Tabitha, Malaysia, 2014, Schulhalbjahr im Ausland mit AFS-Stipendium:

Die fünf Monate, die ich in Malaysia verbracht habe, waren mit Abstand die aufregendsten, spannendstes, schwierigsten und auch irgendwie die schönsten in meinem Leben. Ich habe eine ganz andere, mir fremde Welt kennengelernt. Dank meiner Gastfamilie konnte ich in diese fremde Welt eintauchen und ihre Lebensweise miterleben.

Meine indisch-malayische Gastfamilie

Da meine Gastfamilie indische Malaien waren, habe ich sehr viel über die indische und weniger über die chinesische oder malaysische Lebensweise erfahren. Ich besuchte Tempel, lernte wie man einen Sari bindet, ein Tosai-Brot backt, indisch tanzt und vieles mehr. Meine Gastfamilie bestand aus meinen Gasteltern und zwei jüngeren Gastschwestern mit denen es nicht immer ganz so leicht war.

Schnell habe ich gemerkt wie die Rollen in der Familie verteilt waren. Obwohl beide meiner Gasteltern gearbeitet haben, hat mein Gastvater auf die Wahrung altmodischer Verhältnisse geachtet und es war ganz klar, wer das Sagen hatte. Im Haushalt mussten meine Schwestern nicht viel mithelfen – meine Gastfamilie hatte eine Haushaltshilfe. Meine Geschwister und ich mussten dann aber umso mehr für die Schule lernen. Das asiatische „Rote-Learning“ und die damit verwandten Lerntechniken bestehen faktisch aus dem Auswendiglernen von Büchern. Dies war manchmal echt frustrierend, weil ich das Gefühl hatte, meine Zeit nicht wirklich zu nutzen, da ich immer die Schulfächer und noch nicht mal die Sprache lernen musste, was ich viel lieber getan hätte.

Es war schon eine große Umstellung für mich, da kaum Widerworte gegeben, oder Diskussionen geführt wurden, so wie ich es bei meiner eigenen Familie gewohnt bin. Mit meinen beiden Gastschwestern habe ich mich gut verstanden, ich war froh darüber, welche zu haben, da ich Einzelkind bin. Allerdings fand ich es schade, dass alles, worüber wir geredet haben, haarklein meiner Gastmutter erzählt wurde. So richtig habe ich ihnen das aber dann doch nicht übel genommen – das ist dort wohl üblich und nichts Ungewöhnliches. Der Nachteil war aber, dass ich keine tiefe Bindung oder Freundschaft zu ihnen aufbauen konnte.

In der Schule bin ich herzlich aufgenommen worden

In der Schule bin ich sehr herzlich aufgenommen worden, doch auch dort war sofort klar, dass die Lehrer über den Schülern stehen und das, was der Lehrer sagt, stimmt. Viele meiner Klassenkameraden haben den Unterricht nicht verstanden, sich aber auch nicht bei jedem Lehrer getraut nachzufragen. Trotzdem gab es ein freundschaftliches Verhältnis zwischen den Lehrern und Schülern und es ist dort auch ganz normal, wenn man für den Nachmittag vom Lehrer eingeladen wurde.

Freundschaft in Malaysia

Wenn ich das Wort Freundschaft so definiere wie es in Malaysia getan wird, so hatte ich da gefühlte tausend Freunde. Dort ist in etwa jeder, der mit Dir spricht, dein Freund, und jeder, der was mit dir macht, ist ein guter Freund. Wenn ich diese Ansicht von Freundschaft mit meiner Ansicht von Freundschaft vergleichen würde, so hatte ich eher nur Bekannte und Schulfreunde in Malaysia.

In Malaysia legt man noch viel mehr Wert auf Familie, als in Deutschland, zumindest war das bei meiner tamilischen Gastfamilie so. Die Familie steht an erster Stelle und da die Familien in Malaysia immer recht groß sind, bleibt kaum noch Platz für andere richtig gute oder beste Freunde.

Auch wenn meine Gastmutter gearbeitet hat, hat mein Gastvater ihr Geld verwaltet

Das Frauenbild in Malaysia – und ich glaube besonders auch in den indischen Familien – ist noch ziemlich altmodisch. Dies konnte ich an meiner eigenen Gastfamilie beobachten. Auch wenn meine Gastmutter gearbeitet hat, hat mein Gastvater ihr Geld verwaltet. Sie musste nachmittags immer kochen und bei allen Fragen, wie „Was machen wir morgen?“ oder „Können wir das kaufen?“ hatte mein Gastvater das letzte Wort.

Schwierig für mich war es, dass ich nicht offen meine Meinung sagen konnte

Ich habe mir nicht zu viele Gedanken darüber gemacht, was die Leute über mich denken. Ich meine, das mach ich auch nicht in Deutschland. Trotzdem war es da für mich leichter, anders zu sein, weil es als besonders angesehen wird, und nicht als komisch oder schräg oder so.

Schwierig für mich war es, dass ich nicht offen meine Meinung sagen konnte. Ich habe mich von Anfang an sehr angestrengt, um mit meiner Gastfamilie gut auszukommen. Allerdings gab es die meiste Zeit immer jemanden, der sauer auf mich war oder dem ich es nicht recht gemacht habe. Da mir auch nicht immer gesagt wurde, was ich falsch mach(t)e – auch nicht wenn ich nachgefragt habe – war ich manchmal etwas hilflos. Mit der Zeit hat sich mein Denken etwas mehr an das meiner Familie angepasst und auch sie haben gemerkt, dass ich es nie böse gemeint habe.

Ich glaube, ich wäre länger geblieben, hätte sich das Verhältnis gebessert und somit mein Verständnis auch nochmal verbessern können.

Wofür ich in Deutschland richtig dankbar bin

In Malaysia ist mir erst richtig klar geworden, wie gut ich es in  Deutschland habe und was für ein wohlhabendes Land Deutschland eigentlich ist. Trotzdem, wenn ich ganz ehrlich bin, auch wenn ich gerade mal wieder erst zwei Monate hier bin, würde ich am liebsten direkt wieder ins Ausland. Allerdings ist mir auch klar geworden, dass Deutschland mein Zuhause ist.

Seit ich wieder hier bin, ist mir aufgefallen dass ich mehr in der Gegenwart lebe, als vor meinem Auslandsjahr. Ich schätze den Moment viel mehr und denke nicht so viel darüber nach, was wäre wenn oder was  ich morgen mache.
Auch fällt mir viel mehr auf, wie wenig wir das, was wir haben, schätzen, ja, uns sogar beschweren.

Wofür ich in Deutschland richtig dankbar bin, ist die Freiheit und Sicherheit, die wir haben. Wir können ausgehen und unsere Meinung äußern und Männer und Frauen sind gleichberechtigt.

Worüber ich auch richtig froh bin ist, dass wir Jahreszeiten haben. Ich fand die ständige Wärme in Malaysia echt super, aber warmes Weihnachten kann ich mir so gar nicht vorstellen. Das tropische Klima war oft auch ziemlich anstrengend.

Mein Tipp für künftige Austauschschülerinnen und -schüler

Was ich anderen zukünftigen Austauschschülern nur raten kann ist, dass sie versuchen sollten, mit so wenig Vorurteilen wie mögliche in ihr entsprechendes Gastland zu gehen, denn das bewahrt einen vor den größten Enttäuschungen und bringt einem die größten Überraschungen. Und man sollte auch versuchen, in jeder schwierigen Situation oder auch enttäuschenden Sache etwas Positives zu sehen.

Über Malaysia könnte ich stundenlang erzählen

Was ich an Malaysia vermisse und woran ich mich immer erinnern werde, ist das Essen, die immer freundlichen und glücklichen Leute. Die Menschen in Malaysia haben eine unglaublich positive Einstellung und freuen sich über alles, das finde ich besonders schön. Sachen wie Shoppen oder Ausgehen, die in Deutschland total normal sind und zum Alltag dazu gehören, waren in meiner Gasfamilie etwas Besonderes und dort habe ich das auch als etwas Besonderes empfunden und mich auch immer richtig auf die Ausflüge gefreut.

Über Malaysia selber könnte ich stundenlang erzählen, von den Tieren bis hin zu der stinkenden und sehr beliebten Frucht Durian. Über das chinesische Neujahrsfest und Ausflüge in den Dschungel, vom Baden in Wasserfällen und vom Treffen mit dem Premierminister, von meinen Trip nach Penang und den Ausflügen mit AFS und von indischen Hochzeiten und Tempelfesten. Meine Zeit dort war unglaublich und ich hoffe, dass mir alle guten Erinnerungen erhalten bleiben.

Ein Erlebnis was ich bestimmt nicht vergessen werde war, als wir für den ersten Todestag der Mutter meiner Gastmutter in deren Heimatort gefahren sind und dort mit der ganzen Familie eine Art Altar aus Blumen gemacht haben. Wir waren einfach beisammen, haben gegessen und draußen im Garten Fußball gespielt.

Ganz herzlich möchte ich mich bei AFS Deutschland für die Betreuung und das Stipendium, welches mir die Reise nach Malaysia ermöglicht hat und mir so einen Lebenstraum erfüllt hat, bedanken. Ihr habt mir die Erfüllung eines sehr lange gehegten Wunsches ermöglicht.

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