Genua, Malaysia, 2014, Schuljahr im Ausland mit AFS-München-Stipendium:

Ich habe in diesem Jahr viele Erfahrungen sammeln dürfen, die ich nicht missen möchte und die in meinem Bericht genauerer Erläuterung erfahren. Es war eine fundiertes Erlebnis mit vielen Eindrücken.

Unterschiede zwischen meiner leiblichen Familie und meiner Gastfamilie

Meine deutsche Familie, ist eine wahnsinnig offene Familie, die mir viel Vertrauen schenkt und mir wirklich viele Freiheiten lässt. In meiner leiblichen Familie habe ich gelernt offen über meine Bedürfnisse und Gefühle zu sprechen. Dies war in meiner Gastfamilie in dieser Form nicht möglich. Die Wertschätzung und den Respekt den man mir schon von klein auf beigebracht hat, habe ich dort so nicht erfahren dürfen. Das war eine große Umstellung.

In meiner leiblichen Familie gibt es keine matriarchalischen oder patriarchalischen Unterschiede. In meiner malaysischen Familie hingegen, hatte mein Vater das Sagen.

Meine Gastfamilie waren stark religiöse Hindus mit ihnen zu leben war kulturell gesehen eine wirklich tolle Erfahrung. Ich komme aus einer christlich geprägten Familie, wir feiern Weinachten und Ostern, sind aber nicht sehr religiös. Ich durfte ein Jahr intensiv die Praktiken des Hinduismus miterleben. Viele alte Sitten und Traditionen sind in ihrem Alltag integriert.

Die Beziehung zwischen Lehrern und Schülern ist enger und persönlicher

Einerseits habe ich in Malaysia die Beziehung zwischen Lehrern und Schülern als enger und persönlicher empfunden. An Hari Raya, so wird das muslimische Fest nach dem Fastenmonat Ramadan genannt, war es an meiner Schule in Malaysia zum Beispiel ganz üblich das die Schüler ihre Lehrer Zuhause besuchten. Dort hat man dann gemeinsam gegessen und sich unterhalten. An meiner deutschen Schule wäre so etwas undenkbar, es ist nicht üblich das man sich in einem privateren Rahmen triff.

Andererseits ist mir auf gefallen, dass Schüler in Deutschland sich offener mit ihren Lehrern austauschen können. Meine deutschen Lehrer fragen z.B. nach Verbesserungsvorschlägen für den Unterricht und Schüler können dann eine ehrliche Meinung abgeben. In Malaysia ist allerdings ein derartiger Umgang mit seinen Lehrern nicht möglich. Ich habe mich auch nie wirklich ernstgenommen gefühlt.

Freundschaft ist international nicht so verschieden

Ich glaube, Freundschaft ist international nicht so verschieden. Zumindest sind mir in Malaysia nicht so direkt viele Unterschiede aufgefallen. Was in Malaysia allerdings anders war, dass es nicht gerne gesehen wurde wenn man als Teenager-Mädchen männliche Freunde hatte.

Aus Deutschland war ich es auch gewohnt, dass ich mit meinen Freunden offen über viele Themen sprechen konnte, auch über Sexualität. In Malaysia ist das ein großes Tabu-Thema.

Die Menschen sind viel aufgeschlossener

Es ist einfacher Kontakte zu knüpfen, weil die Menschen viel aufgeschlossener sind. Man kann egal um welche Zeit bei anderen Menschen vorbei schauen. Und man wird auch dann immer großzügig bewirtet. Gastlichkeit und Gastfreundlichkeit sind in Malaysia von großer Bedeutung.

Ich habe jedoch auch die Erfahrung gemacht, dass es schwierig sein kann zu Menschen eine tiefere Beziehung aufzubauen. Ich wurde zwar oft zum Essen eingeladen, aber tiefere Freundschaften sind daraus nicht entstanden.

Rollenverhalten von Frauen und Männern

Malaysia hat viele ethnische Gruppen, die Mehrheit stellen allerdings die muslimischen Malaien dar. Wenn ich in Deutschland mit Leuten darüber gesprochen habe, dass Malaysia größtenteils muslimisch ist, kam sofort das Vorurteil von allen Seiten: „da haben die Frauen doch bestimmt überhaupt nichts zu sagen“.

Und in meiner Anfangszeit in Malaysia dachte ich auch noch, dass Frauen wegen des Islams weniger in Malaysia zu sagen haben als die Männer. Ich habe jedoch beobachtet, dass es hierbei sehr stark auf die individuelle Interpretation des Korans ankommt und sich diese in jeder Familie anders äußert.

Ich habe Familien kennen gelernt, wo Frauen absolut gleichberechtigt waren. Und andere Familien, in denen dies nicht der Fall war. Aber auch in hinduistischen Familien spiegelt sich ein ähnliches Rollenverhalten wieder. Malaysia hat in meinen Augen trotz alledem einen weiten Weg zur Emanzipation vor sich.

Was ich gerne nach Deutschland mitnehmen möchte

Werte, die in Deutschland wichtig sind, wie Pünktlichkeit und Perfektionismus spielen in der malaysischen Kultur keine Rolle. Wenn man zum Beispiel auf ein Amt geht um sein Visa zu erneuern wird man mit Sicherheit gut bewirtet und ein nettes Gespräch führen, aber einen genauen Zeitpunkt für den Erhalt des Visa‘s wird man nicht bekommen. Es war anfangs gewöhnungsbedürftig aber nach einer Weile habe ich das als sehr sympathisch empfunden.

Die kulturelle und religiöse Vielfalt in Malaysia ist sehr groß und wird nach außen liberal praktiziert. In meinem kleinen Dorf gab es neben einer Moschee auch eine Kirche einen hinduistischen und einen buddhistischen Tempel. Und alle Bevölkerungsgruppen leben in einem toleranten Umgang miteinander. Wobei ich jedoch beobachtet habe, dass es leider trotz alledem Vorurteile gegenüber den anderen religiösen Gruppen gibt.

Herausforderungen

Die Kommunikation in Malaysia ist viel indirekter als in Deutschland. Es gibt keine Streitkultur in diesem Sinne. Wenn ich mich in Malaysia mal falsch verhalten habe und es mir nicht bewusst war, weil das in Deutschland niemand als unhöflich empfunden hätte, musste ich selbst es rausfinden, weil in Malaysia Konflikte nicht direkt ausgesprochen werden. Man merkt nur am Verhalten seiner Mitmenschen, dass man sich falsch verhalten hat. Deshalb muss man feinfühlig sein.

Als größte Herausforderung hat sich für mich das Lösen von Konflikten innerhalb meiner Gastfamilie herausgestellt. Ich musste erst einmal ein Gefühl dafür entwickeln wie man angebracht kommuniziert. Was sich schnell als Fehler herausgestellt hat war es den Rat meines deutschen Vaters anzunehmen offen über meine Probleme zu sprechen. Das führte nur zu noch größeren Konflikten.

Schwierig für mich war auch zu akzeptieren, dass ich nicht die gleichen Freiheiten haben konnte wie in Deutschland und dass ich in all meinen Handlungen auf meine Gastfamilie angewiesen war. Daraus habe ich aber gelernt Dinge manchmal einfach zu akzeptieren wie sie sind, und das Positive aus der Situation zu ziehen. Weil wenn man im Negativen verweilt führt das zu Frustration.

Was sich als positive Erfahrung heraus kristallisiert hat war für mich wenn ich mich von meiner Gastfamilie missverstanden gefühlt habe ich bei meinen Freunden aus meiner AFS Gruppe auf Verständnis und Rückhalt gestoßen bin.

Ich verstehe um einiges besser, woher ich komme

Malaysia ist ein sehr gastfreundliches und sehr traditionelles Land. In Deutschland habe ich nicht erlebt das Traditionen in der Form praktiziert wird. Was mir auch aufgefallen ist, ist das deutsche Kinder viel unabhängiger und freigeistiger aufwachsen. Ich fühle mich nicht unbedingt mehr mit Deutschland verbunden als vor meinem Auslandsjahr in Malaysia, aber ich verstehe um einiges besser, woher ich komme und was mich zu dem macht was ich bin.

Ich habe erkannt, dass ich mich glücklich schätzen kann in einer Gesellschaft aufgewachsen zu sein wo alle Menschen die gleichen Chancen auf Bildung haben und es keine Rolle spielt welches Geschlecht ich habe oder welcher ethnischen Gruppe ich angehöre.

Ich bin dankbar dafür dass ich in diesem Umfeld aufwachsen konnte, weil ich mich in meinem Wesen frei entfalten durfte. Und ich so respektiert werde wie ich bin.

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