Melina, Philippinen, 2016, Schuljahr im Ausland mit Kreuzberger Kinderstiftung-Stipendium:

Bevor ich mit meinem Zwischenbericht fortfahre, möchte ich erst einmal ein sehr großes Dankeschön an die Kreuzberger Kinderstiftung aussprechen, ohne welche es mir nicht möglich wäre diese Erlebnisse und Eindrücke zu haben und diese niederzuschreiben. Ich bin unglaublich dankbar für diese Chance!

Prägende erste Eindrücke in Manila

Ich möchte mit meinen ersten Eindrücken vom Gastland beginnen, da diese sehr prägend für mich waren. Ich erinnere mich beispielsweise noch sehr gut an das Gefühl, wie es ist, mitten im philippinischen Sommer aus dem Flughafen zu treten und gegen eine Wand der Hitze und Wärme zu laufen. Es war zu der Zeit unglaublich heiß und auch wenn uns viele davon Geschichten erzählt haben, man muss es selbst erleben – das Gefühl keinen weiteren Atemzug mehr nehmen zu können. Nun, da ich meine ersten Tage in der Hauptstadt Manila verbracht habe, wurde ich, neben der Hitze, gleich von Anfang an mit vielen neuen Eindrücken überschwemmt. Es war überfüllt mit Autos, Motorrädern und besonders die sogenannten Tricycles und Jeepneys in allen Lücken und auch Straßenkinder, welche von Wagen zu Wagen gehen, um Geld zu sammeln. Eine Sache, die vielleicht nicht so offensichtlich ist, mir aber direkt ins Auge gesprungen ist, sind die vielen Kabel über den Köpfen der Menschen hier. Da ich, in Deutschland geboren und aufgewachsen, nicht gewohnt bin das zu sehen, waren meine Augen ganz groß. Man konnte teilweise den Himmel nicht mehr erkennen. Vom Himmel zurück zum Boden war das erste, was mir aufgefallen ist, der Müll an den Straßenseiten und den vielen kleinen Street Food Ständen. Straßenhunde hatten sich schon daran zu schaffen gemacht.

Interkulturelles Verständnis

Nach nun sechs Monaten Aufenthalt hier hat sich aber doch einiges an meiner Wahrnehmung und an den Eindrücken geändert und verschärft. Besonders Kommunikation verbal und non-verbal funktioniert mittlerweile ohne Missverständnisse, nachdem man gefühlt in alle vorstellbaren Fettnäpfchen getreten ist. Auch ist mein Verständnis für Rituale und Sitten sehr gewachsen, ein Beispiel dafür ist, dass man hier jeden, mit dem man nicht intim ist, mit Schwester, Bruder, Tante, Onkel, Oma oder Opa anspricht, je nachdem, wie groß der geschätzte Altersunterschied ist. Auch die sogenannten „Blessings“, der Handrücken der Person, der man Respekt zeigen möchte, wird dabei an die eigene Stirn geführt, sind ein Teil der Kultur hier. Zudem habe ich festgestellt, dass es für mich jetzt wesentlich einfacher ist, die verschiedenen Individualitäten von einander zu unterscheiden und mehr als nur die Oberfläche einer Person zu sehen. Dennoch eine Sache, welche die meisten Filipinos gemeinsam haben, der große Nationalstolz. Die Nationalhymne wird bei jedem Event gesungen, die Nationalflagge hängt an jedem zweiten Haus und in der Schule wird jeden Freitagmorgen die Flaggenzeremonie gehalten. Auch sehr auffällig und präsent ist die sehr christlich geprägte Kultur. In der Schule beispielsweise wird vor jeder Stunde ein Gebet aufgesagt und in der Kirche, am Sonntagmorgen, sieht man alle seine Freunde.

Mein philippinischer Alltag

Kirche ist eine Sache, die für mich in den ersten Wochen komplett Neuland war, aber nun nicht mehr aus meinem Alltag wegzudenken ist. Sonntags verbringe ich den Tag dann meistens mit meiner Familie und wir unternehmen etwas gemeinsam. Familie im Allgemeinen ist sehr eng zusammen und jede Meinung zählt, was für mich ungewohnt war, jetzt jedoch ein neues Gefühl von Familienleben freigesetzt hat. Die anderen Wochentage verlaufen ziemlich geplant und sind gefüllt mit Schule bis in den späten Nachmittag. Danach gehe ich meistens ins Taekwondo Training, welches ich hier angefangen habe, oder ich sitze mir Freunden zusammen in einem Café in der Mall. Abends vervollständige ich meine Hausaufgaben und verbringe die Zeit bis ich schlafen gehe meist im Internet. Samstag ist der einzige Tag in der Woche an dem ich ausgehe oder den Tag komplett mit Freunden verbringe. Um auch das Essen zu erwähnen, Reis gibt es hier morgens, mittags und abends. Das war anfangs zugegeben schwierig für mich, mittlerweile sehe ich etwas nicht als eine Mahlzeit an, wenn kein Reis dabei ist.

Im Allgemeinen lief meine Umstellung sehr flüssig und unkompliziert. Im Grunde genommen sehe ich es für mich selber nicht als Umstellung, mehr als Anpassung. Das hat mir vor allem meine Familie möglich gemacht, da sie mit mir sehr offen und unkompliziert umgehen und sie sehr viel Geduld und Vertrauen in mich zeigen. Dennoch, durch veränderte Verhältnisse hier, hat sich mein Verhalten im Alltag doch verändert, da ich hier komplett andere Aufgaben und Erwartungen zu erfüllen habe. Besonders auch durch die kulturellen Unterschiede, wie die Blessings. Ich achte viel mehr auf mein Verhalten, da ich nicht nur mich vertrete, wie ich es gewohnt war, sondern auch den Namen meiner Organisation und meines Heimatlandes mit mir trage.

Themen, über die man spricht

Wie schon genannt, meine Gastfamilie steht voll und ganz hinter mir, was mir meine Reise hier wesentlich einfacher macht. Die Filipinos sind sehr gastfreundlich und hilfsbereit, wodurch ich sehr schnell Anschluss gefunden habe. Dennoch war und ist es immer noch schwer für mich, Themen zu finden, über die man sprechen kann, insbesondere in der Schule mit Klassenkameraden. Meine Klassenkameraden sind im Durchschnitt ein bis zwei Jahre älter als ich. Zusammengefasst kann man sagen, dass Jugendliche hier die Schule und Bildung als oberste Priorität sehen. Deshalb sind Gespräche meist über Schule und Themen wie Basketball und Volleyball, die zwei beliebtesten Sportarten auf den Philippinen. Auffallend ist auch für mich, dass sich die meisten Jugendlichen keine großen Pläne für die Zukunft schmieden, was vermutlich daran liegt das die Eltern hier meistens das letzte Wort haben.

Die einzige Person, mit der ich offen und unkompliziert über alles sprechen kann, ist eine meiner Gastmütter. Es ist unglaublich erfüllend mit meiner Gastmutter zu diskutieren und immer wieder herauszufinden, dass wir auf der gleichen Wellenlänge sind. Genauso gut hat es mir getan, zu realisieren und es selber zu erleben, dass das Familienleben mit gleichgeschlechtlichen Eltern absolut keinen Unterschied macht zu dem Familienleben, das ich gewöhnt war. Ich sehe das als eine meiner wichtigsten Erkenntnisse, die ich mit zurück nehme.

Tipps für zukünftige Austauschschülerinnen und -schüler

An dieser Stelle möchte ich meine Erkenntnisse und Erlebnisse zusammenfassen, um zukünftigen AFSern den Weg vielleicht etwas einfacher zu machen.

Meiner Erfahrung nach ist es das wichtigste immer geduldig und optimistisch zu bleiben, denn jedes Erlebnis, ob gut oder schlecht, zählt und wird am Ende erzählenswert sein. Besonders, wie du einen Weg aus einer ungemütlichen Situation herausgefunden hast und was du daraus mitgenommen hast. Sei niemals zu scheu, eine neue Gelegenheit anzunehmen, wenn die letzte nicht perfekt gelaufen ist. Wenn du neue Wege einschlägst und stets gesprächslustig bleibst, wird es für dich einfacher, neue Kontakte zu knüpfen, was zu neuen und noch undenkbaren Optionen und Freundschaften für dich führen kann.

Neben Freunden, welche du trotz allem gut aussuchen solltest, ist Familie am Ende das wichtigste. Versuche, deine Familie die meiste Zeit, und sofern es dir in einer Weise möglich ist, als oberste Priorität zu sehen, da sie doch deinen Aufenthalt stark beeinflussen. Gehe stets auf sie ein. Du bist schließlich hier, um zu lernen und um so viel mitzunehmen, wie möglich. Sei aber auch nicht ängstlich, ihnen etwas über deine Kultur und deine Sitten mitzuteilen, so kann man gegenseitig voneinander und übereinander lernen und geht zusätzlich möglichen Missverständnissen aus dem Weg.

Vergiss nicht, deine Reise festzuhalten, das heißt mache möglichst viele Bilder und schreibe dir immer wieder was auf, um später greifbare Erinnerungen zu haben und um deinen eigenen Fortschritt beobachten zu können. Wenn du auf Unwissenheit oder Unverständnis stößt, schrecke nicht davor zurück und versuche, dein Wissen zu teilen, auch wenn es vielleicht offensiv und frontal zu kommen scheint. Alles in Allem, sei glücklich und dankbar, dort zu sein, wo du gerade bist. Erinnere dich daran, wie einmalig diese Gelegenheit ist, und dass du einer von wenigen bist die diese Möglichkeit bekommen haben.

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