Gastfamilie Bremer, Norwegen, 2008/09

Schon längere Zeit hatten wir uns überlegt eventuell einmal einen Austauschschüler in unsere Familie aufzunehmen. Wir selbst hatten, zwar schon als Erwachsene, 3 Jahre als „Ausländer“ in den USA gelebt, doch wir hatten uns nicht wirklich als Ausländer gefühlt. Andere Menschen und Kulturen kennen zu lernen und fest zu stellen: „Das ist ja alles gar nicht so anders wie man es von Zuhause kennt“, war eine riesige Erfahrung für uns und einem jungen Menschen auch diese Möglichkeit zu geben, fanden wir eine tolle Aufgabe und Möglichkeit zur Verständigung der Menschen untereinander überhaupt.

Als unsere 15 jährige Tochter Cosima uns dann im Sommer 2007 damit überraschte, dass sie ein Jahr nach Mittelamerika wollte, alles schon geplant hatte und nur noch unser o.k. brauchte, haben wir uns mit dem ganzen Thema „Austausch“ intensiver beschäftigt. Schnell war uns klar, dass dies nun der richtige Zeitpunkt sei unsere Pläne umzusetzen. Wir hofften, dass unsere Tochter in eine gute Familie aufgenommen würde, also wollten wir auch einem jungen Menschen diese Möglichkeit geben. Da wir die Mitarbeiter und die Arbeit des ortansässigen AFS-Komitees gut kannten, wollten wir auch gerne mit AFS zusammen arbeiten.

Die Entscheidung für Aksel

In unsere Entscheidung hatten wir von Anfang an unsere beiden Kinder und ganz besonders unseren 17 jährigen Sohn Niklas mit einbezogen, denn er würde das Jahr mit dem Gastbruder oder der Gastschwester zusammen leben. Er entschied dann letztlich auch, dass es ein Junge sein sollte, denn er wollte keinen Ersatz für seine Schwester.

Vom AFS erhielten wir die Reports von 3 Jungs und die Entscheidung fiel uns wirklich schwer, denn beim Lesen der Briefe und persönlichen Vorstellungen wurde klar, dass alle, ähnlich wie unsere Tochter, sich diesen Austausch sehr wünschten. Im Endeffekt hat dann wieder unser Sohn entschieden, denn die Beschreibung von Aksels Freizeitgestaltung war der von unserem Sohn sehr ähnlich. Ich fand sehr lustig, dass ich beim Lesen des Schreibens von Aksels Vater manches Mal dachte: „Redet er jetzt von meinem Sohn?“. Die Entscheidung war dann bereits im März/April gefallen, Aksel aus Norwegen sollte zu uns kommen.

Aksels Ankunft

Aksel kam Anfang September 2008 und war von Anfang an total unkompliziert. Am zweiten Tag führte ich ihn durchs ganze Haus und erzählte ihm die wichtigsten unserer Regeln. Er hat sich sehr schnell damit zu Recht gefunden, auch wenn einiges für ihn neu war, aber er war sehr willig sich in unseren Familienrhythmus hinein zu finden. Die regelmäßigen gemeinsamen Mahlzeiten fand er sehr schön und hat sich dabei auch immer sehr eingebracht.

Wichtig für uns war auch die Handhabung der Ausgehzeiten und der Umgang mit bzw. ohne Alkohol. Wir hatten ihm erklärt, wie wir dies mit unseren Kindern geregelt hatten, nämlich auf reiner Vertrauensbasis, ohne Vorgaben oder Verbote, es galt selbst zu verantworten was man tut. Das hat auch bei Aksel super geklappt und er hat unser Vertrauen nie missbraucht, oft hat er seine Pläne im Vorfeld mit uns abgestimmt oder sich gemeldet wenn sich etwas änderte oder es später wurde. Wir waren auf der anderen Seite dann auch mal bereit nachts eine Abholtour zu fahren, eben wie bei unseren Kindern.

Die Kommunikation mit Aksel

Von Beginn an war das Verhältnis zu unserem Sohn, der ja nur ein Jahr älter ist, gut und Aksel wurde einfach mit einbezogen wenn ein Pokerabend, eine Party oder andere Aktivitäten anstanden. Bei seiner Ankunft konnte er ziemlich wenig Deutsch, so sprachen wir meistens Englisch, wobei wir uns vorgenommen hatten, spätestens nach den Herbstferien können wir kein Englisch mehr und so haben wir es auch gemacht. Es dauerte etwa bis Januar und auf einmal war der Knoten geplatzt und Aksel sprach Deutsch.

Aksels ganze Passion galt allerdings dem Fußball, dies hatte er auch in seinen Wünschen für das Auslandsjahr beschrieben, er wollte gerne in eine Familie die ihm den Zugang zu Fußball ermöglichte und so organisierten wir, dass er bereits 2 Tage nach seiner Ankunft im ortsansässigen Verein trainieren und spielen konnte. Wir hofften auch, dass er auf diesem Weg schnell Kontakt zu Jugendlichen im Ort finden würde, denn er sollte ja nicht nur mit seinem „Bruder“ seine Freizeit verbringen, sondern eigene Freunde finden. Schnell wurde aber klar, das Aksel in dieser Mannschaft unterfordert war, denn er wollte mehr, war auch nach Deutschland -der Fußballnation- gekommen um besser im Fußball zu werden. Hier gab es das erste Mal leichte Verstimmungen, denn seine und unsere Vorstellungen gingen auseinander. Im Dezember wechselte er zu einem überregionalen, höherklassigen Verein. Den Mehraufwand mit dem Fahren nahm er gerne in Kauf. Den Verlust der ersten sozialen Kontakte auch. Überhaupt ordnete er dem Fußball alles unter, was dazu führte, das er außerhalb des Fußballs sehr wenig Kontakte knüpfte. Obwohl: von unserem Sohn wissen wir, dass Aksel mit seiner lockeren und unkomplizierten Art in der Schule sehr beliebt war, auch wenn er bzw. die Mitschüler diese Kontakte nach der Schule nicht gepflegt haben.

Weitere Spannungen gab es bezüglich unserer unterschiedlichen Vorstellungen in Richtung Schule. Ihm war das Lernen in der Schule vollkommen egal, wir erwarteten ein gewisses Engagement.

Unsere Beziehung zu Aksel

Rückblickend war es trotzdem ein gutes Jahr und man kann sagen wir hatten und haben ein gutes Verhältnis aufgebaut. Wir glauben, dass er einiges von uns und der deutschen Kultur gelernt hat und wir haben auch von ihm und durch ihn einiges gelernt.

Es ging bei dem Austausch nicht darum, dass Aksel sich unseren Vorstellungen angepasst hat, sondern er musste versuchen seine Wünsche und Erwartungen umzusetzen und wir mussten ihm den sicheren Rahmen geben, eigene Entscheidungen zu treffen und zu verantworten. Als wir dies im Laufe des Jahres realisierten, wurde unsere zu der Zeit etwas gespannte Beziehung wieder besser.

Der Abschied fiel allen schwer

Der Abschied fiel dann allen schwer. Es war nicht Aksels Ding Gefühle offen zu zeigen, aber den Brief, der am Abreisetag unter seiner Bettdecke lag, haben wir gut aufgehoben. Zum Glück ist Norwegen ja nicht so weit weg und wir wollen ihn auf jeden Fall einmal zu Hause besuchen und dank der modernen Kommunikationsmittel haben wir auch regelmäßig Kontakt mit ihm.

Gastfamilie Bremer, 2008/09

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