Marie, Chile, 2017, weltwärts:

Marie hat mit AFS und dem weltwärts-Programm einen Freiwilligendienst in Chile gemacht. Sie hat dabei in einem Kindergarten gearbeitet.

Freiwilligendienst mit AFS und weltwärts in Chile - die Anden aus dem Flugzeug

Viele sagen: „Das Auslandsjahr war das beste Jahr meines Lebens.“ Ich bin da vorsichtig. Es war gut, sehr gut sogar, einzigartig auf jeden Fall. Aber ich muss differenzieren, denn auf der anderen Seite waren es auch die härtesten Monate meines bisherigen Lebens. Am Anfang meines Freiwilligendienstes war ich sehr gespannt darauf, was mich erwarten wird. Zunächst war ich aufgrund meiner geringen Sprachkenntnisse ziemlich überfordert. Deshalb brauchte es auch etwas Zeit, bis ich mich an alles gewöhnen und neue Aspekte der Kultur entdecken konnte.

Land und Leute

Freiwilligendienst mit AFS und weltwärts in Chile - El valle del Elqui

Innerhalb des Jahres habe ich dann Chile und seine Menschen mehr und mehr kennen und lieben gelernt. Natürlich ist es selten wirklich so, wie man es erwartet. Auch in Chile war ich von der einen oder anderen Eigenheit überrascht. Aber das ist gut so, denn schließlich hat man bei einem Auslandsjahr die Chance, die Kultur eines Landes wirklich kennenzulernen und mit Vorurteilen aufzuräumen. Oft sagt man über Lateinamerikaner, dass sie sehr aufgeschlossen sind. Eine Eigenheit, die sich größtenteils bestätigt hat. So ist es am Anfang einfach, in Kontakt zu kommen und kleinere Gespräche zu führen. Ich hatte mir allerdings erhofft, auf diese Weise schnell auch neue Freundschaften zu knüpfen. Aber leider blieb der Kontakt meist oberflächlich. Abzustreiten, dass ich etwas entmutigt war, nachdem ich vergeblich versucht habe, auch über verschiedene Freizeitangebote junge Leute kennenzulernen, wäre falsch. Aber alles kommt mit der Zeit. Nach einigen Monaten habe ich über neue Bekanntschaften Freunde gefunden, mit denen ich trotz der Entfernung hoffentlich noch länger in Kontakt bleiben werde.

Freiwilligendienst mit AFS und weltwärts in Chile - Empanadas

Grundsätzlich unterscheidet sich die chilenische Kultur in einigen Aspekten von der deutschen. Angefangen bei der Sprache, über verschiedene Werte wie z.B. Pünktlichkeit, bis hin zum Essen. Zum Beispiel braucht man immer seine RUT (Steueridentifikationsnummer). Sei es beim Einkaufen, im Supermarkt, beim Arzt oder manchmal auch beim Kauf eines Bustickets. Gerade, wenn man aus einem Land wie Deutschland kommt, in dem Privatsphäre relativ groß geschrieben wird, ist es sehr ungewohnt, dass man immer und überall seine persönlichen Daten angeben muss. Ein anderes Beispiel sind die Colectivos. Sich ein Taxi mit fremden Menschen zu teilen, war am Anfang wohl auch eher ungewohnt, aber am Ende ganz normal. Auch dass sich kaum einer an die Haltestellen hält, sondern einfach einem Bus auf der Straße zuwinkt, um einzusteigen. Und in vielen Läden muss man sich immer zweimal anstellen. Einmal zum Bezahlen und einmal, um die Ware abzuholen. Da ist das Einkaufen am Anfang ohne ausreichende Sprachkenntnisse manchmal gar nicht so einfach gewesen.

Freiwilligendienst mit AFS und weltwärts in Chile - Santiago de Chile

Chile hinkt in seiner Entwicklung bei Weitem nicht so weit zurück, wie in einigen Medien propagiert wird. Wenn wir ganz genau sind, zählt es nicht einmal mehr zu den Entwicklungsländern, sondern ist vielmehr ein Schwellenland. Viele Lebensstile und auch viele technische Mittel haben die Menschen hier bereits aus den westlichen Ländern erreicht. Gerade im Zentrum der Hauptstadt Santiago sieht man auf den ersten Blick kaum Unterschiede zu anderen Großstädten der Welt. Auf dem Land dagegen existiert vermehrt weiterhin die typische lateinamerikanische, speziell chilenische, Lebensart. Man sieht Gauchos, wie sie ihre Schafe oder Kühe zu den Weiden treiben, und Menschen, die nicht nur zum Nationalfeiertag am 18. September den traditionellen Tanz Cueca tanzen.

Meine Einsatzstelle

In der Freiwilligendienst-Einsatzstelle von Sophie in Chile, einem Kindergarten

Während meines Freiwilligendienstes habe ich in einem Kindergarten von Hogar de Cristo gearbeitet. Hogar de Cristo ist eine gemeinnützige Organisation, die in ganz Chile Projekte für die ärmere Bevölkerung organisiert und eigene Alters- und Obdachlosenheime, sowie Kindergärten, bei der Finanzierung unterstützt. Von Montag bis Freitag habe ich den Erzieherinnen von 9 bis 17 Uhr bei der Betreuung der Kinder assistiert. Wir haben gemeinsam gespielt, gesungen und getanzt. Ebenfalls habe ich beim Füttern und Windeln geholfen. Gerade am Anfang haben mich meine Kolleginnen gut eingearbeitet, mir gezeigt, was ich machen kann, und wie ich es machen muss. Während des gesamten Jahres haben sie mich in jeglichen Lebenslagen unterstützt und dafür bin ich ihnen sehr dankbar. Während ich vier Mal die Gastfamilie gewechselt habe, fühlte ich mich in meinem Projekt immer wohl und willkommen. Alles in allem war es also eine gelungene Projektplatzierung, auch wenn die Arbeit manchmal etwas eintönig und auf jeden Fall sehr erschöpfend war. Dennoch, vor allem wegen der Kinder und meiner Kolleginnen, bin ich jeden Tag gern auf Arbeit gegangen.

Meine Gastfamilien

Das Thema Gastfamilie ist in meinem Fall etwas schwieriger. Als ich nach Chile kam, wohnte ich für die ersten acht Monate in einer Gastfamilie, mit der ich mich zunächst auch recht gut verstand. Mit der Zeit traten leider vermehrt Fehlkommunikation sowie andere Missverständnisse auf und es fehlte an einem gemeinsamen Beisammensein. Oft sah ich meine Gastmutter und meine Gastschwester für mehrere Tage kaum oder gar nicht. Und zusammen gegessen wurde meist nur einmal am Wochenende. Aus diesen und weiteren persönlichen Gründen fühlte ich mich sehr allein gelassen. Selbst nach einem klärenden Gespräch besserte sich die Lage nicht merklich.
Daraufhin zog ich vorerst für einen Monat zu meiner Kontaktperson und ihrer Familie. Dort fühlte ich mich wohl und gut aufgenommen, aber leider wohnte die Familie etwas abseits der Stadt, sodass ich meistens auf meine Gasteltern und das Auto angewiesen war, um zur Arbeit zu kommen oder anderweitig Besorgungen zu machen. Übergangsweise zog ich zu einer Freundin in die Stadt, aber als sie nach drei Wochen ihren Wohnort wechselte, zog ich zu meiner Kontaktperson zurück. Letztendlich habe ich über eine Arbeitskollegin eine neue Gastfamilie in der Stadt gefunden, bei der ich die letzten zwei Monate verbrachte. Dort fühlte ich mich sehr wohl und ich war froh, auch wieder etwas ungebundener meinen Hobbies nachgehen zu können.

Generell lernte ich von Gastfamilie zu Gastfamilie immer mehr über Anpassung und Eingliederung in eine bestehende Gemeinschaft. Am Anfang des Auslandsjahres war alles noch sehr neu. Natürlich habe ich versucht, nichts falsch zu machen, aber ganz automatisch tritt man in Fettnäpfchen. Bei den weiteren Familien kannte ich schon mehr die chilenische Kultur, was mir durchaus beim Einleben geholfen hat. Allgemein muss ich aber gestehen, dass ich nie zu hundert Prozent aufgehört habe, mich als Gast zu fühlen. Natürlich fühlte es sich weitgehend wie ein Zuhause an, aber sicherlich ist es den mehreren Familienwechseln geschuldet, dass ich mich nie richtig als Teil einer Familie gefühlt habe. Der Abschied am Ende war trotzdem schwer, aber ich fühlte mich nicht direkt zu einer Familie zugeordnet, was ich persönlich etwas schade finde. Klar, es hatte auch ein paar Vorteile, so viele Gastfamilien in dem Jahr gehabt zu haben, aber am Ende ist es, als würde jedem ein Teil meines Herzens gehören, was es schwierig macht, Prioritäten zu setzen.

Betreuung durch AFS

Während des gesamten Jahres wurde ich von AFS Chile unterstützend begleitet. Auf mehreren Seminaren (ein On Arrival-, zwei Mid-Stay- und ein End-Stay-Camp) haben wir die chilenische Kultur näher kennengelernt und eigene Erfahrungen reflektiert. Abgesehen davon hatte ich auch vor Ort eine Ansprechperson, mit der ich mich jeden Monat getroffen und ausgetauscht habe. Als ich Probleme mit meiner Gastfamilie hatte, haben sich sowohl meine Kontaktperson, als auch AFS Chile sofort gekümmert und mir geholfen, vorerst einen Ort zu finden, an dem ich mich besser fühlen konnte. So zog ich übergangsweise für einen Monat zu der Familie meiner Kontaktperson. Ich war sehr froh darüber, dass sie mich in ihre Familie aufgenommen und integriert haben. Zu ähnlicher Zeit bin ich kurzzeitig wegen eines familiären Todesfalls nach Deutschland geflogen und auch dabei hat mir AFS Chile geholfen. Auch AFS Deutschland hat sich schnell zurückgemeldet und mir Unterstützung angeboten. Abgesehen davon und den zwei Vorbereitungs- sowie dem Nachbereitungsseminar hatte ich allerdings in dem Jahr keinen Kontakt zu AFS Deutschland, da vorrangig die Partnerorganisation in Chile für uns zuständig war.

Sprache und Kommunikation

Da in meinem näheren Umfeld kaum jemand Englisch sprechen konnte, musste ich gleich zu Beginn Spanisch mit Händen und Füßen lernen. Meine erste Gastschwester konnte etwas Englisch, sodass zumindest die ersten Tage nach der Ankunft in Chile kein größeres Problem darstellten. Allerdings wollte ich mich auch mit den anderen Verwandten verständigen und wurde durch die Arbeit recht schnell dazu gezwungen, Spanisch zu lernen. Gerade in meinem Projekt gab es niemanden, der nur ansatzweise Englisch sprechen konnte. Das erschwerte zu Beginn natürlich die Zusammenarbeit, aber mit der Zeit erweitert sich das Vokabular relativ schnell. Konnte ich am Anfang kaum mehr sagen als „Hola.“, „Como estás?“, „Si“, „No“ und „Gracias!“, sah man nach einem Monat bereits eine deutliche Verbesserung. Ich konnte mich mit einfachen Worten ausdrücken, einige Sachen verstehen und auch allein einkaufen gehen oder den Bus nehmen. Nach drei Monaten konnte ich die Basics. Zunächst hatte ich noch das Gefühl, tagtäglich mein Spanisch um Welten zu verbessern, doch der schnelle Lernfortschritt zu Beginn nahm langsam ab. Natürlich habe ich auch im restlichen Jahr mehr und mehr dazu gelernt, vor allem an Vokabular. Aber dieser Fortschritt ist eher rückblickend sichtbar gewesen. Jetzt fühle ich mich sicher im Umgang mit der spanischen Sprache, kann normalerweise alles verstehen (selbst wenn andere Akzente und Dialekte durchaus etwas schwieriger sind) und eigentlich alles ausdrücken, was ich möchte.

Entwicklungszusammenarbeit und Globales Lernen

Bei meinem Freiwilligendienst handelte es sich um ein entwicklungspolitisches soziales Jahr. Aus diesem Grund haben wir uns viel, auch auf den Seminaren, mit dem Thema Entwicklungszusammenarbeit und Globales Lernen auseinandergesetzt. Globales Lernen ist heutzutage ein wichtiger Bestandteil der Bildung. Mit der Globalisierung geht die weltliche Verknüpfung von Kommunikation, Wirtschaft, Politik und vielen weiteren Lebensbereichen einher. Auch Nachhaltigkeit ist wichtig. Wie nicht nur am Klimawandel ersichtlich ist, hat der Mensch eine große Auswirkung auf die Entwicklung auf der Erde. Um für alle Völker ein angenehmes Miteinander zu schaffen, müssen Menschen der ganzen Welt zusammenarbeiten. Das bedeutet, dass man sich austauscht und gemeinsam nach Lösungen für globale Problemstellungen sucht und Projekte umsetzt. Auch die Entwicklungszusammenarbeit ist wichtig. Das bedeutet, dass die Industrieländer auch die Entwicklungsländer in ihrer sozioökonomischen Entwicklung unterstützen müssen, um deren Lebensqualität zu erhöhen. Auf diese Weise geht man einen weiteren gemeinsamen Schritt für die Erhaltung des Weltfriedens.

Eigenes Engagement nach dem Freiwilligendienst

Freiwilligendienst mit AFS und weltwärts in Chile - Ruta 7

Grundsätzlich würde ich einen Freiwilligendienst immer weiterempfehlen. Es handelt sich dabei um eine einzigartige Erfahrung. Erst letzte Woche habe ich daher bei der JuBi-Messe geholfen, junge Menschen über unser Programm zu informieren und sie dazu zu motivieren, ein Auslandsjahr zu machen. Abgesehen davon würde ich gern bei den Vor- und Nachbereitungen der Freiwilligen helfen bzw. genauso bei den Seminaren der Freiwilligen, die aus anderen Ländern nach Deutschland kommen. Ich fange nun an, Internationale Soziale Arbeit zu studieren. Mit dem Studium hoffe ich, noch mehr über globale Entwicklung zu lernen sowie Möglichkeiten zu bekommen, mich auf diesem Gebiet einzusetzen. In meiner Freizeit möchte ich mich unter anderem bei der Organisation „Gemeinsam TECHO e.V.“ engagieren, welche soziale Projekte in den informellen Siedlungen in Lateinamerika unterstützt.

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