Kiona, Paraguay, 2017, Schuljahr im Ausland mit Kreuzberger Kinderstiftung-Stipendium:

Kaum zu glauben, dass ich nun schon seit 5 Monaten in Paraguay lebe. Es war sicherlich nicht immer einfach und es gab viele Herausforderungen, aber umso mehr tolle Erlebnisse und Erfahrungen.

Als ich im August hierher kam, konnte ich so gut wie kein Spanisch und wusste nicht mal so wirklich, warum ich überhaupt Paraguay gewählt habe. Auch als ich in Asunción gelandet bin, war es immer noch unreal, dass ich nun wirklich hier in Paraguay stand. Ich hatte Angst und war gleichzeitig extrem aufgeregt. Alles war so anders: Die schwüle Winter-Hitze, die Sprache, die Leute.

Meine Gastfamilie hat mich sofort total lieb empfangen und mich sofort als neues Familienmitglied angesehen. Sie haben mir alles erklärt und versucht, viel mit mir zu reden, auch wenn meine Spanischkenntnisse nicht wirklich reichten, um ihrem schnellen Reden zu folgen, und oft habe ich einfach nur gelächelt und mit Ja geantwortet. Das hat sich aber zum Glück schnell gebessert.

Nicht einmal einen Tag in Pilar, einer kleinen Stadt mit nur 30.000 Einwohnern, werde ich schon überall auf den Straßen gegrüßt: Jeder kennt hier jeden und es sprechen sich schnell Neuigkeiten herum. So ist es also kein Wunder, dass fast alle mich hier kennen, obwohl ich vorher nie mit ihnen gesprochen habe.

Tereré

Wenn man durch Paraguay fährt, merkt man sehr schnell, dass viele hier eine Thermoskanne und einen Becher mit sich herumtragen. Das Getränk, was sie hier alle trinken, heißt Tereré und ist das Nationalgetränk. Es besteht aus einem Becher, der mit Yerba gefüllt ist. In der Thermoskanne ist eisgekühltes Wasser, welches immer nachgefüllt wird in den Becher. Getrunken wird der Tereré, der so ähnlich wie Mate-Tee in kalt schmeckt, durch einen besonderen „Strohhalm“ an dem unten eine Art Sieb ist, so dass man die Yerba nicht mittrinkt. Doch was mir eigentlich am meisten an dem Tereré gefällt, ist die Tradition, sich zum Tereré trinken zu treffen. Niemals trinkst du einfach allein Tereré. Oft benutzt man das auch als Ausrede, um sich zu treffen. Dabei trinken alle aus demselben „Strohhalm“. Es war am Anfang recht merkwürdig, mit meinen Klassenkameraden, die ich noch nicht so gut kannte, aus demselben „Strohhalm“ zu trinken. Aber man gewöhnt sich schnell daran und dann ist es auch nicht mehr so komisch, dass sie hier alles teilen.

„Du bist mehr als eine Schule, du bist meine 2. Familie“

Besonders Freude macht es mir in der Schule Aktivitäten zu machen, wie das Tanzen „Paraguaya“, im Spielmannszug der Schule mitzuspielen, obwohl ich vorher nie so etwas gemacht habe oder meine Schule bei Wettbewerben mit Fanhymnen anzufeuern. Das Verhältnis der Schüler zu ihrer Schule ist komplett anders als in Deutschland. Man trägt stolz seine Schuluniform oder auch gerne mal ein T-Shirt auf dem drauf steht „Du bist mehr als eine Schule, du bist meine 2. Familie“. Auch in sozialen Netzwerken findet man fast immer unter dem Usernamen den Namen der Schule mit Herzen. Und das, obwohl sie noch nicht mal so viel Zeit in der Schule verbringen. Die Schule geht von morgens um 7:00 Uhr, wie alle Arbeiten auch, und endet mittags um 11:00 oder 12:00 Uhr. Manchmal gibt es dann lange Tage, wo man auch nachmittags in die Schule muss.

Durch die Hitze bedingt finden fast keine Aktivitäten mittags oder nachmittags statt. Man trifft sich lieber abends, wenn es wieder etwas kühler wird. Die Sonne ist echt stark und man bekommt sehr schnell Sonnenbrand, außerdem möchte man bei 40°C eigentlich auch nichts machen. Daher schlafen eigentlich alle hier mittags und bleiben abends dann länger wach. Es hat recht lange gedauert, bis ich mich daran gewöhnt habe, Mittagsschlaf zu machen. Generell war durch die Zeitverschiebung am Anfang mein Schlafrhythmus ziemlich merkwürdig.

Feste in Paraguay

Etwas Besonderes in jedem Auslandsjahr ist Weihnachten. Es bedeutet Zeit mit der Familie, was oft zu Heimweh in dieser Zeit führt. Doch es ist einfach toll, ein Fest wie Weihnachten in einer neuen Kultur kennenzulernen. Wenn du dann noch ein Auslandsjahr auf der Südhalbkugel verbringst, kommt noch die ungewohnte Hitze zur Adventszeit dazu. Man kommt da irgendwie überhaupt nicht in Weihnachtsstimmung. Zwar habe ich mit meiner Gastschwester deutsche Weihnachtsplätzchen gebacken und es war auch alles weihnachtlich dekoriert in meiner Stadt, doch es war echt merkwürdig. Auch Geschenke gab es keine, denn man verschenkt hier nur etwas an die Kinder.

Ein weiteres Fest, das hier in Paraguay sehr besonders ist, ist auf jeden Fall der 15. Geburtstag. Der wird hier nämlich ganz besonders gefeiert, allerdings nur bei den Mädchen. Am 15. Geburtstag wird man dann vom Mädchen zur Frau und das wird ordentlich gefeiert. Wochenlang vorher wird alles geplant. Die Quincera (das Mädchen, das 15 wird) lässt sich meistens extra ein weißes Kleid schneidern. Alle anderen Gäste haben natürlich auch festliche Kleider oder Anzüge an, allerdings darf keiner außer der Quincera weiß tragen. Es werden sehr viele Gäste eingeladen, tausende Fotos gemacht, ganz viel gegessen und natürlich getanzt.

Wenn ich schon einmal von Festen und dem Tanzen schreibe, kann ich auch direkt dabei weitermachen: Südamerika und somit auch Paraguay sind ja für ihre Partys und den lateinamerikanischen Tanzstil bekannt. Und ich kann wirklich bestätigen, dass die Südamerikaner es verstehen, gute Partys zu machen. Es ist immer eine super Stimmung, auch wenn ich noch lange nicht so tanzen kann, wie die Latinas.  Aber das wird wohl hoffnungslos bleiben, auch wenn meine Freunde es immer wieder versuchen.

Ebenfalls sagt man über die Lateinamerikaner, dass sie besonders freundlich und herzlich sein sollen. Auch das kann ich nur bestätigen. Natürlich trifft das nicht auf jeden einzelnen zu, doch der Großteil ist super lieb zu mir. Sie nehmen mich alle in den Arm und versuchen alles Mögliche, dass ich mich hier wohl fühle. Sie versuchen mir Spanisch beizubringen und auch einige Wörter in Guaraní, der zweiten Amtssprache in Paraguay. Ich finde es echt faszinierend, dass in der paraguayischen Kultur noch so viel von den Ureinwohnern zu finden ist.

Warum verbringe ich mein Auslandsjahr in Paraguay?

Viele haben mich vor meinem Auslandsjahr gefragt, warum ich denn ausgerechnet Paraguay als Gastland gewählt habe und ich konnte diese Frage eigentlich selbst nicht wirklich beantworten. Ich wusste vorher nicht einmal, wo Paraguay denn genau liegt. Und es ist auch überhaupt nicht wichtig, in welches Land man fährt, welche Sprache dort gesprochen wird oder wie weit entfernt es von Deutschland ist. Es kommt nicht auf das Land an, in welches du für ein Jahr fährst, sondern darauf, dass du ein Jahr in einer anderen Kultur verbringst.

Ein Auslandsjahr ist eine einmalige Erfahrung und nicht jeder bekommt sie. Doch mit der Unterstützung der Kreuzberger Kinderstiftung wurde auch mir diese Chance gegeben. Nur durch ihre Hilfe war es mir möglich, mich in diese Abenteuer zu stürzen und dafür bin ich extrem dankbar. Jedem sollte die Chance zur Verfügung stehen, neue Kulturen kennenzulernen, neue Dinge auszuprobieren und sich weiterzuentwickeln.

Nun bleiben mir noch sechs Monate. Sechs Monate, um noch mehr Erfahrungen und Eindrücke zu sammeln, um meine Sprachkenntnisse aufzubessern und um noch mehr über Paraguay zu lernen.

Ich freue mich darauf.

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