Henriette, Brasilien, 2023, Schuljahr im Ausland, Stipendium „Engagiert im Sport“
Es ist für mich kaum zu glauben, dass ich nun schon die Hälfte meines Aufenthaltes hier verbracht habe, denn die Zeit ist schon beinahe geflogen und ich habe so viele tolle und unglaubliche Dinge erlebt, von welchen ich nun gerne berichten möchte.
Zurzeit befinde ich mich in den Sommerferien, welche ich zusammen mit meiner Gastfamilie am Strand im Süden von Brasilien verbringe. Viele Brasilianer sagen, dass die Strände hier im Süden von Brasilien nicht so toll seien, doch ich finde es traumhaft. Oft gehe ich am Strand spazieren, genieße den Auf- oder Untergang der Sonne, bade im Meer oder trinke água de coco – Kokosnusswasser – mit meiner Gastfamilie. Es ist traumhaft.
Doch ich würde mit meiner Erzählung gerne weiter an den Anfang zurückspringen und Ihnen in chronologischer Reihenfolge von meinen tollsten Erlebnissen berichten.
Die erste Zeit
Nach einer sehr chaotischen Ankunft verbrachte ich die ersten Tage kurzzeitig bei einer anderen Gastfamilie und tollstem Wetter. Obwohl in Südbrasilien zu dieser Zeit eigentlich Winter herrschen sollte, war es sehr warm und sonnig, weswegen ich schon viel unternehmen konnte, so wie erstes Entdecken der Stadt, Reisen an einen See oder das Besuchen einer benachbarten Stadt. All diese Erlebnisse machten meine ersten Tage hier wahrlich zauberhaft.
In den nächsten Tagen kam ich dann in meine Gastfamilie und ging auch erstmalig zur Schule. Ich verbrachte diese Wochen damit, meine Gastfamilie, meine Schule und meine Umgebung kennenzulernen.
In meine Gastfamilie konnte ich mich sofort sehr gut einleben, ich fühle mich unglaublich wohl mit ihnen und wir unternehmen viele Dinge gemeinsam. Oft laden sie viele Menschen ein und dann verbringen wir alle gemeinsam den Tag beziehungsweise den Abend. Es gibt also immer etwas zu unternehmen.
So vergingen zwei tolle und ereignisreiche Monate und das nächste große Event wartete schon auf mich und meine Gastfamilie, denn am Anfang des Oktobers feierten wir den sogenannten Debut. Ich denke, früher wurde so etwas genutzt um einen Ehemann zu finden, aber heute symbolisiert es das Erwachsenwerden einer jungen Frau und ich finde, es ist ein schöner Anlass, um sich tolle Kleidung anzuziehen und einen schönen Abend zu haben, ebenso wie ich es schön finde, dass an diesem Abend junge Frauen zelebriert werden. Dieser Abend hat mir sehr viel Spaß gemacht und ich habe gelacht und viel getanzt zusammen mit meinen Freunden.
Auf Klassenfahrt
Im Oktober stand noch eine weitere sehr tolle Sache an, auf die ich mich unglaublich gefreut habe, denn wir haben eine Klassenfahrt in einen benachbarten Bundesstaat gemacht und sind nach Garopaba an den Strand gefahren. Es klingt nicht so weit, wenn ich schreibe, dass wir in den benachbarten Bundesstaat, nach Santa Catarina, gefahren sind, aber da Brasilien riesig ist, dauerte die Fahrt mit dem Bus allein dorthin sieben Stunden. In Garopaba gab es viel zu sehen und zu erleben und da es eine Schulreise war, gab es auch viel über Meerestiere zu lernen. Leider habe ich zu diesem Zeitpunkt nicht so viel von dem verstanden, was die Lehrer und weitere Begleitpersonen erklärten, aber gerade wenn ich an diese Momente zurückdenke, werde ich stolz auf meine Fähigkeiten in der Portugiesischen Sprache jetzt und mir wird klar, wie viel ich gelernt habe und wie viel ich gewachsen bin. Ich freue mich sehr darüber.
Aber zurück auf die Schulreise in Garopaba. Wir sind dort einige Male gewandert und hatten dabei immer viel Spaß. Besonders gefallen hat mir der letzte Abend, bei welchem wir zuerst am Nachmittag einen langen Spaziergang am Strand machten und später habe ich noch viel Zeit mit meinen Freunden verbracht. Dieser Tag war wundervoll. Leider konnten wir durch den Zeitplan der Lehrer nicht so viel Zeit am Strand verbringen, aber ich war trotzdem einmal mit meinen Freunden baden und es war traumhaft. Nach einigen Tagen ging es dann auch schon wieder zurück. Darüber war ich zum einen traurig, zum anderen war ich auch sehr müde und freute mich auch schon wieder auf meine Gastfamilie und die Haustiere.
Heimweh
Der Rest des Oktobers verlief ein wenig ruhiger, doch es gibt immer schöne Erlebnisse über welche ich mich sehr freue.
Natürlich wird mir auch manchmal langweilig. Vor allem jetzt während der Ferien habe ich an manchen Tagen leider überhaupt nichts zu tun und dann vermisse ich nicht nur die Schule und meine Freunde hier, sondern bekomme auch Heimweh nach Deutschland, vor allem nach meiner Familie. Doch ich habe gelernt, wie ich damit umgehen kann und auch, dass Heimweh zu haben nichts Schlechtes bedeutet. Wenn es also manchmal vorkommt, dass ich viel Heimweh habe, dann spiele ich zum Beispiel mit dem Hund im Garten, rede mit meiner Gastfamilie oder mit meinen Freunden und lenke mich allgemein ab. Im Umgang mit diesen Gefühlen fällt mir ab und zu auf, dass ich viel gewachsen bin und gelernt habe, anders und besser mit meinen negativen Gefühlen und Emotionen umzugehen, wofür ich sehr dankbar bin.
Viele dieser negativen Emotionen und Heimweh kam besonders im Monat November auf, weswegen ich dort viel zu kämpfen hatte. Aber nichtsdestotrotz habe ich auch viele schöne Dinge in diesem Monat erlebt.
Mein Highlight dabei war ein kurzer Ausflug, den meine Gastmutter, meine Gastschwester und ich nach Porto Alegre, einer großen Stadt unweit von der, in welcher ich wohne, unternahmen. Meine Gastfamilie hat dort ein kleines Apartment, in welchem wir einmal übernachteten. In Porto Alegre waren wir bei einem Konzert, sind spazieren gegangen oder auch durch kleine Läden gebummelt. Was mir dort erstmalig aufgefallen ist, ist der Fakt, dass Brasilianer oft Konversationen mit fremden Menschen führen. Es ist etwas, das mir gut gefällt und eine Eigenschaft, die ich schätze. So redeten wir zum Beispiel auch mit einem Mann, der Freunde in Hannover hat, worüber ich mich sehr freute. Ich finde diese Art des Umgangs mit anderen Menschen sehr interessant und ich freue mich darüber, dass ich sie kennen lernen darf.
Weihnachten
So verging ein weiterer schöner Monat und nun stand der Dezember und die Weihnachtszeit vor der Tür, auf welche ich sehr gespannt war. Schließlich würde es die erste sein, welche ich in einem anderen Land verbringe und noch dazu in einem,
in welchem es an Weihnachten heiß ist.
Der Dezember war ein wirklich toller Monat, in welchem ich viel mit meinen Freunden gemacht habe. Wir haben uns getroffen, sind auf Partys gegangen oder waren zusammen essen. Ich habe gemerkt, dass ich zu dieser Zeit meine Freundschaften gestärkt habe, ebenso wie ich neue knüpfte und es half mir sehr, auch gegen das Heimweh anzukommen, mit welchem ich im vorherigen Monat zu kämpfen hatte.
Am Tag von Heiligabend sind bei uns Zuhause viele Verwandte angereist und wir haben den Tag zusammen verbracht. Zuerst hatte ich wirklich Angst vor diesem Tag, da ich dachte, dass ich viel Heimweh haben würde und noch dazu das Problem habe, durch das volle Haus keinen Rückzugsort zu finden. Doch diese Angst war unbegründet, denn ich habe diesen Heiligen Abend sehr genossen und ich fand es schön, ihn mit so vielen Leuten zu verbringen. Meine Familie in Deutschland ist nämlich recht klein, weswegen wir vor allem an Heiligabend immer nicht sehr viele waren. Und so vergingen auch die Weihnachtsfeiertage reibungslos und ich hatte viel Spaß mit meiner Gastfamilie.
Am 26. Dezember fuhren wir an den Strand und verbrachten Silvester dort. Auch dies war mein erstes Mal, dass ich Silvester nicht in Deutschland und in der Nähe meiner Familie verbracht habe, doch ich hatte keine Probleme mit Heimweh und hatte eine wirklich gute Zeit. Vom Haus aus konnten wir das Feuerwerk bewundern und haben uns allen ein Frohes Neues Jahr gewünscht – „Feliz ano novo!“. Ich hätte mir gewünscht, dass wir um Mitternacht an den Strand gehen und fragte deshalb auch meine Gastfamilie danach, doch sie lehnten ab.
Herausforderungen
Durch mein Austauschjahr habe ich viel gelernt, Kompromisse einzugehen und Situationen so hinzunehmen, wie sie auf mich zukommen. Ich denke, dass ich eine sehr sturköpfige Person sein kann und mich manchmal stark durch spontane Veränderungen aus dem Konzept bringen lasse. Doch in der Zeit hier in Brasilien habe ich viel dazu gelernt und sehe Dinge oft nicht mehr so streng, sondern eher gelassen. Darüber bin ich froh, da meine negativen Emotionen eine Situation oft schlimmer machen, als sie in Wirklichkeit ist und ich denke, dass mir dieses Wissen in zukünftigen Problemsituationen viel helfen wird, ebenso wie es mir schon in Vergangenheit in meinem Austauschjahr bei meinen Herausforderungen geholfen hat.
Ich denke, meine größte Herausforderung bisher war der November, denn dort hatte ich viel Heimweh und vermisste meine Eltern sehr. Doch ich habe gelernt, dass ich auch schwere Zeiten durchstehen kann und dass am Ende alles gut wird. Oft ist das schlimmste an einer Situation eher die Angst vor der Angst, anstatt die eigentlichen Folgen, welche am Ende wirklich nicht so schlimm sind. Das habe ich nun gelernt und es hilft mir, ein befreiteres Leben zu leben.
Mit diesem Wissen freue ich mich schon auf die weiteren fünf Monate hier und ich freue mich auch schon darauf, wieder in die Schule zu gehen und meine Freunde und Klassenkameraden zu sehen, ebenso wie beim Deutschunterricht zu helfen. Denn in der Schule, auf welche ich hier in Brasilien gehe, wird neben Englisch als Fremdsprache auch Deutsch angeboten. In einem freiwilligen Kurs bin ich jeden Freitag dabei und helfe, was mir viel Spaß macht. In den nächsten Monaten erwartet mich also viel, auf das ich mich freuen kann.
Danke
Zuletzt möchte ich noch Ihnen, sehr geehrter Stipendiengeber, danken. Eine solche Erfahrung, wie ich sie zurzeit erlebe, ist wahrlich etwas Besonderes und mir ist bewusst, dass es auch aus finanziellen Gründen nicht die einfachste Entscheidung für meine Eltern war. Umso mehr freue ich mich, dass Sie uns mit finanziellen Mitteln unterstützen und helfen, einen Traum zu verwirklichen. Vielen Dank! Es bedeutet mir so viel.