Als am 27. Januar 1945 die sowjetische Armee das KZ Auschwitz befreite, fand sie noch 7.000 Häftlinge vor. Die SS hatte diese sich selbst und dem sicheren Tod überlassen. Tausende KZ-Häftlinge waren zuvor in Todesmärschen in andere Lager im Deutschen Reich gebracht worden. Angesichts der vorrückenden alliierten Streitkräfte, hatten die Nazis schon Ende 1944 mit der Zerstörung der Gaskammern und Krematorien in Auschwitz und anderen Konzentrationslagern begonnen. Sie ermordeten die unmittelbaren Zeugen ihrer Verbrechen. So versuchten sie, ihre Spuren zu verwischen und die Erinnerung an ihr Morden, dem allein in Auschwitz mehr als 1 Million Menschen zum Opfer gefallen waren, auszulöschen. Doch dieses Auslöschen, Verdrängen, Verneinen darf auch Jahrzehnte später nicht Oberhand gewinnen. Weltweit haben es sich die Vereinten Nationen, der Europarat und mit ihnen viele Staaten und Organisationen zur Aufgabe gemacht, mit dem Internationalen Holocaust-Gedenktag jeweils Ende Januar das Andenken der Opfer und den Kampf gegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Bewusstsein und Handeln der heutigen Generation zu verankern.
Am letzten Sonntag des Januars veranstalteten die evangelischen Kirchengemeinden in Kronberg im Taunus einen Gedenkgottesdienst für die Opfer des Holocaust. Mit Heidi Krauss-Habel (AFS USA 1965) und Ulrich Voss (AFS USA 1983) gestalteten zwei AFS-Alumni diesen sehr bewegenden Gottesdienst in der vollbesetzten Johanniskirche mit. „Erinnern. Verinnerlichen“ war dar Leitspruch des Gedenkens.
Eine zentrale Rolle im Gottesdienst nahmen die Erinnerungen des AFS Ambulance Driver Norman Shethar ein. Er war als 20jähriger Freiwilliger im April 1945 an der Befreiung des KZ Bergen-Belsen beteiligt. 1993 hatte er dazu vor der AFS-Mitgliederversammlung in Braunschweig eine bewegende Rede gehalten. Des Weiteren hatte er AFS eine Reihe von Briefen, die er seinen Eltern 1945 geschrieben hatte, hinterlassen. Heidi Krauss-Habel las aus diesen Erinnerungen, die ein erschütterndes Zeugnis sind einer unbegreiflichen Unmenschlichkeit. Tausenden von KZ-Häftlingen konnten die Befreier in Bergen-Belsen nicht mehr helfen – die Häftlinge waren zu schwach und zu krank. Die von dem Ausmaß des menschlichen Elends überwältigten Befreier mussten dies verzweifelt erkennen. Aus Norman Shethar’s Erinnerungen sprechen sein Entsetzen, seine Ohnmacht und Wut.
Schüler*innen der Altkönigschule Kronberg, die die 14 Stolpersteine in Kronberg, mit denen Opfern des Nationalsozialismus gedacht wird, pflegen, brachten ihre Gedanken zum Ausdruck. Sie berichteten auch von ihren Eindrücken bei der von der Freya-von-Moltke-Stiftung veranstalteten internationalen Jugendbegegnung auf dem Gut Kreisau, des von den Nazis hingerichteten Widerstandskämpfers Helmuth James Graf von Moltke. Es war ein ermutigender und tröstender Ausblick, dass diesen Jugendlichen die Erinnerung an den Holocaust wichtig ist und eine Mahnung für die Gegenwart, Freiheit und Menschlichkeit gegen Totalitarismus und Rassismus zu schützen.