Lebenslange Fruendschaften können in deinem Austauschjahr mit AFS entstehen.

Meike war 1986/87 mit AFS als PPP-Stipendiatin in den USA. Auch heute ist sie AFS weiterhin verbunden: Meike engagiert sich unter anderem bei unseren Stipendien-Infoabenden und als Mit-Organisatorin der letzten drei AFS Global Ideathons. Im Interview berichtet sie davon, wie die Freundschaften, die sie während ihres Auslandsjahres geknüpft hat, auch heute noch bestehen.

Liebe Meike, hast du noch Kontakt zu Menschen, die du während deines Auslandsjahres in den USA kennengelernt hast? Hat das Auslandsjahr deine Sicht auf Freundschaften beeinflusst?  

Ja! Nach Jahren und teilweise auch Jahrzehnten Funkstille ist das Netzwerk Dank sozialer Medien wieder sehr dicht geworden. Zu einigen wenigen hielt sich der Kontakt trotz Schneckenpost – als dann Facebook aufkam, fanden viele wieder zueinander. Das war nicht anders als bei deutschen Schulfreunden, die man nach dem Abschluss aus den Augen verloren hatte.

Freundschaften – besonders zu Austauschschülern, die mit mir in derselben Gegend oder mit mir in denselben deutschen Vorbereitungs-Camps waren – sind für mich ganz besondere Freundschaften: Wir sehen uns teilweise Jahre oder gar Jahrzehnte nicht, Grüße beschränken sich oft auf Geburtstagsgrüße oder ähnliches, aber wenn wir dann wieder beisammen sind, machen wir genau da weiter, wo wir aufgehört haben. Die innere Verbundenheit bleibt über zeitliche und räumliche Entfernung bestehen und ist völlig unabhängig von gemeinsam verbrachter Zeit. Ohne mein Austauschjahr hätte ich das wahrscheinlich erst viel später (wenn überhaupt) erkannt und hätte deutlich weniger Vertrauen in Menschen, die ich sehr selten sehe.

Wie pflegt ihr heute den Kontakt zueinander?

Wir haben eine aktive Whatsapp-Gruppe, in der wir besondere Ereignisse einander mitteilen. Es gibt immer ein großes „Hallo“, wenn sich zwei oder mehr irgendwo treffen und gemeinsame Fotos posten. Es ist halt doch etwas Besonderes, wenn sich Nordeuropäer und US-Amerikaner in Rom treffen! Dabei sind wir immer wieder davon fasziniert, dass wir intuitiv wissen, von welcher Familie – der leiblichen oder der Gastfamilie – die Rede ist, wenn gefragt wird, ob die Eltern noch leben und wie es den Geschwistern geht. Erklären kann das niemand. Es ist einfach so.

Was glaubst du sind Faktoren, die dazu beitragen, dass Freundschaften aus dem Austauschjahr noch Jahre später bestehen bleiben und welche Rolle spielen eure gemeinsamen Erfahrungen dabei?

Wir haben gemeinsame eine sehr intensive Zeit erlebt, haben unseren Charakter geformt in einem für uns ungewohnten Umfeld. Wir haben mit denselben Problemen wie Heimweh, Unverständnis über amerikanische Gewohnheiten und ähnlichem gekämpft, aber auch dieselben grandiosen Erfahrungen machen dürfen – von Homecoming bis zur Prom durften wir ja alle Traditionen der High-School-Abschlussklasse mitmachen. Das ist schon mal ein verbindendes Element.

Promball 1986 in den USA

Was uns jedoch in ganz besonderer Weise verbunden hat, waren die Camps und der Bustrip, den es (soweit ich weiß) leider nicht mehr gibt: Damals wurden alle Austauschschüler mit Bussen zu den großen Flughäfen gebracht: Immer eine sehr lange Tagesetappe, dann 2-3 Tage Aufenthalt in einem Ort in Gastfamilien und weiter, vom äußersten Norden der USA bis nach San Francisco. Wir haben im Bus getanzt (es gab ja keine Anschnallpflicht), geweint, Melonen (aus Versehen!) nach Kalifornien geschmuggelt, geredet, Freundschaftsbänder geknüpft, geschlafen und unglaublich viel gelacht. Seitdem sind wir mehr als “nur” Freunde, wir bezeichnen uns als “siblings”.

Kannst du eine Geschichte teilen, die eure Freundschaft gut beschreibt?

Ein argentinischer Austauschschüler schrieb in unserer Whatsapp-Gruppe, dass er am Krankenhausbett seines Vaters sitze und einfach gerne “quatschen” würde. Nun ist ja das Gute an einer internationalen Gruppe, dass die Zeitzonen unterschiedlich sind und garantiert irgendwer wach ist und Zeit hat. So habe ich denn mit ihm nicht über seinen Vater, sondern über alles Mögliche geredet, so wie er es in dem Moment brauchte. Es war eine halbe Stunde, die nicht von “deep talk” gekennzeichnet war, aber für uns beide sehr wichtig und von tiefem Vertrauen gekennzeichnet war. 

Welchen Rat würdest du Jugendlichen geben, die während ihres Austauschjahres Freundschaften knüpfen möchten?

Im Heimatland ist man groß geworden, das Umfeld hat relativ genaue Vorstellungen und auch Erwartungen daran, wie man sich verhalten und kleiden wird. Im Ausland aber ist man ein komplett unbeschriebenes Blatt. Es ist großartig, sich selbst (im Rahmen der Gastkultur) die Freiheit zu schenken, ganz man selbst zu sein und/oder neue Facetten auszuprobieren. Menschen, die genauso “ticken” wie man selbst, können das spüren – und so öffnen sich Tore zu wunderbaren Freundschaften, die eben nicht auf dauernder Nähe und langer gemeinsamer Zeit beruhen, sondern auf dem Wesen der Beteiligten. Das erfordert ein gewisses Maß an Mut, aber die Chance ist wahrscheinlich nie so groß wie in einem Jahr in der Fremde.

Vielen Dank für deinen Bericht, liebe Meike!

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