Lena, Chile, 2017, Schuljahr im Ausland mit AFS-Stipendium:

Es ist kaum zu glauben, dass jetzt schon die Hälfe meines Jahres hier vorbei ist, die Zeit verging auf der einen Seite wie im Flug und auf der anderen Seite habe ich schon so viel erlebt, dass es sich anfühlt, als wäre ich schon Jahre hier. Inzwischen habe ich mir einen Alltag aufgebaut und es ist nicht mehr alles so aufregend, wie es am Anfang war. In meinen ersten Wochen hier war erstmal alles komplett neu. Eine neue Stadt, viel größer und unübersichtlicher, als meine Heimatstadt, eine neue Familie, die mir aber von Anfang an sympathisch war und meine Schule und Klasse, in der ich zu Anfang niemanden kannte. Trotzdem fiel es mir ziemlich leicht mich an alles zu gewöhnen, da ich von allen Seiten sehr, sehr herzlich aufgenommen wurde und immer Unterstützung hatte.

Da ich am Anfang kaum ein Wort Spanisch sprach, habe ich mich in den ersten Wochen aus den meisten Gesprächen herausgehalten und einfach nur zugehört und versucht, alles so gut wie möglich zu verstehen, was auf die Dauer wirklich anstrengend und ermüdend sein kann. Inzwischen ist es für mich kein Problem mehr, Unterhaltungen zu folgen oder auch mitzureden, da mein Spanisch nun relativ flüssig ist. Nach den ersten 5 Monaten, die ich jetzt schon hier bin, habe ich unglaublich viele Eindrücke gesammelt, viele tolle Menschen kennengelernt und Momente erlebt , die mich sprachlos zurückgelassen haben. Besonders beeindruckend finde ich die Landschaft hier, da die chilenische Natur alles zu bieten hat: Gebirge, Meer, Wälder, Vulkane und Flüsse. Für mich macht gerade der Mix das Ganze so schön.

Lustige und herzliche Menschen

Zu den Menschen, die ich hier kennengelernt habe: Bevor ich herkam, haben mir viele von der Herzlichkeit der Chilenen erzählt und das kann ich auch absolut bestätigen. Eine weitere sehr wichtige Eigenschaft, die ich wirklich liebe ist die Begeisterungsfähigkeit und Freude, die insbesondere bei besonderen Veranstaltungen hervortritt. In meiner Schule gab es zum Beispiel jede Menge Veranstaltungen, bei denen sich niemand zu schade war, um vor der ganzen Schule zu tanzen (auch die Lehrer nicht), in Windeln Rennen zu veranstalten oder von der Tribüne aus mit voller Energie die Teams anzufeuern. Bei den Festen, wie der “Fiesta de Patria” oder Silvester und vielen weiteren wird diese Begeisterung dann auch innerhalb der Familie ausgelebt. Ich habe diese und weitere Ereignisse mit meiner ganzen Familie verbracht, die ein bunter Haufen voll lustiger und herzlicher Menschen ist.

Meine chilenische Schule

Aber natürlich wird hier nicht nur gefeiert. Auch wenn es mir am Anfang so vorkam, weil ein Fest auf das nächste folgte. Also wenn ich nicht gerade am Cueca, dem Nationaltanz tanzen bin oder Empanadas backe, gehe ich hier jeden Wochentag in die Schule, wobei inzwischen auch schon die Sommerferien angefangen haben. Ich gehe wirklich sehr gerne in meine Schule, da jeder Tag sehr lustig ist. Meine Klasse ist mit 45 Schülern fast doppelt so groß, wie es meine deutsche Klasse war und bei so vielen Schülern ist immer was los. Und obwohl die Gruppe so groß ist, herrscht eine wirklich sehr große Klassengemeinschaft und jeder unterstützt den anderen so sehr er kann.

Am Anfang war es in meiner Klasse etwas schwierig tatsächlich Anschluss zu finden. Alle waren sehr aufgeregt, mich zu treffen und mit mir zu reden, was mich zwar wirklich gefreut hat, aber mich am Anfang auch ein bisschen überforderte. Dadurch hat es etwas gedauert bis ich herausgefunden habe, mit welchen  Klassenkameraden ich Gemeinsamkeiten habe und dann tatsächliche Freunde gefunden habe.

Meine AFS-Freunde an der Schule

Da ich gerade von meiner Schule spreche, sollte ich auch erwähnen, dass an meiner Schule noch drei andere AFS Austauschschüler sind. Alle mit unterschiedlichen Nationalitäten und in verschiedenen Klassen. Anfangs dachte ich, es wäre sehr viel, drei andere Austauschschüler in derselben Schule zu haben, aber inzwischen sehe ich eigentlich nur die Vorteile davon. Selbst als einer von vieren wird man hier immer noch als etwas ziemlich Besonderes und Aufregendes wahrgenommen.  Es kommen immer wieder neue Schüler aus allen Stufen auf uns zu, um sich mit uns zu unterhalten. Die drei sind zudem inzwischen einige meiner engsten Freunde, die ich je hatte, geworden.  Wenn gerade doch mal nichts in meiner Klasse los ist, treffen wir uns in den Pausen. Das war besonders am Anfang sehr hilfreich, da es wirklich anstrengend ist, den ganzen Tag zu versuchen, in einer Sprache zu kommunizieren, von der man höchstens die Basics kennt. Und so war es wirklich sehr entspannend in den Pausen mal auf Englisch zu sprechen. Aber nach den ersten Monaten haben wir uns dann darauf konzentriert, Zeit mit unseren Klassenkameraden zu verbringen und Spanisch zu sprechen.

Chilenische Jugendliche

Chilenische Jugendliche sind sehr davon abhängig, wo sie wohnen: Aus meiner Klasse leben die meisten im “Campo”, also auf dem Land, und die Verbindung in die Stadt ist sehr schlecht, wodurch es schwierig ist, mich mit ihnen außerhalb der Schule zu treffen. Für sie ist es auch schwierig, Hobbys wie Sport beizuwohnen, was hier viele Jugendliche machen. Beliebt sind besonders Basketball, Fußball und Volleyball, das ich hier auch in einer Mannschaft spiele. Außerdem sind hier sehr viele Jugendliche bei den Pfadfindern, wo ich auch schon ein paar Mal war. Es gibt auch Freundesgruppen, die jeden Nachmittag in den öffentlichen Skater Parks verbringen und durch das viele Training auch wirklich gut sind. Am Wochenende gibt es abends oft Feiern, bei denen sehr viel getanzt wird.

Wenn es um die Jugendlichen geht, kann man eine Sache nicht unerwähnt lassen: Social Media. Egal ob Instagram, Facebook oder WhatsApp, fast alle Jugendlichen, sowie auch ein Großteil der Erwachsenen, sind sehr aktiv auf diesen Plattformen und es ist sehr wichtig, wie man sich im Internet präsentiert. Das war für mich am Anfang sehr ungewohnt und ist auch immer noch teilweise etwas nervig, da dem Ganzen meiner Meinung nach zu viel Bedeutung gegeben wird. Eine andere sehr wichtige Priorität hier ist das Aussehen, insbesondere die Haare.

In meiner Klasse gibt es zum Beispiel fast immer eine Person, die ein Glätteisen dabei hat. Da gibt es dann meistens eine Schlange, wer als nächstes seine Haare glätten darf, was auch sehr gerne mal im Unterricht gemacht wird. Die meisten Lehrer finden das okay, solange gerade nichts abgeschrieben werden muss. Die Lehrer hier sind im Generellen sowieso extrem nett und locker und das Schüler- Lehrer Verhältnis ist viel freundschaftlicher, als es in Deutschland meist der Fall ist. Eine weitere Tatsache, die die Schultage sehr entspannt und lustig macht.

Ich hab extrem viel über mich gelernt

Zusammenfassend kann man sagen, dass der erste Teil meines Auslandjahres sehr gut war und ich mich trotz kleinerer Schwierigkeiten und kultureller Unterschiede gut hier in meinem Leben in Chile eingefunden habe. Ich habe außerdem auch extrem viel über mich selbst gelernt, da ich hier in viele Situationen komme, die ich so in Deutschland nie erlebt hätte und vor allem auch von vielen Menschen lernen kann, die ich hier kennengelernt habe.

Auslandsjahr? Macht es einfach!

Zukünftigen Austauschschülern und -schülerinnen würde ich eines sagen wollen: Macht euch keinen zu großen Kopf, bevor ihr geht. Für mich hat das sehr gut geklappt. Bevor ich ging, hatte ich weder nennenswerte Spanischkenntnisse, noch wusste ich viel über die chilenische Kultur, Geschichte oder Geografie. Aber so wie ich es sehe, ist das Beste diese Dinge kennenzulernen, indem man sie erlebt. Deshalb habe ich in diesem Text auch nicht sehr viele spezifische Sachen genannt. Ihr wisst noch nicht was ein Emvomquie ist. Ihr solltet unbedingt den stolzen Blick sehen, wenn ein Chilene die Nationalhymne “Puro, Chile” singt. Ihr solltet genauso überrascht sein, gewisse Details der chilenischen Geschichte erklärt zu bekommen, die dazu führten, dass das beliebteste Bier hier “Kunstmann” heißt und ihr solltet auch mal mit offenem Mund in Mitten von tanzenden Chilenen stehen und euch fragen, warum einfach jeder tanzen kann und euch so richtig “deutsch” fühlen.

Also wenn ihr noch unentschlossen sein solltet, ob ein Auslandsjahr wirklich das richtige für euch ist MACHT ES EINFACH und lasst euch über jede Zweifel hinweg von eurem Gefühl leiten. Natürlich gilt das nicht nur für ein Jahr in Chile, ich denke jedes Jahr außerhalb des gewohnten Umfeldes ist ein großer Gewinn.

Falls ihr euch jedoch für Chile interessiert und tatsächlich mehr erfahren wollt oder mehr Bilder sehen möchtet, könnt ihr gerne mal auf meinem Blog vorbeischauen.

Danke – ich habe so viele wunderbare Erlebnisse mit AFS

Zum Schluss möchte ich noch einen Dank an AFS richten. Zum einen haben sie es mir durch ein Teilstipendium ermöglicht, meinen langen Traum eines Auslandsjahres zu verwirklichen, wofür ich extrem dankbar bin! Zum anderen habe ich inzwischen so viele wunderbare Erlebnisse mit AFS-Freunden und -Freiwilligen geteilt, sowohl mit AFS Deutschland, als auch vor allem mit meinem Komitee hier in Chile. Ich würde auf jeden Fall jedem empfehlen, mit AFS ins Ausland zu gehen!

So, und jetzt werde ich noch die zweite Hälfte meines Jahres hier genießen und darüber dann sowohl in meinem Abschlussbericht, als auch auf meinem Blog berichten.

Nos vemos Chiquitoritos! (So sagt das immer meine Biologie Lehrerin)

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