Manche Menschen sammeln Briefmarken, Familie Wilke sammelt interkulturelle Erfahrungen – und das mit 13 Gastkindern in nur 6 Jahren. Gastmutter Tatjana berichtet aus ihrem Leben in der AFS-Großfamilie.
Die richtige Entscheidung
Unsere Erfahrungen mit AFS starten genauso, wie man es sich vorstellt: mit einem Anruf.
Für einen Sprachkurs in unserem Komitee brauchte ein junger Mann aus Mittelamerika noch eine Familie für 2 Wochen. Mit dem Gedanken, dass 2 Wochen überschaubar sind haben, wir spontan zugesagt.
Die 2 Wochen liefen super und unsere Kinder hatten Sehnsucht nach mehr. Auf Nachfrage teilte AFS uns mit, dass es eine Möglichkeit für ein erneutes Gastkind gäbe – jedoch am liebsten für ein ganzes Schuljahr. Wir haben uns erneut dafür entschieden, und im September 2016 unseren ersten Jahresgastschüler aufgenommen. Die richtige Entscheidung.
Zur Februaranreise beschlossen wir, einem jungen Mann als Willkommensfamilie die Anreise zu ermöglichen. Was bloß für kurze Zeit geplant war endete sehr spontan in unserer ersten Doppelbelegung.
Auch hierbei sammelten wir gute Erfahrungen, sodass wir 2017 erneut 2 Gastschüler gleichzeitig aufnahmen. Zwischen Ab- und Anreise hatten wir ein freies Bett und stellten dieses als Übergangsfamilie kurzzeitig zur Verfügung.
Und wie sollte es anders sein? Die Folgefamilie sprang ab und zwischen uns und dem Gastschüler stimmte die Chemie… Unsere erste Dreifachbelegung war perfekt.
Selbst im Corona-Hochjahr 2020/21 mit viel Homeschooling und Ausgangsbeschränkungen hatten wir einen Gastschüler. Und trotz alledem haben wir noch lange nicht genug, so kommt es, dass wir auch dieses Jahr wieder drei Gastschüler aufgenommen haben – insgesamt 13 Gastkinder in 6 Jahren.
Eine internationale Familie
Traurigerweise ist die Frage, die uns am häufigsten gestellt wird im Zusammenhang mit Gastschülern: Wie viel Geld bekommt ihr eigentlich dafür?
Aber was wir bekommen ist viel mehr wert als Geld: eine internationale Familie (und Küche) mit Einblick in verschiedenste Kulturen und Traditionen, von denen wir einiges beibehalten. Außerdem ist jedes Jahr einzigartig und auf seine Weise toll. Zudem fällt es unseren Kindern leichter, in der Schule Fremdsprachen zu lernen.
Auch aus der Sicht der Geschwister ist es schön, immer Gleichaltrige um sich zu haben und in einem gut gefüllten Haus auch die Zeit zu Hause nicht mit Langeweile füllen zu müssen. Ebenfalls ist es cool, Freunde auf der ganzen Welt zu haben und so international verknüpft zu sein.
Alle profitieren voneinander
Auch für die Gastschüler ist es ein gutes Gefühl, dass sie zu zweit oder zu dritt sind. Es gibt ihnen die Möglichkeit, sich über Ängste und Befürchtungen auszutauschen und gemeinsam den Start in ein Jahr voller Überraschungen zu starten.
Wir sind zurzeit eine 7-köpfige Familie, die in ihren Interessen breit gefächert ist, so dass jeder einzelne seine Nische finden kann. Bei so vielen verschiedenen Charakteren und Interessen, ist es leicht, sich gegenseitig zu unterstützen. Während ich mit den Gastschülern Deutsch übe, unterstützen diese meine Kinder beim Erlernen von Englisch oder Französisch, oder helfen meiner Jüngsten auch mal bei den Mathehausaufgaben. Am Nachmittag geht die Jugend gemeinsam zum Fitnessstudio oder zum Vereinssport oder musiziert und am Abend oder an den Wochenenden werden Karten- oder Brettspiele gespielt. Wer sich mal in sein Zimmer zurückziehen möchte, hat dafür die Gelegenheit. Aber es ist auch immer irgendjemand da, der sich mit einem beschäftigt.
70 Jahre Gastfamilienprogramm
Die Aufnahme eines Gastkindes (oder auch mehrerer) ist also eine Bereicherung für die ganze Familie. Kein Wunder, dass es das Programm bereits seit 70 Jahren gibt. Wir werden sicherlich noch mehr Gastkinder aufnehmen und unsere Familie international erweitern.