von den USA nach Europa und mache das seitdem. Erst als Studentenjob, jetzt als Vollzeitkraft. Deswegen bin ich sehr viel unterwegs und aktuell auch in Boston.

Tina: Für mich hat sich durch AFS in der Vergangenheit beruflich auch schon sehr viel ergeben. Ich habe für ein halbes Jahr in Budapest studiert und lebte zweimal in Shanghai. Meinen ersten Aufenthalt in Shanghai hatte ich für ein dreimonatiges Praktikum in einem Architekturbüro und 2018 sind wir zusammen für ein Jahr nach Shanghai gezogen, da ich dort für meine Firma arbeiten konnte.

Achim, wie war das für dich dann in ein dir völlig unbekanntes Land zu ziehen?

Achim: Ich habe mir eine Nacht zum Überdenken genommen, als Tina das Angebot bekam und dachte an unsere Auslandserfahrungen. Bei AFS hatten wir gelernt, dass so ein Auslandsjahr nicht immer nur toll ist. Aber wir nahmen daraus die Erfahrung mit, dass man schon irgendwie zurechtkommen wird und das auch richtig schwierige Situationen zu meistern sind. Tinas Erzählungen über Shanghai fand ich immer interessant und die Stadt ist sowieso spannend.

Tina: Wir waren uns wirklich schnell einig, dass wir nach Shanghai gehen wollen. Dann habe ich dort vor Ort gearbeitet und Achim ist von da aus weiter für seinen Job unterwegs gewesen.

Niagara Falls, Bucki der Safari-Reisebär, Findi, gefunden am Gardasee (Mitte) und Marie (links) aus Odessa, Ukraine handgemacht

Achim, du hattest mögliche Herausforderungen angesprochen. Gab es die?

Achim: Der Visumsprozess für so ein Jahr im Ausland, wie viele beim AFS wissen, ist gerne mal komplizierter. Ich bin erstmal mit einem Touristenvisum hin, später bekam auch ich meine Aufenthaltsgenehmigung. Das nächste Problem war jedoch, dass ich menschliche Stammzellen nicht einfach so im Plastikbeutel transportieren kann, sondern dafür eine spezielle Kühlbox brauche. Und bis die es nach China geschafft hatte, hat es gedauert: erst nach mehreren Monaten konnte ich endlich Transporte durchführen.

Ihr scheint beide viel unterwegs zu sein und immer wieder neue Herausforderungen zu suchen. Ist das für eure Beziehung schon normal geworden?

Achim: Gewissermaßen ja. Kurz nach unserer Rückkehr aus Shanghai und dem Wiedereinleben kam dann die Corona-Zeit. Tina arbeitete plötzlich von zuhause aus und bei meinen Transporten gab es anfangs viel Ungewissheit. Normalerweise bringe ich eine Stammzellspende persönlich von einem bestimmten Spender zu einem bestimmten Empfänger, häufig auch über Kontinente hinweg. Das ging dann von einem Tag auf den anderen nur noch in seltenen Fällen, aber die Transplantate mussten natürlich trotzdem zu den Patienten. Mit viel internationaler Zusammenarbeit und großem Aufwand funktionierte das dann auch. Sich teils neu zu organisieren war sicherlich für jeden eine unfreiwillige Herausforderung, aber wir hatten ja schon seit der 11. Klasse Übung darin.

Tina: Dass wir den ganzen Tag zusammen sein müssen, das sind wir irgendwie nicht. Und so kannten wir es ja auch von Anfang an.

Und es ist super schön zu sehen, wie unterschiedlich Menschen und Beziehungen aussehen können. Vorhin hattet ihr erwähnt, dass ihr geheiratet habt?

Tina: Ja, im Mai 2017. Besonders schön war es, dass meine Gastfamilie, mein Prom-Date und noch zwei AFS-Freund*innen, die mit mir in Buffalo waren, auch zu unserer Hochzeit kamen.

 

Das heißt, dass ihr noch Kontakt zu Personen aus eurem jeweiligen Austauschjahr habt?

AFS-Alumni heiraten im Kreise ihrer Gastfamilien ihres Austauschjahres in den USA.

Tina: Wir waren letztes Jahr erst in Buffalo, NY. Dort haben wir meine inzwischen geschiedenen Gasteltern und danach in New Jersey mein Prom-Date besucht. Ich habe auch ein paar Klassenkameradinnen wiedergetroffen. 2016 waren wir in Brasilien, da hat Achims Gastschwester geheiratet und ich habe seine Gastfamilie kennengelernt. Irgendwie fand ich das schon sehr wichtig, dass ich da auch ein Stück Vergangenheit kennenlerne.

Achim: Ja, meistens lief der Kontakt zu meiner Familie allerdings über Facebook. Als sich die Seite dann immer mehr in Richtung Politik und Propaganda entwickelte, war leider mein Gastonkel ganz vorne mit dabei. Mit ihm hatte ich besonders viel Kontakt und es tat weh, jemanden, den man sehr mag, so abdriften zu sehen. Gegen Anfang der Bolsonaro-Zeit flaute der Kontakt dann ganz ab.

Das muss wirklich eine schwere Zeit gewesen sein. Und auch das sind Erfahrungen, die immer wieder von AFSer*innen gemacht werden. Meinungen und politische Ansichten gehen manchmal doch zu stark auseinander. Habt ihr denn noch Kontakt zu anderen AFSer*innen?

Tina. Wir wurden gerade zu einer Hochzeit von einem AFSer eingeladen, der diesen Sommer heiratet. Das ist also definitiv beständig. Und bei Safari haben wir noch eine Freundin kennengelernt, die wir hin und wieder besuchen. Außerdem machen wir gerne Kurzausflüge nach Frankreich ans Meer. Eine Freundin ist Belgierin und war auch mit mir in Buffalo. Jedes Mal, wenn wir in der Nähe sind, fahren wir bei ihr vorbei. Es ist nicht so, dass man jeden Tag mit den Leuten Kontakt hat, aber, wenn man miteinander kommuniziert, geht es sofort an der Stelle weiter, wo man aufgehört hat.

Toll, das ist wahrscheinlich der berühmte AFS-Spirit.

Achim: Eins noch: Beim AFS hieß es früher immer, dass eine der Qualifikationen, die man im Austausch erwirbt, das Durchwurschteln ist. Das prägt bis heute. Wenn es auf einer Geschäftsreise eher eckig als rund läuft, fängt mein Kopf schon fast automatisch mit der Suche nach Alternativen an.

Was für ein schönes Schlusswort. Danke euch beiden für das spannende, aufschlussreiche Gespräch! Die Fragen für AFS stellte Vanessa Schulzendorf (04/2024)

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