Lina, Tschechien, 2013, Schuljahr im Ausland mit Baden-Württemberg-Stipendium:

Zu Beginn meines Auslandsjahres kam mir alles sehr unreal vor. Ich hatte mich doch vor kurzem erst von meiner Familie, meinen Freunden, meiner Klasse und Nachbarn verabschiedet. Und jetzt sollte ich genau diese Menschen für länger als 10 Monate nicht sehen. Durch den Schulalltag wurde mir schnell klar, dass ich in Tschechien mehr als nur einen Urlaub verbringen würde. Da ich die Sprache anfangs nicht beherrschte, fiel es mir schwer in meiner Klasse Gespräche zu führen. In meiner Familie gelang es mir deutlich besser. Da konnte ich mich entweder mit meinen dürftigen Tschechisch-Kenntnissen, Englisch oder sogar Deutsch durchboxen. Somit fing ich leider erst nach ca. einem Monat an, auch in meiner Freizeit vermehrt die Landessprache zu lernen und zu sprechen. Mit der tschechischen Sprache tat ich mir wirklich schwer, weil Theorie und Praxis einfach sehr verschieden sind. An dieser Stelle möchte ich auch nochmals meiner super Gastfamilie danken, die mich das ganze Jahr über bei allem unterstützt hat.

Leben in der Gastfamilie

Mir fiel es sehr leicht mich in meine Gastfamilie zu integrieren. Ein großer Unterschied zwischen meinen beiden Familien lag hauptsächlich in der Entscheidungsfindung. Die meisten Entscheidungen wurden von meinen Gasteltern alleine getroffen. Während hier in Deutschland auch die Meinung von uns Kindern angehört wird und wir über das Thema diskutieren bevor die endgültige Entscheidung getroffen wird. Wie zuhause war ich auch in meiner Gastfamilie das älteste Kind, was für mich keine große Umstellung bedeutete. Doch anstatt einer kleinen Schwester plötzlich drei aufgeweckte, kleine Brüder zu haben, war schwieriger zu meistern. Mit meinen Gastgeschwistern hat sich die Beziehung verstärkt, je mehr ich mit ihnen gespielt und mich mit ihnen beschäftigt habe. Durch die sehr große Toleranz meiner Gastbrüder fiel es mir leicht mich ihnen gegenüber zu öffnen. Weitere tolle Ausflüge haben uns beinahe unzertrennlich gemacht. Besonders wichtig für mich war, dass ich meinen Gasteltern alles anvertrauen konnte.

Schulleben

Mir fiel schnell auf, dass der Umgang zwischen Lehrern und Schülern deutlich anders war als in Deutschland. Wenn ein Lehrer in die Klasse kam, musste man aufstehen, um den Lehrer zu begrüßen. Grundsätzlich war der Respekt zwischen den Lehrkräften und den Schülern größer. Nicht nur die Lehrer, sondern auch die Schüler wurden in der 3. Person Plural angesprochen. Den Lehrern gegenüber gab es kaum Widerspruch, auch wenn man mit der momentanen Situation oder Entscheidung nicht einverstanden war. Die Schüler mussten alles akzeptieren was die Lehrer vorschrieben. Auf Ermahnungen wurde sofort reagiert und die privaten Aktivitäten und Gespräche wurden eingestellt.

Persönliche Entwicklung

In den 10 Monaten, in denen ich in Tschechien war, ist mein Selbstbewusstsein enorm gewachsen. Im alltäglichen Leben musste ich viele Entscheidungen treffen und für die Auswirkungen gerade stehen, über meinen eigenen Schatten springen, um mit den Klassenkameraden ins Gespräch zu kommen, weil diese Sprachbarriere mir doch im Weg stand. Wegen meiner bescheidenen Tschechisch-Kenntnisse konnte ich anfangs keinen richtigen Kontakt zu meinen Klassenkameraden aufnehmen, doch glücklicherweise halfen mir ein paar aufgeschlossene Mitschüler aus meiner Klasse dabei.

Ab Weihnachten konnte ich aber schon vermehrt ganze Gespräche auf Tschechisch führen und ich fing an Dinge auf Tschechisch zu umschreiben, wenn mir ein bestimmtes Wort nicht einfiel. Und weil ich immer kompliziertere Sachen verstand waren meine Lehrer sehr froh, endlich ein paar Sätze mit mir wechseln zu können. Ich fing an in vielen Fächern die regulären Tests mitzuschreiben. Auch meine Gastfamilie profitierte von meinen Fortschritten und wir fingen an immer mehr auf Tschechisch zu diskutieren.

AFS-Freundschaften

Der von Anfang an intensive Kontakt zu anderen Austauschschülern durch die Austauschorganisation AFS, war sehr hilfreich. Vom ersten Tag an hatte man Menschen um sich herum, die in denselben Situationen wie man selbst war. Durch diese Kontakte entstanden zum Teil sehr enge Freundschaften. Gemeinsame Tagesausflüge und Unternehmungen stärkten das Vertrauen und den Zusammenhalt. Im Endeffekt bin ich wirklich froh eine Austauschorganisation gehabt zu haben, weil durch die AFS-Camps und Aktionen der Kontakt zu anderen Austauschschülern vorhanden war. Und ich kann jedem, der einen Austausch machen möchte, nur wärmstens empfehlen es mit einer Organisation zu tun.

Fazit

Ich habe in diesem Jahr gemerkt wie es sich anfühlt auf sich alleine gestellt zu sein. Wie es ist, wenn man nicht immer jemanden um sich hat mit dem man reden kann und wie verlassen man sich fühlen kann, wenn man einfach in einem Land lebt, in dem man die Sprache nicht beherrscht. Aber auch wie einem die Landessprache die Türen öffnen kann. Wenn man vor den Leuten sein ehrliches Interesse an dem Land zeigt und ihnen mitteilt, dass man wirklich die Sprache lernen möchte, sind sie viel offener als zu all denen, die nur zum Vergnügen dort sind. Sie unterstützen einen beim Lernen und fangen auch an mit dir zu sprechen.

Dieses ganze Jahr war für mich voll mit neuen Erfahrungen, Abenteuern, Freundschaft, Mut, Durchhaltevermögen, Vertrauen,… Rückblickend kann ich nur sagen, dass ich solch eine Erfahrung jeder einzelnen Person wünsche und auch ich meine Augen für mein nächstes Abenteuer offen halten werde.

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