Lina, Schweden, Schuljahr, 2023, AJA-Stipendium

Ein Jahr als Austauschschüler in Schweden zu verbringen, ist eine faszinierende Reise voller Entdeckungen und Herausforderungen. Obwohl die Hälfte dieser Zeit bereits, wie im Flug vergangen ist, haben sich doch so viele spannende Dinge ereignet. Ich hoffe, mein Bericht gibt einen guten Einblick in mein aktuelles Leben hier und meine bisherigen Erlebnisse.

Für mich habe ich nicht wirklich, stark auffallende Unterschiede festgestellt. Oft sind es Kleinigkeiten wie etwa andere Rollläden, oder dass sich erstaunlich oft über das Wetter unterhalten wird oder gemeinsames Fernsehen, was ich aus meiner deutschen Familie nicht wirklich kenne, aber doch gibt es ein paar Dinge, die mich überrascht haben.

Zum einen ist die Auffassung von Distanz anders.

Fahrradtour mit der Gastfamilie im Schüleraustausch in SChweden.

Vielleicht kommt das daher, dass ich mit meiner Gastfamilie sehr ländlich lebe, aber für mich hat sich die Definition von einer „langen Zeit“ verändert. Mein Schulweg dauert ca. 50 Minuten, die ich unter der Woche, jeden Tag zweimal zurücklegen muss. Ganz klar ein Katzensprung eigentlich. Göteborg, etwa eine weitere Stunde von meiner Schule entfernt, ist absolut nah genug, um sich dort auf einen Kaffee zu treffen. Die 6 Stunden Fahrt nach Norwegen, definitiv ein Wochenendausflug. Und auch wenn dies natürlich nicht auf jedes Wochenende zutrifft, hat sich mein Empfinden in dem Gebiet doch gewandelt.

Welcher zeitliche Aufwand zu welcher Aktivität passt, was sich nun lohnt und was nicht ist, glaube ich ein persönlicher Standard. Wie vernetzt ist mein Umfeld? Ist das Zurücklegen einer Strecke kompliziert und wie gewöhnt bin ich an diesen Aufwand? Da ich in Deutschland selbst recht ländlich lebe kenne ich die Situation von schlechten Verbindungen oder ähnlichem, aber dennoch war die nächste Zugstation nicht mehr als 15 Autominuten entfernt, falls der Bus mal nicht kommt. Die gleiche Situation ist doch ganz anders, wenn die Station plötzlich oppelt so weit weg ist.

Sehr viele Unterschiede fallen mir dabei immer wieder zwischen den Schulsystemen auf.
Schwedische Schulen sind nach meiner Auffassung entspannter und stressfreier im Vergleich zu deutschen Systemen. Das System an sich ist anders aufgebaut, dies beinhaltet die Aufteilung der Stunden im Stundenplan aber auch das Wählen von bestimmten Bereichen wie Naturwissenschaften oder Technik wo dann andere Fächer im Vordergrund liegen.

Die Schüler werden individuell betrachtet und es gibt Gespräche für Schüler mit ihren Mentoren über die persönliche Entwicklung und den Leistungsstand. Auch ist der Umgang zwischen Schülern und Lehrkräften mehr auf Augenhöhe und weniger im Machtverhältnis. Die schwedischen Lehrkräfte werden von den Schülern beim Vornamen genannt und ich finde der gesamte Umgang schafft eine gänzlich andere Atmosphäre. Außerdem hilft dies den Schülern die Lehrkräfte als Vertrauenspersonen zu sehen und die Schule, die schließlich für lange Zeit der Ort ist, an dem sich Schüler für einen Großteil des Tages aufhalten, nimmt es sich mehr zu Herzen die Schüler zu unterstützen. Sei dies im Bewältigen des Schulstoffes oder im gesundheitlich mentalen Aspekt.

Aufbau persönlicher Kontakte
Für mich als eher introvertierter Mensch gestaltet es sich nicht ganz so einfach meine recht oberflächlichen Kontakte in der Schule zu tatsächlichen Freundschaften auszubauen. Und auch einen neuen Sport anzufangen ist irgendwie gar nicht so einfach.

Die meisten meiner Mitschüler in meinem Umfeld sind schulfokussiert und der schwedische Standard ist, so wie ich es war genommen habe, auch mehr „professionell“ was Schule angeht.

Dennoch findet man aber eigentlich immer seinen Schlag von Menschen, und ich durfte bisher wunderbare Personen kennen lernen, die mir in dieser Zeit sehr ans Herz gewachsen sind.

Spaß mit Freunden haben bei Schüleraustausch in Schweden.

In Bezug auf Konfliktverhalten und Kommunikation habe ich festgestellt, dass Schweden Konflikte lieber vermeiden und vieles durch den Kontext vermitteln. Dies stellt für mich eine Herausforderung dar, da ich, wenn ich ein Anliegen habe welches ich gerne lösen möchte, doch recht direkt bin und auch von meinem Umfeld gewohnt war, dass Dinge offen angesprochen werden.

In meiner Gastfamilie ist dies kein Problem, doch außerhalb habe ich dann manchmal Bedenken, vielleicht unhöflich zu wirken.
Doch wie bei so vielem anderen passt man sich an und lernt, ich denke auch einfach unterbewusst, mit dem Verhalten seiner Mitmenschen, umzugehen und es zu verstehen.

Warum Schweden?
Eine meiner schönsten Erfahrungen war das Hummer- und Krabbenfischen zusammen mit meiner ältesten Gastschwester und ihrem Mann. Die beiden leben an der Küste und haben mich Ende der Saison mit raus aufs Wasser genommen. Nicht nur war es einfach wunderschön, sondern wir waren mit 8 Krabben und einem Hummer sogar erfolgreich.

fischen in Schweden im Schüleraustausch mit AFS.

Dies ist für mich so besonders, da eine der Gründe weswegen ich mich für Schweden als Austauschland entschied, die Natur und die Vegetation waren. Es macht mir so viel Spaß diese Vielfältigkeit zu entdecken und dieses Erlebnis hat mich sehr bereichert.

Hier in Schweden fühle ich mich in gewisser Weise freier. Ich konzentriere mich mehr auf Menschen, meine persönlichen Erfahrungen und das Erlernen der Sprache als nur auf die Schule. Zu Hause habe ich ein ganz anders Gefühl von Verantwortung. Ein guter Abschluss, für die Familie da sein, Aufgaben übernehmen und auch wenn ich diese „Schwedische Freiheit“ so nicht direkt auf mein deutsches Leben übertragen kann, hat es mich doch insoweit weitergebracht, dass ich meine Zukunft entspannter sehe. Für mich ist diese Reise so wichtig und ich möchte auf jeden Fall weiterhin meinen persönlichen Horizont erweitern, es gibt so viel zu entdecken und nicht alles hängt von Schule ab.

Außerdem zurück nach Deutschland nehmen möchte ich die Freude an der Sonne. Ich denke, wir Deutschen beschweren uns manchmal etwas zu gerne, wie gut es doch sein könnte, auch wenn wir es absolut nicht schlecht haben. Hier in Schweden gibt es auffallend weniger Sonnenstunden und ich habe für mich gelernt jeden Moment an Sonne auszunutzen, den ich bekomme. Man weiß nie, wann die Sonne wieder mal scheint. Daran möchte ich festhalten, einen kleinen Moment innehalten und das Gesicht in die Sonne halten, eine Kleinigkeit im Alltag genießen.

Sprache ist so viel mehr als die gesprochenen Worte.

Auf der anderen Seite war die mit Abstand größte Schwierigkeit für mich und ist es immer noch die Sprachbarriere. Es ist auf gewisse Weise sehr frustrierend sich nicht richtig verständlich machen zu können, seine Gefühle und Absichten nicht richtig artikulieren zu können, selbst wenn man die Grundkenntnisse der Sprache bereits beherrscht. Sprache ist so viel mehr als die gesprochenen Worte. Das können Laute oder einfach nur Bewegungen sein, aber wenn man etwas anderes gewöhnt ist, fällt einem plötzlich jede Kleinigkeit im Sprachverhalten auf.

Daraus habe ich gelernt einfach alles nachzufragen, auch wenn es eine noch so dumme Frage ist und man auch schon 5-mal nachgefragt hat. Am Ende ist das gegenseitige Verstehen doch das wichtigere. Dies sagt sich jetzt etwas einfacher als es eigentlich ist, und ich muss mich manchmal selbst daran erinnern, wenn es manchmal einfacher wäre zu nicken und zu lächeln, aber oft mache ich mir nur selbst viel zu viele Gedanken und die Menschen sind eigentlich sehr hilfsbereit und auch beim 6. Mal noch geduldig.

Freunde treffen am Stand im Schüleraustausch in Schweden mit AFS.

Am Ende kann ich sagen, dass dieses vergangene halbe Jahr eines der ereignisreichsten und aufregendsten meines Lebens war. Ich lerne so viel und immer wieder Neues dazu und freue mich auf das nun verbleibende halbe Jahr, welches noch vor mir liegt. Ich bin sehr dankbar für diese Erfahrung und möchte mich dafür bei AFS und auch beim AJA-Stipendium ganz herzlich bedanken. Ein riesengroßes Dankeschön an euch, das ihr dafür arbeitet diese Möglichkeit immer wieder Menschen möglich zu machen.

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