Amalia, Costa Rica, 2018, weltwärts:

Amalia hat ihren Freiwilligendienst in Costa Rica mit AFS und dem IJFD gemacht. Sie hat in einer Tagesbetreuung für Seniorinnen und Senioren mitgearbeitet und u.A: die Physiotherapeutin unterstützt. Außerdem hat sie sich kreativ eingebracht – ihre lebendigen Eindrücke hat sie in diesem Bericht festgehalten.

Amalia AFS Freiwilligendienst in Costa Rica

Zu Beginn möchte ich erwähnen, dass ich in diesem Abschlussbericht meine Sicht der Erlebnisse, Erfahrungen und erlernten Fähigkeiten darlege. Dies schließt aus, dass meine Eindrücke für ein ganzes Land oder eine ganze Kultur gelten und generalisiert werden können. Da Menschen aus der Erfahrung vergangener Erlebnisse handeln, möchte ich kurz zu meiner Person erzählen um mögliche Handlungen, Entscheidungen und Fokusse auf Dinge verständlicher zu machen.

Mein Name ist Amalia, ich bin im mittleren Westen der USA geboren und habe dort bis zu meinem sechsten Lebensjahr gelebt, bis ich mit meinen Eltern und meiner kleinen Schwester in die Nähe der kleinen Stadt Offenburg an der französischen Grenze in Baden-Württemberg gezogen bin. Da mein Vater US-Amerikaner und meine Mutter Deutsche ist, sind meine Schwester und ich von Beginn an zweisprachig aufgewachsen. Da meine Familie väterlicherseits in den Vereinigten Staaten wohnt und ein ständiger Besuch deshalb nicht möglich ist, ist es für mich nicht fremd, über einen größeren Zeitraum hinweg von Familienmitgliedern getrennt zu sein. Natürlich gestaltet sich eine räumliche Trennung über ein Jahr gerade bei den engsten Verwandten wie meine Eltern und Geschwistern trotzdem schwieriger als sonst, da dies im Falle des Freiwilligendienstes eine neue Situation darstellt.

Während meiner Schulzeit, in der Zeit nach dem Abitur und vor der Ausreise, habe ich in einem kleinen Café gearbeitet. Dieses gehört zur Diakonie e.V. und beschäftigt sowohl Menschen mit leichter geistiger Behinderung als auch Menschen ohne. Dort konnte ich bereits wertvolle Erfahrungen im Umgang mit Heterogenität und der non-verbalen Kommunikation sammeln, da ein Austausch nicht immer nur auf sprachlicher Ebene stattfinden konnte. Diese Fähigkeiten konnte ich im Laufe des Jahres glücklicherweise ausbauen und hoffe, dass mir das auch in meinem Leben weiterhin noch gelingt.

Neue Eindrücke und Gewohnheiten

Es ist wirklich wahr: Vorfreude ist tatsächlich die schönste Freude. Der Reiz der Ungewissheit und der Wunsch, die Vorbereitungen nun endlich in die Tat umzusetzen, ließen die Zeit bis zur Abreise nahezu endlos erscheinen. Als es nach den Seminaren, nach fleißigem Recherchieren und etlichen Gedankengängen über das, was alles in einem Jahr passieren könnte, dann endlich losging, konnte ich es nicht fassen. Da standen wir als Gruppe mit Familien und Freunden in Frankfurt am Flughafen und konnten nur ahnen und spekulieren, was alles in dem folgenden Jahr auf uns zu-kommen würde.

Wenn ich das Gefühl bei der Ankunft am costa-ricanischen internationalen Flughafen beschreiben müsste, wäre es Verwirrung gemischt mit Neugier und Anspannung, die die Eindrücke surreal haben wirken lassen. Die Dunkelheit der Nacht und die ungewohnt schwere, feuchte Luft waren nahezu erdrückend und das laute Durcheinanderrufen der Taxifahrer rief bei mir ein leichtes Gefühl von Überforderung hervor. Mir wurde meine Unsicherheit nur deshalb ein Stück weit genommen, da ich ein Teil einer großen Gruppe war, und es den anderen sichtlich ähnlich gegangen sein muss. Als wir von AFS in den Bussen zum Hostel gefahren wurden und uns bis zum nächsten Morgen um 6 Uhr früh ausruhen konnten, war ich noch weit davon entfernt, zu verstehen, dass diese Umgebung jetzt für das kommende Jahr mein neues zu Hause sein würde.

Nach den ersten beiden Seminartagen in San José, die sämtliche organisatorische und nützliche Informationen beinhalteten, wurden wir zur Finca la Flor in Paraiso, Cartago gefahren. Ich war und bin über diese zehn Tage, die wir dort verbracht haben, nicht nur wegen dem Auffrischen meiner Spanischkenntnisse, sondern wegen dem sich entwickelnden Gruppengefühl, sehr dankbar. Meiner Meinung nach verstanden wir uns als Gruppe bereits nach den Vorbereitungsseminaren außergewöhnlich gut und hatten viel Verständnis füreinander, was sich auf der Finca durch das Gemeinschaftsleben weiterhin verstärkt hat. Diese Freundschaft untereinander hat mir in dem Jahr des Freiwilligendienstes sehr große Unterstützung gegeben und es ist mir deutlich bewusst, dass die Empathie meiner neuen Freunde in manchen Situationen sehr hilfreich war, um kein Gefühl der Einsamkeit aufkommen zu lassen.

Da wir auf der Finca mehr oder weniger in einer geschlossenen Umgebung lebten, kam die richtige Eingewöhnungsphase erst nach dem Einzug in die Gastfamilie. Am Tag des Kennenlernens der Familie war ich besonders aufgeregt, da ich mir zuvor nur anhand der Mails und deren Profilbeschreibung ein Bild der Familie machen konnte. Ich wusste zu dem Zeitpunkt, dass es ein junges Ehepaar mit einer 7-jährigen Tochter war, die beide in einem IT-Unternehmen arbeiteten. Sie schienen sympathisch und offen für ein Kennenlernen einer neuen Kultur. Der Vater sprach fließend Englisch und beiden waren schon mehrmals aus geschäftlichen Gründen in die USA gereist.

Die ersten Tage waren sehr ungewohnt, aber äußerst spannend. Noch hatte ich nicht realisiert, dass all die sowohl bewussten als auch die unbewusst wahrgenommenen neuen Gewohnheiten nun für mich Alltag und Routine werden sollten. Die erste große Umstellung war das Busfahren. Da meine Gastfamilie ein Auto besaß, konnten Einkäufe und sonstige Aktivitäten auf diese Art erledigt werden, doch der Weg zur Arbeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln gestaltete sich zu Beginn recht schwierig. Mich hat auch die ungewohnt offene Art der Menschen auf der Straße ein wenig überrascht. Wenn ich in Deutschland allein in den Bus oder in die Bahn steige, setze ich mich für gewöhnlich an die Fensterseite, sofern kein anderer Mitfahrer dort sitzt. Für gewöhnlich krame ich dann die Kopfhörer aus der Tasche und kapsele mich von der restlichen Welt ab. In Costa Rica jedoch (zumindest in meinem Ort), konnte ich beobachten, dass sich alle Mitfahrer auf den Sitz am Gang setzen. Mir schien das ungewohnt. Nachdem einige Zeit vergangen war, langsam schon ein Alltag eingekehrt war und ich mehr oder weniger eine Routine in einem mir fremdem Land entwickelt hatte, beschloss ich jetzt auch, diese „Tico-Gewohnheit“ nachzumachen. Ich setzte mich auf den Sitz am Gang, dachte mir aber sonst nicht viel dabei. Plötzlich aber sprach mich eine Frau mittleren Alters, die auf der anderen Seite des Busses ebenfalls auf dem Sitz am Gang saß an und meinte, wie schön doch das Wetter heute sei. Nach einer kurzen Sekunde der Verwirrung antwortete ich ihr natürlich freundlich. Da ich zwar aufgrund meiner Herkunft tatsächlich ein wenig aussehe wie jemand aus Costa Rica, aber einen starken deutschen Akzent habe, war die Verwirrung bei der Frau sichtlich zu erkennen. Ehe ich mich versah, waren wir in einem Gespräch über meine Herkunft, die Unterschiede der Länder und über Sprachen verwickelt bis ich feststellte, dass ich fast meine Haltestelle verpasst hatte. Nach diesem kleinen, aber doch bedeutenden, Erlebnis, verstand ich zum ersten Mal, was es heißt, sich in eine Kultur einzugewöhnen und sie zu leben. Mit dieser neu gewonnenen Erfahrung beschloss ich, so viele meiner Gewohnheiten so weit wie möglich anzupassen und mich in die Gesellschaft einzubringen.

Mein Freundeskreis

Der Aufbau eines costa-ricanischen Freundeskreises gestaltete sich bei mir schwieriger als zu Beginn gedacht. Da ich in einer Tagesbestreuung für Senioren arbeitete, kam ich kaum in Kontakt mit Gleichaltrigen und verbrachte die meiste Zeit mit meiner Gastfamilie und mit den Freunden aus meiner AFS-Gruppe, die in meiner Umgebung wohnten. Marlene, die ca. 15 min. von mir entfernt wohnte, war in Deutschland in mehreren Tanzkursen eingeschrieben und meinte nach einigen Wochen in Costa Rica, dass ihr das Tanzen und der damit verbundene Sport fehlen würde. Kurzerhand beschlossen wir, uns einen Tanzkurs zu suchen, was sich nicht schwierig gestaltete. Der Grundkurs dauerte einen Monat und beinhaltete das Erlernen der lateinamerikanischen Standard-Tänze.

Schnell bemerkten wir aber, dass der sportliche Faktor ein wenig zu kurz kam, und suchten uns etwas anderes. Hannah, eine weitere Freiwillige aus unserer Gruppe, schloss sich uns an. So wurde der Tanzkurs am Mittwochabend zur Regel für uns drei und bot außerdem Raum, um Klatsch und Tratsch auszutauschen. Es bot sich immer öfter die Möglichkeit, mit einigen „Ticos“ (so nennen sich die Costa Ricaner) Gespräche aufzubauen. Nach ca. 3 Monaten in Costa Rica musste ich aufgrund einer unerwarteten finanziellen Änderung in meiner Gastfamilie eben diese wechseln. In der neuen Gastfamilie hatte ich ältere Geschwister, womit auch das Freunde finden fast automatisch stattfand.

Kulturelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten

Es wäre schwierig, alle mir aufgefallenen Unterschiede aufzuzählen, da ich nahezu täglich etwas dazugelernt habe oder mir etwas aufgefallen ist. Der signifikanteste Unterschied jedoch war, dass das Familienleben nahezu immer an erster Stelle steht. In Deutschland war es zumindest in meinem Umfeld so, dass eine Person fast schon als faul bezeichnet wird, wenn man im Alter von 26-30 Jahren noch bei den Eltern wohnt. In Costa Rica aber ist das sehr gängig und wird sogar als sehr schön angesehen, da es auf ein intaktes Familienleben hindeutet.

Eine Gemeinsamkeit, die mir aufgefallen ist, ist, dass die Ticos, ähnlich wie die Deutschen, wenn sie auf Reisen gehen, sich meist ein ausländisches Reiseziel aussuchen. Viele Menschen, die dort leben, kennen zwar die bekanntesten Orte in Costa Rica dem Namen nach, waren aber häufig selbst noch nicht dort gewesen.

Meine Einsatzstelle

AFs Freiwilligendienst in Costa Rica:Seniorinnen und Senioren in Amalias Einsatzstelle beim Basteln

Ich arbeitete im Rahmen des Freiwilligendienstes in einer Tagesbetreuung für Senioren, um dort einer Physiotherapeutin zu assistieren und beschäftigungstherapeutische Aktivitäten zu planen und zu organisieren. Das „centro duirno de la tercer edad“ befindet sich in dem Ort, in dem ich lebte. Es ist eine Einrichtung für pensionierte Senioren ab dem 65. Lebensjahr, die ihren Alltag mit ein wenig Abwechslung und in Gesellschaft verbringen möchten. Die Tagesstätte wird täglich von ca. 50 Senioren besucht, die von insgesamt 24 Freiwilligen oder Mitarbeiterinnen betreut werden. Zweimal wöchentlich wird das centro duirno von einer Beschäftigungstherapeutin besucht, die den Senioren, je nach mentalem und physischem Zustand, entsprechend Aufgaben zuteilt. Diese Aufgaben beinhalten mathematische, sprachliche, dynamische und musische Elemente, die helfen sollen, bereits bestehende Kenntnisse entweder aufzufrischen oder so weit wie möglich zu erweitern. Da die Senioren nach Leistungsniveau in Kleingruppen eingeteilt werden, bestand meine Aufgabe darin, die Leitung einer der Gruppen zu übernehmen, die Tagesaktivitäten zu planen und durchzuführen.

In der Einrichtung gibt es einen separaten Teil, der ausschließlich physiotherapeutischen Zwecken dient. Dieser wird dreimal wöchentlich von einer Physiotherapeutin besucht, die die Senioren ebenfalls in Kleingruppen unterstützt. An diesen Tagen bestanden meine Aufgaben darin, ihr so weit wie möglich zur Hand zu gehen, was zum Beispiel die Durchführung der morgendlichen Mobilisationsübungen oder das Anlegen von Kinesio-Tape beinhaltete.

Zu den Essenszeiten (außer zum Frühstück) war ich bei der Ausgabe der Mahlzeiten behilflich. Täglich werden die Mahlzeiten von zwei Köchinnen vor Ort zu festen Uhrzeiten zubereitet. Um 8:30 Uhr wird das Frühstück serviert, was häufig aus dem landestypischen „Gallo Pinto“, Eiern und Tortillas bestand. Als Zwischenmahlzeit wurden um 10:30 Uhr Früchte wie Bananen, Papaya, Melone oder Ananas verteilt, um die Zeit bis zum Mittagessen um 12 Uhr zu überbrücken. Der Betreuungstag für die Senioren endet mit einem Häppchen und Café um 14:30 Uhr. Anschließend werden sie von Familienmitgliedern abgeholt oder fahren in öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause gefahren.

AFS-Freiwillige Amalia mit Kolleginnen aus ihrer Einsatzstelle, einer Tagesbetreeung für Senioren

Mein Arbeitstag begann nach dem Frühstück um 9:00 Uhr mit den morgendlichen Mobilisationsübungen und endete zwischen 15:00 Uhr und 16:00 Uhr nach dem Ausschank des Cafés, dem Aufräumen und einigen Vorbereitungen für den kommenden Tag.

Das Gestalten und Planen eines persönlichen Projektes fiel mir zu Beginn nicht leicht, da ich noch mit sprachlichen Barrieren zu kämpfen hatte. Da aber ein großer Teil meiner Aufgabenbereiche die Kommunikation mit den Senioren war, konnte ich meine Sprachkenntnisse sehr bald auf ein adäquates Niveau ausbauen, womit sich dann das Ausdenken eines persönlichen Projektes fast von selbst ergab. In dem Esszimmer der Tagesstätte hat jeder seinen festen Sitzplatz, damit gesonderte Diäten, Bedürfnisse oder Wünsche besser beachtet werden können. Es gibt mehrere Senioren, die unter leichter bis mittelmäßig fortgeschrittene Demenz leiden, was dazu führt, dass der Sitzplatz im Esszimmer in einigen Fällen vergessen wurde. Um dem Gedächtnis ein wenig auf die Sprünge zu helfen, hatte ich mir überlegt, Tischmatten mit Namen zu gestalten. Ich war mehr als erfreut, als ich gesehen habe, mit welcher Freude und Begeisterung die Senioren und die Freiwilligen an diesem Projekt zusammen gearbeitet haben. Zu meiner Überraschung wurde diese kleine Feinheit auch nach Abschluss des Bastelprojektes weitergeführt. Jedes Mal, wenn jemand der Tagesstätte beigetreten war, wurde ich gefragt, ob ich nicht mit dem Neuankömmling eine der Tischmatten gestalten könnte. Damit diese kleine „Tradition“ nach meiner Abreise nicht im Sand verläuft, hatte ich noch die Möglichkeit, für weitere zukünftige Mitglieder ein Layout zu digitalisieren und die Tischmatten so für die anderen Mitarbeiterinnen zugänglich zu machen.

Die Idee für mein zweites persönliches Projekt hatte ich, als es auf die Weihnachtszeit zuging. Während einer Gesprächsrunde mit der Beschäftigungstherapeutin und den Senioren wurde ich gebeten, die Weihnachtszeit in Deutschland und in den USA zu beschreiben, da diese sich ein wenig von der costa-ricanischen Tradition unterscheiden. In Deutschland ist es üblich, für Familienmitglieder oder für Freunde im Dezember einen Adventskalender entweder zu basteln oder zu kaufen. Dieser Brauch war sowohl den Senioren als auch den Freiwilligen fremd und so lag es nahe, dass wir genau so einen basteln könnten. Die nächsten drei Wochen verbrachten meine Gruppe und ich also die Zeit mit Schnippeln, Basteln und Kleben, bis wir dann letztendlich einen fertig gebastelten Adventskalender mit 24 Türchen präsentieren konnten. Damit jeder der 50 Senioren die versteckte Schokolade genießen durfte, haben wir diese natürlich auf die Anzahl der Leute abgestimmt und damit keiner zu kurz kommt, die Auserwählten in den Türchen namentlich erwähnt. Auch bei diesem kleinen Projekt war ich unglaublich begeistert von dem Interesse und der Wertschätzung, welche mir in jeder Hinsicht entgegengebracht wurde. Es hat mir unglaublich Spaß gemacht, die Teilnehmer bei den unterschiedlichen Arbeitsschritten anzuleiten und ihnen zur Hand zu gehen.

Gegen Ende meiner Zeit in Costa Rica hatte ich noch ein- bzw. mehrmals die Möglichkeit, mein Projekt zu reflektieren und über die dort gemachten Erlebnisse nachzudenken. Es fällt mir schwer, Worte für die Dankbarkeit, die ich verspüre, zu finden, da ich in meinem Projekt weit mehr als nur Spanisch gelernt habe. Ich wurde von Beginn an herzlichst aufgenommen und integriert. Fähigkeiten wie Sticken und Tricks beim Kochen wurden mir mit größter Freude weitergegeben. Jeder und jede Einzelne hat mir im Laufe des Jahres irgendetwas auf den Weg mitgegeben, an das ich mich heute in Deutschland mehr als nur gerne erinnere. Da man sich nach elf Monaten im Projekt mit den Menschen und dem Umfeld sehr vertraut fühlt, fiel auch der Abschied mehr als nur schwer. An der offiziellen Abschiedsfeier, an der auch meine Kontaktperson und eine weitere AFS-Freiwillige aus meinem Komitee teilnahmen, kamen alle noch einmal in einem Stuhlkreis zusammen, um mir einzeln liebe Worte mit auf den Weg zu geben. Ich war davon so ergriffen und habe mich darüber unglaublich gefreut. Mit Sicherheit war dies einer der schönsten, traurigsten und bewegendsten Momente zugleich, die ich in Costa Rica erleben durfte.

Meine Gastfamilie(n)

AFSerin Amalia mit ihrer costa ricanischen Gastfamilie

Da wir als AFS-Gruppe untereinander während des Jahres ständig in Kontakt waren, hatte ich von dem einen oder anderen bereits nach recht kurzer Zeit, die wir in Costa Rica verbracht hatten, gehört, dass die Gastfamilie gewechselt werden musste. Für mich persönlich war dies eine meiner größten Befürchtungen, da ich mich nach dem ersten Einleben in meiner Gastfamilie nur sehr ungerne noch einmal umgewöhnen wollte, was ja auch hieße, quasi mit dem Kennenlernen von vorne beginnen zu müssen.

Ich habe mich in meiner Gastfamilie, bei meinem Gastvater und meiner Gastmutter, die beide etwas über 30 waren und in IT-Firmen gearbeitet haben, zu Beginn auch sehr wohlgefühlt. Sie waren nett, aufgeschlossen und sehr interessiert an dem Erlebnis des Kulturaustausches. Auch mit der siebenjährigen Tochter des Gastvaters verstand ich mich nach einiger Zeit sehr gut. So lernte ich in der unkomplizierten, kleinen Familie meinen Platz zu finden, was die ersten zwei Monate auch ohne Probleme funktioniert hat. Leider sorgten Probleme auf der Arbeit und gesundheitliche Umstände der Mutter meines Gastvaters für immer schlechter werdende Laune zu Hause, bis sie schließlich entschieden, dass es das Beste wäre, wenn vorerst keine Freiwillige bei ihnen zu Hause wohnen würde. Da ich für den TMS (Test für medizinische Studiengänge) im Mai nach Deutschland geflogen bin, beschlossen wir, dass meine Reise nach Deutschland auch mein Auszug bei der Familie sein sollte.

Als ich fünf Tage später wieder in Costa Rica ankam, hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch keine neue Gastfamilie und musste vorübergehend erst einmal bei meiner Kontaktperson unterkommen. Im gemeinsamen Café des Projektes wurde gefragt, wo ich denn nun wohnte und wie es bei mir mit der Wohnsituation weitergehen würde. Natürlich berichtete ich die Situation. Die Information erreichte schließlich die Buchhalterin der Einrichtung. Diese kam am nächsten Tag zu mir und meinte, dass ich vorübergehend bei ihr wohnen könnte, bis AFS eine für mich passende Gastfamilie gefunden hatte. Sie bedauerte, mich nicht für das restliche Jahr aufnehmen zu können, da sie sich in regelmäßigen Abständen um ihre Mutter kümmern musste und immer ca. 3 Tage bei ihr in Tibas (ein Stadtteil von San José) bleiben musste. Sie erwähnte auch, dass sie bereits mit Josué (meiner Kontaktperson) gesprochen hatte. Glücklich, fürs erste eine neue Gastfamilie gefunden zu haben, willigte ich natürlich ein.

AFS-Freiwillige Amalia mit ihrer Gastfamilie auf deren Finca in den Bergen Costa Ricas

Danach ging alles super schnell. Wir holten mein Gepäck und noch am selben Tag ging es zu Cris, der Buchhalterin aus dem centro duirno, mit der ich bis zu diesem Zeitpunkt kaum ein Wort gewechselt hatte, nach Hause. Sie zeigte mir alles und ich richtete mich ein. Da ich zu diesem Zeitpunkt noch ziemliche Schwierigkeiten hatte, eine längere Konversation auf Spanisch zu führen, waren wir beide zu Beginn ein wenig verhalten. Innerhalb kürzester Zeit jedoch, hatten wir einen Draht zueinander gefunden und begannen uns über alles Mögliche zu unterhalten. Bevor ich mir überhaupt Gedanken darüber machen konnte, ob es nun schwierig ist, sich in eine neue Gastfamilie einzuleben, war ich, ehe ich mich versah, bereits mitten drin. Meine neue Gastmutter, deren Ehemann vor vier Jahren verstorben war, ist 60 Jahre alt und lebte im selben Ort, nicht weit von unserer Arbeit. Ihre beiden Kinder, eine Tochter (Natalia, 32) und ein Sohn (Gabriel, 26) lebten zwar nicht mehr bei ihr im Haus aber in den Nachbarorten und waren bei uns sehr häufig zu Hause zu Gast. Wenn die Beiden nicht einfach so zum „cafesito“ mit dem Ehemann bzw. der Ehefrau vorbeigekommen sind, hat Natalia häufig ihren zweijährigen Sohn (Nicolas) vorbeigebracht, auf den aufgepasst werden musste.

Meine Gastmutter hat drei Geschwister, die sich abwechselnd um ihre 84-jährige Mutter kümmern. Da diese in dem eine Stunde entferntem Tibas lebt, war es zuerst geplant, dass ich eben deshalb nur so lange bleiben sollte, bis AFS eine Gastfamilie für mich gefunden hatte. Nach der zweiten Woche aber meinte einer ihrer Brüder, ob es nicht möglich wäre, dass deren Mutter für die Tage an denen Cris dran war, einfach zu ihr nach Trés Rios kommen könnte und ich so noch ein bisschen länger bei ihr bleiben könnte. Da wir uns so gut verstanden haben, ich mich bei ihr sehr wohl gefühlt habe und es auch für AFS vor Ort schwierig war, so kurzfristig eine neue Gastfamilie zu finden, probierten wir es einfach aus. Die nächsten zwei Wochen wurden demnach als „Testphase“ genutzt und ehe ich mich versah, war ich bereits als festes Familienmitglied überall mit eingeplant.

AFS-Freiwillige Amalia mit ihrer Gastschwester beim Billiardspielen

Ein weiterer Wechsel wäre undenkbar gewesen, da ich mich auch mit meinen Gastgeschwistern so gut verstand, dass ihre Besuche immer häufiger wurden. Ich hatte irgendwann das Gefühl, dass sie mich fast schon als kleines Geschwisterchen akzeptiert hatten. Die Zeit verging wie im Flug und ohne es so richtig zu bemerken, war ich zwei Monate in der neuen Gastfamilie gewesen, als sich meine Kontaktperson meldete und nachfragte, wie denn alles so lief. Nach einem kurzen Gespräch mit meiner Gastmutter, beschloss sie kurzerhand, dass ich doch einfach bis zum Ende des Jahres bei ihr bleiben sollte. Ich konnte mein Glück kaum fassen, da ich mich zwar bis zu diesem Zeitpunkt mehr als wohl gefühlt hatte, jedoch immer im Hinterkopf behalten musste, dass ich jeden Augenblick einen Anruf von meiner Kontaktperson erhalten könnte und die Familie verlassen müsste. So jedoch spielte sich ein Familienalltag ein, in dem ich mich mehr als wohl fühlte. Wir fuhren nun gemeinsam zur Arbeit, machten Ausflüge mit der Familie und ich konnte von ihr viele typische „Tico-Rezepte“ lernen, da wir zum cafesito unglaublich häufig Leute zu Gast hatten.

Ich kann noch heute beim Reflektieren dieses Aufeinandertreffens mein Glück nicht fassen und meine Dankbarkeit kaum beschreiben. Meine Gastmutter meinte, dass es Schicksal gewesen sei, dass wir uns ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt und unter diesen Umständen getroffen hatten. Wie auch immer dies zustande gekommen war, ich bin sehr froh, dass es so gewesen ist und hoffe, dass sich der Kontakt weiterhin noch lange hält.

Betreuung durch AFS

Mir und den anderen Freiwilligen in meinem Ort wurden jeweils eine Kontaktperson aus unserem AFS-Komitee zugeteilt, an die wir uns bei Fragen wenden konnten. Meine Kontaktperson war Josué, ein Student, ebenfalls aus Trés Ríos, der in derselben Straße wie meine erste Gastfamilie wohnte. Er erkundigte sich in regelmäßigen Abständen nach mir und auch bei Problemen konnte ich mich an ihn wenden. Den exakten Betrag des Busgeldes zur Arbeit konnte ich monatlich auf ein Formular notieren und bei ihm abgeben. Er kümmerte sich dann bei dem Finanzbeauftragten in Trés Rìos um die Fahrtkostenerstattung.
Ich bin allgemein mit der Betreuung durch AFS zufrieden. Glücklicherweise verlief mein Jahr jedoch auch ohne größere Probleme.

IJFD AFS Freiwilligendienst in Costa Rica

Da ich mit dem Konzept und dem Inhalt der Vorbereitungsseminare in Deutschland ausgesprochen zufrieden bin und diese meine Erwartungen wirklich übertroffen haben, hatte ich mir bei dem ersten Kontakt mit AFS Costa Rica vorgenommen, meine Erwartungen nicht ganz so hoch zu halten. Doch auch bei den ersten Seminaren in San José fühlte ich mich wirklich nicht nur vorbereitet, sondern auch gut betreut. Auch die zehn Tage, die wir auf der Finca la Flor in Paraiso, Cartago verbrachten, waren wirklich lehrreich, hilfreich und sehr stärkend was die Gruppendynamik anbelangte. Des Weiteren wurde mir in meinem Ort eine Kontaktperson zugewiesen, an die ich mich zu jedem Zeitpunkt hätte wenden können und ich fühlte mich deshalb gut aufgehoben.

AFSerinnen und AFSer beim Ausflug zu einer Schiffsbibliothek

Es gibt an den Seminaren und Ausflügen kaum etwas zu bemängeln, da alle wirklich interessant und aufregend gestaltet wurden. Jedoch ist mir aufgefallen, dass die Seminare sehr häufig gegen Mitte bzw. Ende des Jahres Themen beinhalteten, die ich eher bei der Vorbereitung für sinnvoll gehalten hätte. Es fiel mir in so mancher Diskussionsrunde schwer mich einzubringen, da ich die Thematik hin und wieder nicht unserem Stand der Jahreserfahrung entsprechend fand. Allgemein haben mir besonders die Ausflüge und das Wiedersehen mit allen Gruppenmitgliedern sehr gut gefallen.

Wie bereits erwähnt, hatte ich zu meiner Kontaktperson, die den ersten Ansprechpartner für mich in Costa Rica darstellte, ein gutes Verhältnis. Er war bzw. ist Student und hatte zwar sehr häufig Lernphasen, in denen er nicht mehr so regelmäßig Zeit für mich hatte, hat aber alles in seiner Macht stehende getan, um sich diese Zeit zu verschaffen. In Costa Rica dauern bürokratische Prozesse hin und wieder ein wenig länger als wir es nach deutschen Standards gewohnt sind. In Bezug auf den Wechsel der Gastfamilie hatte ich leider bis zu dem Abend meiner Rückreise aus Deutschland nach Costa Rica keine Nachricht erhalten, wo es denn zu diesem Zeitpunkt für mich hingehen sollte. Kurzfristig haben meine Kontaktperson und ich dann erst einmal entschieden, dass ich zu ihm fahren sollte, und wir alle weiteren Entscheidungen dann am nächsten Tag treffen sollten. Bereits der nächste Tag brachte dann die ersehnte Lösung und ich zog bei der Buchhalterin meines Projektes ein.

Wenn ich eine Sache während meines Freiwilligendienstes gelernt habe, dann ist es, dass es immer eine Lösung gibt. Vielleicht ist es eine völlig unerwartete oder gar erst eine, der man zuvor abgeneigt war, doch das Leben geht wirklich immer weiter. Man muss nur nach vorne schauen und optimistisch bleiben, denn Geschehenes kann nicht ungeschehen gemacht werden.

Sprache und Kommunikation

In meinem Projekt wurde ausschließlich Spanisch gesprochen, was zu Beginn eine echte Herausforderung darstellte. Mit meinem Schulspanisch waren zwar gewisse Grundkenntnisse vorhanden, doch in einen tatsächlichen Arbeitstag geworfen zu werden, ist eine völlig andere Art des Lernens. Am Anfang meiner Zeit wurden mir hauptsächlich assistierende Aufgaben zugeteilt, bei denen ich, zu meinem Glück, beim Zuhören erst einmal ein Gefühl für die Sprache, die Laute und die „Wortspiele“ bekommen konnte. Da man sich jedoch natürlich auch verständigen muss und die Kommunikation doch ein sehr großer Teil meiner Arbeit im Projekt war, musste das Auditive schnell ins Verbale umgesetzt werden.

Zu Beginn meiner Zeit in Costa Rica stellte ich fest, dass ich abends immer so unglaublich müde war und mich nach 20:00 Uhr kaum noch auf den Beinen halten konnte. Eine Weile grübelte ich darüber nach, woher diese starke Müdigkeit denn kam, doch die Antwort war schnell gefunden. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich in den ersten Monaten bei jedem Mal, wenn ich sprach, meine Worte aus dem Deutschen oder Englischen ins Spanische übersetzt habe. Da dies unerwartet viel Energie kostet, und wenn man dies wirklich einen ganzen Tag macht, ist die Müdigkeit am Abend sehr groß und der Energiepegel doch eher niedrig.

Nach und nach konnte ich feststellen, wie sich mein Wortschatz nahezu von alleine erweiterte und auch Phrasen, die im Alltag benutzt werden, sich vernetzten zu einem tatsächlichen Sprachbild. Dies geschieht erstaunlicherweise so unbewusst, dass ich das abendliche Grammatiklernen schnell gelassen habe und mich auf mein Sprachverständnis verlassen und konzentriert habe. So entwickelten sich nach und nach Sprachkenntnisse auf einem Niveau des flüssigen Sprechens ohne nachdenken. Nachdem ich feststellen konnte, dass ich bei Aussagen kaum noch auf grammatische Konstellationen achten musste, konnte ich mich auf die Aussprache und Artikulation konzentrieren. Noch immer habe ich nicht ausgelernt, ich kann es jedoch kaum erwarten, wieder in Costa Rica zu sein und meine Fähigkeiten weiter auszubauen.

In den ersten drei Monaten fiel mir die Verständigung im Alltag noch recht schwer und alleine der Gang zum Supermarkt oder sonstige Erledigungen, die eine kurze Konversation erforderten, gingen mir nicht leicht von der Hand. Da mein Gegenüber fast jedes Mal bereits nach dem ersten von mir ausgesprochenem Satz bemerkte, dass ich mit der Sprache Schwierigkeiten hatte, war die Reaktion fast immer überaus freundlich, da bereits der Versuch, die Landessprache zu sprechen, sehr gerne gesehen wurde. Nach der fast immer darauffolgenden Frage, wie lange ich denn schon im Land war, erhielt ich häufig ein Lob dafür, wie gut ich bereits die Sprache nach so geringer Zeit spreche. Dies nahm mit zunehmender Aufenthaltszeit und mit dem Ausbau meiner Sprachfähigkeiten jedoch ab. Ab dem Zeitpunkt, an dem ich bemerkte, dass bei ganz kurzen Sätzen, vielleicht auch wegen meines Aussehens, kein Verdacht einer ausländischen Staatsangehörigkeit geschöpft wurde, war ich einem meiner Ziele schon ein ganzes Stück näher gekommen.

Globales Lernen und Entwicklungspolitik

AFS-Freiwillige Amalia mit anderen Gästen auf der Hochzeit ihres Gastbruders

Natürlich spielte sowohl bei den Vorbereitungsseminaren als auch während den persönlichen Vorbereitungen das Thema „globales Lernen“ eine große Rolle. Im Grunde genommen ist dies ja schließlich einer der Hauptgründe unserer Ausreise und der Sinn der ganzen Erfahrung. Bei diesem Thema hat die Vorbereitung tatsächlich großer Signifikanz. Es ist meiner Meinung nach jedoch nur ein Viertel der tatsächlichen Erfahrung. Globales Lernen bedeutet für mich andere Kulturen, Sitten und Bräuche zu erleben bzw. zu verstehen und unvoreingenommen an Heterogenität heranzugehen. Die Gewohnheiten anderer Umfelder sind nicht in kurzer Zeit oder schnell zu verstehen. Es braucht eine gewisse Eingewöhnungsphase und ein Erleben und Ein-tauchen in der Kultur, um dann nach und nach ein Verständnis für die gegebenenfalls ungewohnten Bräuche zu entwickeln. Diese Art des Lernens ist keines, welches man in der Schule erlernt, sondern eine ganz neue Möglichkeit, Dinge zu speichern und einen völlig anderen Blickwinkel auf das Leben zu werfen. Deshalb ist globales Lernen zwar ein Thema, das uns alle betrifft, jedoch von jedem Einzelnen persönlich ausgehen muss. Mir persönlich bedeutet es sehr viel, von den unterschiedlichsten Menschen zu lernen, und ich glaube, dass nur so eine Entwicklung stattfinden kann.

Weitergabe meiner Erfahrungen

Ich kann jedem, der in Erwägung zieht, einen Freiwilligen Sozialdienst im Ausland zu machen, nur dazu raten. Zusammenfassend war das vergangene Jahr ein wahnsinnig lehrreichendes Jahr, das mir die Möglichkeit gegeben hat, eine andere Sichtweise auf Dinge zu erhalten. Natürlich besteht nicht für jeden die Möglichkeit, für ein Jahr ins Ausland zu gehen, jedoch sollte deshalb eine Möglichkeit gefunden werden, die erlebten Erfahrungen hier in Deutschland weitergeben zu können. Meiner Meinung nach ist der beste Anfang dafür, schlicht und einfach ein Vorbild zu sein. Gegenseitiges Verständnis und persönliche Zufriedenheit sind ein sehr guter Anfang für ein besseres Miteinander.

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