Clara, Südafrika, 2017, weltwärts:

Clara hat ihren Freiwilligendienst in Südafrika mit AFS und dem weltwärts-Programm gemacht. Sie hat Schülerinnen und Schüler begleitet und eine Schulbibliothek aufgebaut. Über ihre Erfahrungen und Eindrücke berichtet sie hier.

Am Anfang meiner Zeit in Südafrika war vieles sehr neu und ungewohnt. Es waren Dinge, bei denen ich in Deutschland auch nie daran gedacht hätte, dass diese in anderen Kulturen und Ländern anders sein könnten. Klar, dass das Essen anders wird, habe ich vor meiner Abreise aus Deutschland schon erwartet. Aber dass Begrüßungen und menschliches Verhalten anders sind und es andere Höflichkeiten gibt, darüber habe ich nicht viel nachgedacht. Ich glaube, das, was anfangs für mich mit am schwierigsten war, war, dass ich aufgrund meiner Hautfarbe und meiner Herkunft eigentlich immer im Mittelpunkt stand.

Mein südafrikanisches Umfeld

Ich war in Lebowakgomo zu Hause, einem Township in der Provinz Limpopo, eine Autostunde von Polokwane, der Hauptstadt Limpopos, entfernt. In den Townships lebt ausschließlich die schwarze Bevölkerung Südafrikas. Diese Strukturen, die nicht nur im Wohnraum vertreten sind, sind immer noch Nachwirkungen der Apartheidspolitik. So habe ich wegen meines Aussehens oft die Aufmerksamkeit auf mich gezogen. Mir wurde sehr viel Beachtung geschenkt, was mir am Anfang und auch immer wieder in meiner Zeit in Südafrika unangenehm war. Trotzdem hat sich in der Hinsicht auch viel verändert. Es war ein total schönes Gefühl für mich, dass die Leute mich in meinem Umfeld nach einiger Zeit kannten, es als ganz selbstverständlich angesehen haben, dass ich da war, und viele Gespräche dann auch über ein „Hello, how are you? And where are you from?“ hinaus gingen.

Viele Südafrikaner/innen sind mir extrem interessiert, hilfsbereit, offen und freundlich gegenüber getreten. Es wird bei der Begrüßung immer auch nach dem Befinden des/der anderen gefragt. Wenn ich mal nicht wusste, wo ich aus dem Minibustaxi aussteigen musste, haben mir andere Mitfahrer/innen oder der Fahrer geholfen. Wege wurden mir teilweise nicht nur erklärt, sondern auch gezeigt, das heißt, viele sind auch einfach kurz mitgekommen und haben mich begleitet. Außerdem fand ich es super schön, mich mal nicht so anonym zu bewegen. Vieles war persönlicher, wie z.B. einkaufen oder Minibustaxifahren. Man kannte die Shopbesitzer bei uns um die Ecke, manche Minibustaxifahrer, die Gruppe am Taxistand, ein paar Schulkinder, denen man jeden Morgen begegnet ist, und viele Leute in der Umgebung.

Als etwas schwierig hat sich das Kontaktfinden zu Gleichaltrigen herausgestellt. Da es in Lebowakgomo keine Universität gab, sind dort viele junge Leute nach ihrem Schulabschluss weggegangen. Anfangs war ich ein wenig enttäuscht darüber, so wenig Kontakt zu Gleichaltrigen zu haben. Doch einsam habe ich mich nie gefühlt. Ich hatte eine wunderbare Gastfamilie, die mich sehr lieb aufgenommen hat. Besonders mit meiner 10-jährigen Gastschwester Tebo habe ich mich super verstanden und wir haben eine enge Beziehung zueinander aufbauen können. In meiner Freizeit war ich unter der Woche regelmäßig beim Netballtraining, was eine gute Möglichkeit war, mit anderen in Kontakt zu kommen und die Gegend besser kennenzulernen. Zudem haben wir viel zusammen mit Kindern und Jugendlichen aus der Umgebung auf der Straße Fußball gespielt und uns heiße Duelle (South Africa vs. Germany) geliefert. Freunde und andere liebe Menschen hatte ich immer um mich herum, wenn auch nicht welche in gleichem Alter.

Meine Einsatzstelle

Mein Arbeitsplatz war die Sefalaolo Primary School, eine Grundschule im Dorf Seleteng, ca. 20 Minuten mit dem Auto von Lebowakgomo entfernt. Zur Schule hat Ranky, eine Lehrerin von meiner Schule, mich mit ihrem Auto mitgenommen. In der Schule wurde ich von allen wirklich super herzlich aufgenommen und willkommen geheißen. Gleichzeitig habe ich mich am Anfang auch etwas verloren gefühlt, weil ich nicht wusste, wie die Dinge laufen, was meine Rolle ist und was eigentlich meine Aufgaben sind. Mit der Zeit habe ich dann das System, wie die Lehrer/innen, die Schüler/innen und die anderen Mitarbeiter/innen zusammenarbeiten, auch verstanden.

Meine Rolle zu finden war durchaus schwieriger, auch weil ich die erste Freiwillige im Projekt war. Ich war immer irgendetwas zwischen Lehrerin, sesi (=Schwester) und Freundin. Dadurch, dass ich „nur“ ab und zu eine Unterrichtseinheit mitgestaltet habe und keine Autoritätsperson war, sondern auch mit den Kindern gespielt, gequatscht oder gemalt habe, war es schwierig für mich, in der Klasse für Ruhe zu sorgen. Auch hatte ich keine bestimmten Aufgaben, was einerseits nicht leicht war, weil ich mich überall selbst einbringen musste und mir keiner gesagt hat, was ich machen soll.

Andererseits gab es mir die große Freiheit, Dinge selbst auf die Beine zu stellen, wie z.B. die kleine Bibliothek, die ich zusammen mit den Kindern aufgebaut habe. Dieses Projekt hat mir auch den Raum gegeben, den Kindern nochmal auf einer anderen Ebene zu begegnen, als nur im Klassenzimmer oder im Büro. An der Grundschule sind jetzt auch zwei neue Freiwillige, die die Bibliothek weiterführen.

Während meiner Arbeitszeit habe ich mich auch mal gelangweilt, oder weniger gemacht, einfach weil vor allem zum Ende des „Terms“ die wenigsten Lehrer/innen noch Unterricht gemacht haben. Oft haben ich und andere Lehrer/innen dann zusammen gegessen und geschnackt, oder ich habe mit den Kindern Netball gespielt. Meine Arbeitszeit hat sich auf sieben Stunden am Tag beschränkt. Am Wochenende habe ich nicht gearbeitet. Auch hatte ich in den Schulferien frei.

Meine Gastfamilie

Das Einleben hat sich für mich sehr einfach gestaltet, da meine Gastfamilie sehr herzlich und liebevoll war. Zudem hat es mich gefreut, dass ich eine Gastschwester hatte, mit der ich mich auch sehr gut verstanden habe. Dennoch gab es ein paar Schwierigkeiten, die mich aber sehr viel gelehrt haben. Zum einen konnte ich mich anfänglich kaum oder fast gar nicht mit meiner Gastmutter verständigen, da ich kein Wort Sepedi konnte und sie nur sehr gebrochenes Englisch. Mit der Zeit konnten wir aber immer besser kommunizieren. Das hat mir aber auch nochmal gezeigt, wie wenig Sprache es braucht, um zu kommunizieren, und dass man trotzdem mit jemandem sehr gut auskommen kann, auch wenn man nicht die gleiche Sprache spricht.

Zum anderen hat mich am Anfang sehr die Rolle meines Gastvaters gestört. Er hat nicht unbedingt einem feministischen Idealbild von Gleichstellung entsprochen. Meine Gastmutter, meine Gastschwester und ich haben oft gekocht, Teller abgewaschen oder das Haus geputzt, wovon mein Gastvater nichts gemacht hat. Auch haben wir ihm viel „hinterhergeputzt“, wenn er mit seinen Schuhen durch das Haus gelaufen ist oder beim Essen etwas fallen gelassen hat. Ich brauchte Zeit, bis ich verstand, dass es das südafrikanische Rollenbild des Mannes ist, welches er einnimmt, und nicht, dass er persönlich sich in meinen Augen „respektlos und rücksichtslos“ verhält. Es ist also ein wesentlicher kultureller Unterschied, den ich aus meinen Augen natürlich immer bewerte, der aber einfach eben so ist, wie er ist. Denn Kulturen zu bewerten ist falsch, auch wenn ich den Traum meiner Gastschwester befürworte („In the future, I want a man, who is going to clean as well.“).

Mein Gastvater will stets das Beste für seine Kinder und Mitmenschen und hat mich als Teil der Familie gesehen. Zudem hat er mir extrem viele Freiheiten gegeben, sodass ich am Wochenende auch mal zu Lara und Charly, anderen Freiwilligen, nach Polokwane fahren durfte. Und auch sie durften mich jederzeit besuchen, das Haus meiner Gasteltern stand für sie immer offen. Dafür war ich meiner Gastfamilie auch sehr dankbar, weil es super bereichernd war, sich immer mal wieder mit Lara und Charly auszutauschen und mit ihnen Zeit zu verbringen. Wir haben auch immer wieder gesagt, was für ein Glück wir haben, dass wir uns so oft besuchen konnten. Lara hatte keine Gastfamilie, sondern war im Projekt untergebracht, was für sie die Gelegenheit mit sich brachte, in meiner Familie viel Kultur und das Leben im Township mitzubekommen. Gleichzeitig hatte ich die Möglichkeit, bei Lara in Polokwane mal etwas Privatsphäre zu bekommen, nicht ständig sauber machen zu müssen und das Leben in einer Stadt (auch wenn Polokwane keine besonders große Stadt ist) kennenzulernen.

Betreuung durch AFS

Ich hatte während meiner Zeit in Südafrika keine wirklichen Probleme oder Konflikte. Ein oder zwei Mal ist es vorgekommen, dass ich den Abwasch nicht gemacht hatte und meine Gastmama es von mir erwartet hatte, da sie arbeiten war. Das waren Kleinigkeiten. Dabei habe ich einen weiteren kulturellen Unterschied festgestellt. Ich war es gewohnt, bei solchen Konflikten das Thema anzusprechen, sich zusammen zu setzen, nüchtern zu verhandeln und das Problem dann bestenfalls aus der Welt zu schaffen. In Südafrika habe ich die Erfahrung gemacht, dass Probleme eher nicht klar besprochen werden. Dadurch habe ich viel aus Emotionen herauslesen und auch mal über meinen eigenen Schatten springen müssen, um non-verbale Kompromisse einzugehen.

AFS Südafrika hat sich, wie ich es empfunden habe, sehr bemüht. Trotzdessen gab es viel Verwirrung oder manchmal keine konkreten Informationen. Ich glaube, dass das einerseits auch an der Kultur liegt, dass vieles nach dem Motto „wird schon“ läuft. Es wird auch schon immer, nur musste man sich erst mal an das geltende Motto und diese Lebenseinstellung gewöhnen. Meine Erfahrungen sind also positiv, auch wenn ich in dem Sinne nicht viel „Betreuung“ brauchte. Was ich an dieser Stelle loswerden will, ist, dass ich es wahnsinnig bemerkenswert finde, dass in einem Land wie Südafrika, Menschen ehrenamtlich arbeiten und sich sehr ins Zeug legen, dafür, dass es uns Freiwilligen gut geht.

Auch mit AFS Deutschland habe ich nur positive Erfahrungen gemacht. Ich fand es gut, dass mir klare und zielgerichtete Informationen zugestellt wurden und ich immer freundliche Ansprechpartner hatte. Vor den Vorbereitungsseminaren in Deutschland war mir die Wichtigkeit derer nicht wirklich bewusst. Als ich an ihnen teilgenommen habe, war ich sehr froh, dass sie zum Programm dazu gehören. Ich habe dadurch nicht nur eine gute Vorbereitung auf Südafrika, sondern auch Einblick in Themen bekommen, die mich das ganze Leben beschäftigen werden. Und auch das Nachbereitungsseminar war wichtig, um die gemachten Erfahrungen richtig einzuordnen und vieles zu reflektieren.

Sprache und Kommunikation

Ich habe mich vorwiegend auf Englisch mit Leuten aus meinem Umfeld verständigt. Ich habe es, meiner Ansicht nach, sehr verbessern können, weil ich im Sprechen viel sicherer geworden bin und einzelne Vokabeln, nachdem ich sie nachgeschlagen habe, direkt anwenden konnte. In Sepedi, der Muttersprache meiner Gastfamilie und fast aller Menschen aus meinem Umfeld, habe ich die Begrüßung und ein paar grundlegende Sätze, Fragen und Aussagen gelernt. Darauf haben viele Menschen sehr positiv reagiert. Und grundsätzlich bin ich mit Englisch immer weit gekommen.

Globales Lernen und Entwicklungspolitik

Globales Lernen bedeutet für mich „über den Tellerrand zu blicken“ und neue Eindrücke von Werten, Traditionen und Menschen zu gewinnen. Es geht um ein voneinander-Lernen und nicht um Bewertung. Kulturen und Länder sind so unterschiedlich, manche Vorstellungen von menschlichem Verhalten widersprechen sich komplett. Und trotzdem geht es darum, einen Weg zu finden, MITEINANDER auszukommen und nicht bestimmte Dinge gleich mit gut oder schlecht zu betiteln. Globales Lernen bedeutet für mich auch, nicht alles einfach so mitzumachen, nur weil es von vielen Menschen in einer jeweiligen Kultur gemacht wird. Es ist wichtig, die Dinge auch zu hinterfragen und zu diskutieren. Dafür müssen wir aufeinander zugehen und Fragen stellen. Viele Länder haben mehr zu bieten und es gibt so viel mehr zu entdecken, als es in den Medien oftmals dargestellt wird.

Über Entwicklungszusammenarbeit habe ich gelernt, dass es wirklich um eine Zusammenarbeit geht. Und Zusammenarbeit bedeutet für mich, dass beide Länder zusammen an einer Lösung für ein Problem arbeiten. Es müssen Strategien auf Basis beider Wertekulturen ausgearbeitet werden.
Ich glaube, dass ich in erster Linie meine Erfahrungen in Gesprächen mit Freunden, Verwandten und Bekannten weitergeben werde. Auch habe ich vor, Lehramt zu studieren und mein Wunsch wäre es, da ich das selbst als Schülerin vermisst habe, über Themen, wie Rassismus, Eurozentrismus und Sexismus aufzuklären.

Ich weiß nicht genau, wo ich das hinschreiben kann, deswegen kommt das jetzt an diese Stelle. Ich finde es wirklich großartig, dass es solche Programme wie weltwärts gibt. Ich habe in diesem für mich wundervollen Jahr so viele inspirierende Menschen kennenlernen dürfen, mich selber weiterentwickeln und eine große Liebe zu Südafrika aufbauen können. Mir bleiben so tolle Erinnerungen an die lieben Menschen, an die Atmosphäre in meinem Projekt und an viel Lachen.
Danke weltwärts und AFS!

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