Gastmutter Angelika, Hongkong, 2008

…Man kann es immer wieder haben!

Mein eigenes Jahr ist schon 30 Jahre her. Damals dachte ich, dass das meine AFS-Erfahrung war. Jetzt weiß ich, es war nur der Anfang. Die Frage, wie ich meiner Gastfamilie etwas zurückgeben könnte, hat mich intensiv beschäftigt. Mir wurde klar, dass es nur eine Möglichkeit gibt, die Leistung einer Gastfamilie aufzuwiegen: selbst Gastfamilie werden und so die Erfahrung an die nächste Generation weitergeben.

Der richtige Zeitpunkt für ein AFS-Kind ist ebenso schwierig zu bestimmen wie der für ein eigenes. Es gibt nie den idealen Zeitpunkt. Irgendwann muss man Anlauf nehmen und springen. Unser erstes Jahres-AFS-Kind kam zu uns, als wir zwei Grundschulkinder im Haus hatten. Da wir als Eltern eines Teenagers völlige Anfänger waren, hat die neue Situation sowohl uns als auch Jenny aus Honkong immer wieder Geduld, Durchhaltevermögen und Humor abverlangt. Wir sind aneinander gewachsen. Wir haben festgestellt, dass kleinere Kinder im Haus große Vorteile bringen. Die Kleineren gehen ohne Hemmung auf das neue Familienmitglied zu und brechen auf natürliche Art das Eis. Sie lassen ihrer Zuneigung freien Lauf und teilen der großen Schwester genauso unverblümt mit, wenn sie mal doof ist. Außerdem zwingen sie alle gnadenlos dazu, Deutsch zu sprechen. Jenny hat mit ihren kleinen Geschwistern Hausaufgaben gemacht. Dabei hat die Große den Kleinen geholfen, rechnen zu lernen, und die Kleinen haben der Großen eine Menge Deutsch beigebracht, worauf die Kleinen unheimlich stolz waren.

Ankunft von Livia aus Brasilien

Auch deutsches Kulturgut wie Weihnachtszauber, Eierausblasen, Topfschlagen beim Kindergeburtstag etc. hat zu der Zeit noch ganz selbstverständlich bei uns stattgefunden. Die Kleinen waren schockiert, dass so ein großes Mädchen von all diesen Dingen keine Ahnung hat und haben ihr mit Hingabe beispielsweise die Bedienung eines Adventskalenders erklärt. Nachdem alles gut gelaufen war, kam zwei Jahre später Livia aus Brasilien zu uns. Ein ungeplantes Kind, das sehr früh im AFS-Jahr eine neue Familie brauchte und von einem auf den anderen Tag unser Kind war. Wiederum eine wunderbare Tochter!

Nach ein paar Jahren Pause ist Eduardo aus Mexiko bei uns eingezogen. Dabei konnten wir erleben, dass es auch großen Spaß macht und Vorteile hat, wenn die Kinder im Alter ähnlich sind. Ein Jahr später ist uns Andrés aus Ecuador überraschend ins Haus geschneit. Er brauchte dringend eine neue Gastfamilie und hat knapp ein halbes Jahr bei uns verbracht. In dieser Situation konnten wir genießen, dass wir die Deutschanfänge nicht mehr bewältigen mussten und er etliche wichtige AFS-Lernerfahrungen bereits hinter sich hatte. Vier großartige AFS-Kinder, zu denen wir einen herzlichen Kontakt pflegen und die wir um keinen Preis missen möchten. Gastfamilie zu sein, ist ein ebenso großes Abenteuer, wie das eigene Jahr im Ausland und ebenso lohnend und prägend. Für mich gehört Gastfamilie zu sein unbedingt zu meiner AFS-Erfahrung dazu. Und das Beste daran: Man kann es immer wieder haben! Es ist nie zu früh oder zu spät! Greift zu!“

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