Luisa, Norwegen, 2016, Schuljahr im Ausland mit Kreuzberger Kinderstiftung-Stipendium:

Als aller erstes möchte ich den Leuten der Kreuzberger Kinderstiftung danken, dass sie mir dieses Jahr und die ganzen unglaublichen Erfahrungen, die ich schon machen durfte, mit ermöglicht haben. Ich bin wirklich sehr dankbar für die Unterstützung und hier in Norwegen ist es sehr wichtig danke zu sagen, deshalb kommt das hier als erstes.

Bitte und Danke

Und dann kann ich auch gleich mit dem Punkt anfangen, wie sich mein Verhalten verändert hat, seit ich hier bin. Norweger benutzten das Wort bitte eigentlich nie, dafür sagt man aber bei jeder Kleinigkeit danke. Mir persönlich gefällt das sehr gut, weil ich finde, dass das Wort danke eine viel größere und wichtigere Bedeutung hat als bitte. Ich sage also seit ich hier bin sehr viel danke, aber auch generell habe ich das Gefühl, dass ich hier freundlicher zu den Menschen bin, aus dem einfachen Grund, dass hier einfach jeder freundlich zu jedem ist und man hier nirgendwo unfreundliche Menschen trifft, wenn man selbst freundlich ist.

Ich bin außerdem in meinem Verhalten offener geworden, im Bezug auf sich einfach zu den anderen mit dazu setzen oder mit Leuten, die man eigentlich gar nicht so gut kennt, etwas zu machen. Mir sind viel weniger Sachen peinlich, vor allem, wenn ich sprachliche Fehler mache oder etwas falsch verstehe, lachen wir alle darüber. Also im Punkt Verhalten war meine Veränderung nicht übermäßig groß, aber ich merke kleine Unterschiede, bei denen ich mir denke: oh das machst du in Deutschland anders, z.B. einfach Ja zu sagen, wenn Leute etwas mit mir unternehmen wollen. Ehrlich gesagt war mein erster Eindruck davon, dass hier nicht bitte gesagt wird, gar nicht so positiv. Ich bin damit aufgewachsen, dass man immer bitte sagt, wenn man etwas möchte, hier ist das aber einfach nicht so und im ersten Moment kam es mir deshalb jedes Mal, wenn jemand mich zu etwas aufgefordert hat, sehr unhöflich vor.

Entspannte Weihnachten

Meine ersten Eindrücke im generellen waren aber sehr positiv, ich habe mich sofort in diese Insel verliebt (Ich wohne auf den Lofoten) mit den Bergen und direkt daneben das Meer, das kannte ich von zu Hause so nicht. Außerdem sind die Menschen hier so herzlich und unglaublich freundlich, es hat mich so überrascht, wie lieb und warm meine Welcome Family und auch meine permanente Familie mich empfangen und aufgenommen haben. Die Sprache hat sich die ersten Tage total komisch angehört und ich hatte oft Zweifel, ob ich das jemals hinbekommen würde, aber mittlerweile spreche ich seit 2 Monaten Norwegisch und es wird immer besser. Meine ersten Eindrücke von Weihnachten in Norwegen waren: Wow, die Leute sind alle so entspannt hier. Ich habe bis jetzt noch niemanden gesehen, der schlecht gelaunt und endgestresst durch das Shoppingcenter gehetzt ist und es ist echt bemerkenswert, dass meine Gastmama nur Stress bekommen hat bei dem Gedanken daran, dass sie es nicht schafft alle 7 Sorten Kekse bis Weihnachten gebacken zu bekommen. Außerdem lieben Norweger Weihnachten einfach, alles ist dekoriert, es gibt Weihnachtsteller, Gläser und Tassen und unglaublich viele und für mich lustige Traditionen, wie die Lichter am Weihnachtsbaum der Stadt bzw. des Dorfes anzumachen und dann darum herum zu laufen und Hand in Hand Weihnachtslieder zu singen.

Ich hatte also eigentlich nur positive erste Eindrücke, die sich auch nicht geändert haben. Meine Eindrücke sind eigentlich sehr gleich geblieben, abgesehen von der Bitte und Danke Sache, die ich mittlerweile wirklich gerne habe, und auch besser finde als das, was ich aus Deutschland kenne. Mein Eindruck über die Menschen ist eigentlich auch gleich geblieben, ich finde immer noch, dass die Norweger unglaublich freundliche, warmherzige und positive Menschen sind, ich liebe die ganzen Traditionen und es tut sehr gut, dass Norweger entspannter mit allem sind und nicht alles so eng nehmen oder stressen.

Enger Familienzusammenhalt in meiner Gastfamilie

Allerdings musste auch ich mich erst daran gewöhnen, plötzlich nicht mehr so viel Freiheit wie zu Hause zu haben, da von mir erwartet wurde, dass Sachen, die mit der Familie gemacht werden, vor allem anderen gehen, und ich das so von zu Hause auch nicht kannte. Vor Allem jetzt in der Weihnachtszeit ist das sehr viel, wo ich mit meiner Familie mit muss, anstatt an den Stall zu fahren z.B. Dieses enge Familienverhältnis war definitiv die größte Umstellung für mich und, dass ich jetzt mit einer Schwester zusammen wohne. In Deutschland habe ich einen Bruder und bei meiner Welcome Family gar keine Geschwister, daher waren Schwestern auch eine Umstellung. Ansonsten hatte ich eigentlich keine großen Umstellungen, in meiner Welcome Family musste ich mehr selbstständig sein, als jetzt, aber das war kein Problem, nur die Umstellung von der einen auf die andere Familie war erst komisch, hat aber auch gut geklappt.

Norweger sind eher schüchtern

Was für mich hier neu war, war definitiv die entspannten Menschen und auch die Schule. Schule hier ist viel entspannter als in Deutschland, nicht unbedingt einfacher, aber entspannter, was Klausuren und das Verhältnis Schüler und Lehrer angeht. In Norwegen gibt es nämlich die Sie-Form so nur, wenn man mit dem König spricht. Lehrer und jeder andere Mensch hier wird geduzt und das gefällt mir sehr gut, auch wenn es erst komisch war. Außerdem war das kalte Klima neu und vor allem die vereisten Straßen, die wir manchmal haben, aber man gewöhnt sich schnell an beides.

Was ich am Anfang auch sehr seltsam und teilweise schwierig fand war, dass Norweger zwar sehr offen, aber trotzdem zurückhaltend und schüchtern sind und nicht unbedingt auf einen zukommen. Die Schwierigkeit daran war für mich, dass ich nicht sicher war, ob die Leute einfach nichts mit mir zu tun haben wollten, oder ob es halt einfach ein kultureller Unterschied war. Mittlerweile geht das aber, ich werde immer mit einem Lächeln empfangen, wenn ich mich mit an einen Tisch setze und ich hab mich daran gewöhnt, dass ich diejenige bin, die sich zu den anderen setzen muss. Außerdem war es am Anfang natürlich total seltsam, die neue Sprache zu sprechen, aber mittlerweile ist das das Normalste überhaupt. Was am Anfang besonders schwierig war, war wie eben schon erwähnt das Freunde finden, da Norweger eben nicht unbedingt auf dich zukommen und man sehr viel Eigeninitiative zeigen muss. Ich habe das aber ganz gut hinbekommen, wie ich finde, und dadurch sind meine Freunde und besonders mein Freund auch eine meiner größten Freuden hier. Ich habe einfach so viel Spaß mit ihnen, da wir die gleichen Interessen haben und damit etwas, was wir zusammen machen können nach der Schule.

Dieses ganze Auslandsjahr prägt einen unglaublich

Eine andere sehr große Freude war und ist Luisa, mein Kalb, das auf dem Hof lebt, wo ich die ersten 2 Monate mit meiner Welcome Family gelebt habe. Ich war bei ihrer Geburt dabei und dann hat meine Familie beschlossen, sie nach mir zu benennen. Ich sehe sie jetzt nicht mehr so oft, aber es war einfach eine wunderschöne Geste, sie nach mir zu benennen, und deshalb ist sie für mich immer noch eine große Freude. Ich habe außerdem eine tolle Klasse, die total nett ist und die ich sehr gerne habe, und wir sind alle irgendwie Freunde und das ist auch etwas, was mich sehr froh macht. Schwierigkeiten habe ich eigentlich gar nicht wirklich, am Anfang war die Sprache natürlich auch eine Schwierigkeit, da ich kein Wort sprechen konnte, aber ansonsten sind es manchmal kleine Dinge, wie wenn die Familie was vorhat, man selber aber lieber etwas anderes machen würde, aber das ist normal.

Eines meiner wichtigsten Erlebnisse und definitiv auch eine Szene, die ich zu Hause beschreiben würde, war zu sehen, wie ein Lama geschlachtet wurde. Für mich ist das ein sehr wichtiges Erlebnis, weil ich so etwas noch nie vorher mit angeguckt habe und das ein sehr prägendes Erlebnis war, weshalb ich das auch zu Hause beschreiben würde. Ansonsten sind alle Erlebnisse hier wichtig für mich, dieses ganze Jahr prägt einen unglaublich und man verändert sich Stück für Stück und nimmt so viel an Erfahrung aus jedem Erlebnis mit. Andere Sachen, die ich Zuhause beschreiben würde, sind die Berge und das Meer und der Fjord, in dem ich anfangs gewohnt habe, oder die Aussicht von den Bergen aus, weil die Landschaft hier ganz anders ist als Zuhause, wo ich nicht auf einer Insel, sondern mitten im Land wohne und wir weder wirklich Berge noch Meer haben.

Norwegische Jugendliche machen mehr mit ihrer freien Zeit

Meine Freizeit gestalte ich hier relativ ähnlich wie Zuhause auch, ich gehe weiterhin reiten, entweder mit einer Freundin oder manchmal auch auf dem Pferd meiner Gastschwester. Außerdem mache ich auch wieder Kampfsport, ich habe mit Taekwondo angefangen und gehe mit Freunden schwimmen. Generell ist Sport für viele Jugendliche eine wichtige Freizeitaktivität, viele gehen ins Fitnessstudio oder spielen Handball oder Volleyball. Es gibt aber auch viele, die Musik machen, also Gitarre oder Klavier spielen oder gerne Singen und Netflix ist auch sehr beliebt bei allen hier. Damit sind die Serien, die geguckt werden, auch immer wieder Thema der Jugendlichen hier. Generell sind die Themen, über die Jugendliche sprechen, sehr davon abhängig, was sie in ihrer Freizeit machen, also ich spreche z.B. oft und viel über Pferde und Reiten mit Freunden.

Ansonsten sind die Themen hier ähnlich wie Zuhause, langweilige Schulstunden oder irgendwelche Neuigkeiten, was am Wochenende passiert ist oder auch irgendwelche Uneinigkeiten. Norwegische Jugendliche sind aber mehr politisch engagiert, als Deutsche, und Politik spielt hier im täglichen Schulleben auch eine größere Rolle. Auch wenn hier, wo ich wohne, man nicht so viel Politisches mitbekommt, sind doch einige Jugendliche zu einem Fackelzug gegen Echtpelz gegangen und beschäftigen sich mit dem Thema. Ich habe auch das Gefühl, dass Jugendliche hier mehr Freizeit haben, als wir in Deutschland und viele machen deshalb auch viel in ihrer Freizeit, ob es Sport, Kunst oder Musik ist, oder ob sie sich einfach mit Freunden treffen. Norweger machen meiner Ansicht nach mehr mit ihrer freien Zeit und haben meistens auch nicht so viele Hausaufgaben oder müssen lernen, weil sie nicht so viele Examen haben.

Genießt die Zeit – es ist euer Jahr

Ich würde zukünftigen AFSern mit auf den Weg geben, dass, egal wie kompliziert oder aussichtslos manche Situationen manchmal scheinen, es eigentlich immer einen Weg gibt, das Problem zu „lösen“ und man immer Hilfe findet, wenn man fragt. Außerdem zahlt es sich aus, mit so wenig Erwartungen wie möglich in ein Auslandjahr zu starten, offen für alles zu sein und einfach mal über den eigenen Schatten zu springen, auch wenn das am Anfang schwer sein kann, es lohnt sich! Probiert neues aus, sagt JA, wenn euch etwas angeboten wird, vielleicht mögt ihr es, sei es Essen oder irgendwelche Aktivitäten. Und am wichtigsten genießt die Zeit, denn es ist nur ein Jahr und es ist euer Jahr. Lasst euch nicht runterziehen von Heimweh oder Verzweiflung, auch wenn das oft schwer ist, denn die Erlebnisse, die ihr machen werdet, kann euch keiner nehmen, das ist etwas, was man sein ganzes Leben für sich behält und man bekommt und lernt so viel aus den Erfahrungen. Also einfach immer versuchen, das Beste aus allen Situationen zu machen, und auch wenn man es erst nicht schafft, einfach weiter versuchen und alles genießen und mitnehmen was geht.

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