Ronja, Hongkong, 2016, Schuljahr im Ausland mit Deutsche Postbank-Stipendium:

Jetzt lebe ich schon über vier Monate in dieser faszinierenden Großstadt Hongkong und bin jeden Tag aufs Neue beeindruckt. Viele meiner Freunde haben mich vor meiner Abreise gefragt, warum Hongkong und nicht eines der beliebtesten Ziele wie USA, Australien oder Kanada? Dort ist doch alles ganz anders, die Menschen und vor allem die Sprache! „Genau und deshalb will ich dort hin!“, war meine Antwort. „Ich möchte eintauchen in eine ganz andere neue Welt!“

Und genau da bin ich jetzt. Hongkong wirkte vom ersten Tag an für mich wie ein riesiges Wimmelbild, mit seine hohen Gebäuden und den vielen geschäftigen Menschen. Alles war tatsächlich aufregend und fremd. Mittlerweile habe ich mich etwas an das ständige Treiben in den Straßen gewöhnt, nutze selbständig das öffentliche Verkehrsnetz mit vielen Bussen und der MTR (Metro) und genieße die unglaublich vielen kleinen Geschäfte, in denen Essen verschiedenster Art angeboten wird. Hongkong ist gut organisiert und es gibt viele Regeln. Und der Ausblick von hohen Gebäuden, insbesondere auf den Hafen, ist immer wieder ein besonderes Erlebnis. Das Schönste ist für mich das Bus fahren. Ich sitze drin, fahre durch die Straßen, sehe wie schön es ist und denke – hier wohne ich!

Meine Gastfamilie

Und überall diese kleinen Wohnungen. In solch einer bin auch ich jetzt zu Hause, zusammen mit meinen Gasteltern, meiner zwei Jahre jüngeren Gastschwester und der philippinischen Hausangestellten. Ich teile mir mit meiner Gastschwester Priscilla ein kleines Zimmer und habe mich bis heute noch nicht ganz auf dieses Zusammenwohnen auf engstem Raum gewöhnt. Trotz dieser räumlichen Nähe ist es schwierig ein herzliches Verhältnis aufzubauen. Meine Gastfamilie hat mich sehr freundlich aufgenommen, ist aber immer sehr beschäftigt und wir verbringen wenig Zeit miteinander. Oft kommen alle sehr spät nach Hause und ich schlafe manchmal bereits. Eine Besonderheit meiner Gastfamilie ist noch ihr Engagement in ihrer Kirchengemeinde. Sowohl meine Gasteltern als auch meine Gastschwester verbringen dort das gesamte Wochenende, vieles dort findet auch im engen Rahmen dieser Gemeinde statt, so dass ich oft ausgeschlossen bin. Außerdem besteht auch ein großer Leistungsdruck, der insbesondere auf meiner Gastschwester lastet. Es ist sehr schwierig auch mal für etwas gelobt zu werden, gute und richtige Dinge werden als Selbstverständlichkeit angesehen.

Das Alleinsein ist mein größtes Problem hier, daher genieße ich dann ganz besonders die wenige Zeit mit der Gastfamilie. Diese verbringen wir dann mit gemeinsamen Familienessen in großem Kreis, zu dem ich auch schon mit deutschem Kartoffelsalat beitragen durfte oder bei Ausflügen. Besonders schön sind die raren freien Tage wie dieses Jahr zu Weihnachten. Da wurde sogar ein bisschen gefeiert, obwohl das hier nicht so üblich ist. Witzig dagegen ist, dass obwohl Weihnachten nicht offiziell gefeiert wird , für Freunde Weihnachtskarten sehr schön gestaltet, geschrieben und in der Schule ausgetauscht werden. Eine von meiner Freundin für mich ist besonders schön geschrieben und wird mich wohl immer an diese Zeit hier in Hongkong erinnern. Da in Hongkong alles doch recht zeitnah zu erreichen ist, lässt sich diese Stadt mit vielen kleinen Ausflügen sehr gut erkunden.

An den freien Tagen zu Weihnachten habe ich mit meiner Gastfamilie zum Beispiel einen Trip nach Lantau Island gemacht. Diesen haben wir mit einer Fahrt mit der Luftseilbahn Ngong Ping 360 zum Tian Tan Buddha verbunden und wir haben uns ein kleines Fischerdorf angesehen. Das war übrigens auch für meine Gastschwester eine neue Erfahrung ebenso wie das zentral organisierte Feuerwerk zu Silvester live und nicht im Fernsehen anzusehen.

Mein Schulalltag

Besonders freue ich mich, dass auch meine chinesischen Freundinnen sich etwas Zeit für mich nehmen, dass ist hier sehr schwierig. Denn hier haben auch die Jugendlichen nur wenig freie Zeit für sich. Die Schule ist ein großes Thema, hier treffen sich Freunde hauptsächlich und so ist das auch bei mir. Sehr schön hier finde ich die freundliche und offene, jedoch auch sehr respektvolle Lehrer-Schülerbeziehung. So kommt es, dass wir uns jedes Mal beim Begrüßen und beim Verabschieden vor dem jeweiligen Lehrer verbeugen müssen. Außerdem Schüler die nicht gut abschneiden machen den Lehrer persönlich betroffen und das zeigt er ihnen auch. Die Art hier zu lernen ist anders, es gibt viel Text, der gelernt wird und dann so wiedergegeben wird. Auch findet hier wöchentlich eine Versammlung der gesamten Schulgemeinschaft statt. Ebenso gibt es hier auch gemeinsame Wandertage der Klassen. Unserer ging zum Beispiel an den Strand zum Grillen, das war ein schönes gemeinsames Erlebnis.

Ich bin an einer kantonesischen Schule und trage eine Schuluniform. Im Moment ist Winter und daher die etwas dunklere und wärmere Winteruniform. Das korrekte Auftreten und Verhalten wird von so genannten „Prefects“ überprüft, da darf der Haargummi dann auch bei meinen hellen Haaren nicht hellbraun sein, sondern ich muss das vorgeschriebene schwarz einhalten. An dieser Schule werden alle Fächer, bis auf Englisch und Liberal Studies (ähnlich unserem Fach Politik) auf kantonesisch unterrichtet. Dieses ist für mich eine besondere Herausforderung und auch zum heutigen Zeitpunkt kann ich dem Unterricht nicht immer hundertprozentig folgen. Ich besuche zwar einen Kantonesischkurs, aber mit seinen 9 Stimmlagen und diesen wunderschönen Schriftzeichen fällt mir diese Sprache doch ganz schön schwer, zumal meine Gastfamilie auch nur Englisch mit mir spricht. Zum Glück habe ich englische Schulbücher und erkundige mich schon mal bei meinen Mitschülern um was es gerade geht. Von den vielen Hausaufgaben und Tests bleibe ich leider auch nicht verschont und das gewünschte Pensum ist für mich schon ganz enorm. Im Moment ist auch noch „Exam-period“, eine Prüfungsphase und da heißt es nur noch lernen, Test, lernen, Test usw. Damit bleibt im Moment leider keine Zeit für die von mir besuchten Kurse Musical und Danceclub.

„Einmal die verbotene Stadt sehen und auf der chinesischen Mauer stehen. Das waren ganz besondere Momente“

Freizeit ist in Hongkong ein knappes Gut, dabei lieben die Jugendlichen hier genau wie bei uns, sich mit Freunden zu treffen, gemeinsam Essen oder Shoppen zu gehen oder sich einen Kinofilm anzusehen, Karaoke darf natürlich auch nicht fehlen. Und wir nutzen es, wo es geht. Viel unternehmen aber auch die Austauschüler miteinander, ob auf den von AFS organisierten Ausflügen oder selbständig. Besonders schön waren für mich der Besuch im Disneyland Hongkong, unser Bootsausflug und der einwöchige Chinatrip. Einmal die verbotene Stadt sehen und auf der chinesischen Mauer stehen, ebenso der Besuch einer echt chinesischen Kung-Fu –Schule, das waren ganz besondere Momente! Ein typisch chinesisches Fest, das Mid-Autumn Festival, durfte ich auch schon miterleben.

Eine Achterbahn der Gefühle

Mein Leben hier in Hongkong beinhaltet immer noch eine ständige Achterbahn der Gefühle. Im Großen und Ganzen bin ich glücklich hier leben zu dürfen, andererseits verspüre ich doch Heimweh, ich bin überwältigt von dieser schönen Stadt und bin traurig oft allein zu sein, ich lache mit meinen Freunden und vermisse meine Familie und Freunde zu Hause, ich bewundere die Freundlichkeit der Menschen und vermisse die Herzlichkeit, ich liebe das aufregende Neue und vermisse ausreichend Schlaf. Und ich freue mich auf die nächsten sechs Monate, freue mich weiter offen auf Fremde zugehen zu lernen, weitere Freundschaften zu schließen und zu vertiefen, die fremde Sprache besser zu lernen, erwachsener und selbständiger zu werden, mit dem einziehenden Alltag ein paar mehr Freiheiten zu erlangen, unglaublich viel Spaß zu haben und Erfahrungen zu sammeln. In diesem Sinne möchte ich mich auch bei der Postbank als meinen Stipendiengeber bedanken, die mir dieses Jahr mit ermöglicht hat. Vielen Dank!

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