Hannah, Panama, 2017, weltwärts:

Hannah hat ihren weltwärts-Freiwilligendienst mit AFS in Panama geleistet. Sie hat nach einem Projektwechsel als Lehrassistentin an einer Grundschule geholfen. Über ihre Eindrücke und Erfahrungen schreibt sie in ihrem Erfahrungsbericht.

Land und Leute in Panama

Als ich mich für einen weltwärts-Freiwilligendienst beworben habe, war mir klar, dass das Leben in Panama sehr anders sein wird als das Leben in Deutschland – und gerade das erschien mir reizvoll. Auf gerade diese Erfahrungen war ich gespannt. Dass mir der Umgang mit den kulturellen Unterschieden so schwer fallen würde, war mir zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht bewusst. Der Begriff Kultur umfasst viel mehr Bereiche, nimmt ein viel größeres Ausmaß an, als ich mir zu diesem Zeitpunkt vorstellen konnte. Ich hatte gehört, dass die Leute in Panama entspannter sind, dass sie viel Reis essen und, dass sie viel indirekt kommunizieren.

Wie „weit“ dieses Entspanntsein, Reisessen und indirekte Kommunizieren jedoch geht und wie viel es wirklich bedeutet, das wurde mir erst wirklich in Panama bewusst, und zwar von Woche zu Woche und Monat zu Monat immer stärker. Es bedeutet zum Beispiel, dass der Sportlehrer eben mal einfach einen Tag nur rumsitzt, weil er gerade keine Lust auf Unterrichten hat; es bedeutet, dass man Reis auch mit Nudeln zusammen isst; und es bedeutet, dass man, wenn man Pech hat, nie erfährt, wenn man etwas regelmäßig falsch macht. Tatsächlich fiel mir das ganze Jahr über immer wieder neue Dinge an der Kultur auf.

Öffentliche Veranstaltungen gehen meist erst ein oder zwei Stunden später los. Panameños finden es sehr wichtig, im Bus vorne zu sitzen. Es ist respektlos nachzufragen und kritisch zu hinterfragen. Statt Duschgel benutzen Panameños Seife. Bei jeder noch so kleinen Minikrankheit wird zum Arzt gegangen. Laufen und Fahrradfahren sind nicht sehr beliebt, selbst kleine Strecken werden mit Taxi, Bus oder Auto bewältigt. Weg- und Zeitangaben werden sehr schwammig formuliert. Es wird wenig gespart, selbst, wenn genug Geld zum Sparen da wäre. Es wird sehr viel Fleisch gegessen und sehr fettig gekocht. Es wird wenig kommuniziert. Es wird nicht gemeinsam gegessen.

All das sind natürlich Verallgemeinerungen, die nicht auf alle Panameños zutreffen und mit der deutschen Kultur im Verhältnis stehen, denn im Prinzip sind sie keine neutralen Beobachtungen, sondern Vergleiche. Unterschiede fallen einem viel öfter auf. Vielleicht weil Gemeinsamkeiten als selbstverständlich angesehen werden. Wenn ich jedoch über Gemeinsamkeiten nachdenke, fallen mir immer direkt dazu detaillierte Unterschiede auf, z.B. in beiden Ländern hören viele Menschen gerne Musik, in Panama wird jedoch viel mehr Musik gehört und fast nur spanische Musik. In beiden Ländern gibt es arme und reiche Menschen, in Panama jedoch mehr arme, als in Deutschland und die Schere zwischen Arm und Reich geht weiter auseinander. In beiden Ländern isst man drei Mahlzeiten am Tag, in Panama isst man jedoch mehr warme Mahlzeiten als in Deutschland.

Die Kultur in Panama unterscheidet sich sehr stark von der deutschen Kultur. Besonders schwer fiel es mir, mit der anderen Art der Kommunikation umzugehen. Daran konnte und wollte ich mich einfach nicht gewöhnen. Andere Dinge sind jedoch total normal geworden, wie z.B. fremde Menschen zu grüßen oder zu Verabredungen zu spät zu kommen.

Arbeitsplatz beim weltwärts-Freiwilligendienst

Hannah war in Panama mit dem AFS Freiwilligendienst

Ich habe nach zwei Monaten mein Projekt gewechselt. Am Anfang habe ich in einer Art Hort gearbeitet. Ich bin mit dem Bus oder Taxi (gleicher Preis) zur Arbeit gefahren und habe dafür etwa 20 Minuten benötigt. Meine Arbeitszeiten waren Montag bis Freitag von 8-16 Uhr. Ich konnte mir eine Stunde Mittagspause nehmen. Ab und zu gab es Wochenendveranstaltungen, an denen freiwillig teilgenommen werden konnte. Ich habe mich in dieser Arbeitsstelle unterfordert gefühlt und oft gelangweilt, da es kaum möglich war, eigene Projekte umzusetzen oder bei Projekten mitzuhelfen, da diese kaum vorhanden waren. Manchmal gab es Tage an denen ich mehr geputzt und abgewaschen, als etwas mit den Kindern gemacht habe. Leider war die Chefin nicht sehr offen, was eigene Ideen angeht, weshalb ich sehr froh war, als ich mein Projekt wechseln konnte.

Ich habe danach in einer öffentlichen Grundschule von Montag bis Freitag gearbeitet. Mein Arbeitsweg war nun ein bisschen länger, etwa 30 Minuten. Ich musste 6:45 Uhr da sein, der Unterricht ging bis 12:45 Uhr. Manchmal habe ich danach noch im Sekretariat geholfen. Am Wochenende war die Schule geschlossen, in den Ferien im Prinzip auch, allerdings durfte ich zwei Mal einen Ferienkurs mitgestalten, was mir sehr viel Spaß gemacht hat.

Ich unterstützte die Lehrerinnen und Lehrer vor allem in den Fächern Sport und Englisch. Da es die jüngsten Klassen waren, bestand meine Aufgabe darin ihnen spielerisch Freude an der Bewegung mit zu vermitteln. So spielten wir z.B. Kreidekästchen oder Autoreifenhüpfen. Ich habe mich in meinem zweiten Projekt zwar in manchen Situationen ein bisschen überfordert gefühlt, da ich auf meine Aufgaben nicht gut vorbereitet wurde und oft auf mich selbst gestellt war, habe aber gemerkt, dass mir das deutlich lieber ist als Unterforderung und Langweile.

Ein weiteres Projekt, was ich selbstständig ins Leben gerufen habe, war Deutschunterricht. Da vonseiten der Kinder großes Interesse an Deutschland da war und sie mir immer wieder Fragen stellten, fragte ich zum Schuljahreswechsel die Direktorin und stellvertretende Direktorin, was sie davon hielten, wenn ich Deutsch unterrichten würde. Da sie die Idee super fanden, durfte ich in der zweiten Hälfte meines FSJs alle 1.-6. Klassen in Deutsch unterrichten. Hierbei hab ich mich vor allem auf kulturelle Unterschiede konzentriert und weniger auf die Sprache. Themen wie „Die vier Jahreszeiten“ oder „Was isst man in Deutschland“ kamen bei den Kindern besonders gut an.

Außerdem hatte ich mir viele große Aufgaben ja selber gesucht und hätte jederzeit ein bisschen „zurückschrauben“ können, wenn es mir viel zu viel geworden wäre. In meiner Grundschule habe ich mich sehr wohl gefühlt und war unglaublich froh darüber, mich kreativ ausleben zu können. Schön war auch, dass meine Hilfe dankbar angenommen und geschätzt wurde. Ich hätte tatsächlich kein Projekt meiner Mitfreiwilligen lieber gehabt, sondern war superdankbar für mein tolles Projekt!

Meine Gastfamilien in Panama

Ich habe während meines Auslandsjahres in drei Familien gelebt. Als ich ankam, war meine Gastfamilie noch im Urlaub und ich lebte für ein paar Tage bei meiner AFS-Verantwortlichen und ihrem Ehemann. Ich wurde mit offenen Armen empfangen. Am ersten Tag sind wir durch den Ort gefahren und waren gemeinsam im Restaurant essen. Ich war gespannt auf meine richtige Gastfamilie, aber auch ein bisschen traurig, als ich das herzliche Ehepaar schon verlassen musste.

Meine Gastfamilie bestand eigentlich nur aus meiner Gastmama, da sie geschieden war und ihre Kinder bereits ausgezogen waren. Mit meinem großen Gastbruder hab ich aber auch ab und zu etwas unternommen. Ich war ziemlich auf mich selbst gestellt, hatte das Gefühl, dass meine Gastmama unsere Beziehung eher wie eine Art WG-Beziehung ansah. „Du hast dein Leben und ich hab mein Leben“, sagte sie nach ein paar Wochen zu mir und so war es auch. Sie machte ihr Ding und ich musste wohl oder übel meins machen: für mich selbst kochen, mich selbst um Unternehmungen kümmern, selbst mit meinen Problemen klarkommen.

Gut war, dass es voll okay war, wenn ich viel weg war, ich hatte meinen eigenen Schlüssel und sie war sowieso wenig zuhause und mitnehmen wollte sie mich auch wenig. Irgendwann erfuhr ich von meiner AFS-Verantwortlichen, dass ich die Gastfamilie wechseln müsse und später, dass meine erste Gastfamilie eigentlich von Anfang an nur als „Notfamilie“ gedacht war, und regelrecht dazu überredet wurde mich aufzunehmen. Nun verstand ich, warum ich mich genauso gefühlt hatte… Aus Übergang lebte ich wieder bei meiner AFS-Verantwortlichen. Ich hab mich dort super wohlgefühlt, wollte aber schon irgendwie gerne eine „richtige“ Gastfamilie haben und als ich merkte, dass AFS keine freien Gastfamilien in meinem Ort hat, hab ich mich selbst auf die Suche gemacht.

Die Familie meiner Freundin nahm mich auf. Ich freute mich riesig und hatte in den ersten Wochen einen sehr guten Eindruck von der Familie. Es wurde sich liebevoll um mich gekümmert und im Dezember fuhren wir sogar gemeinsam für ein paar Tage in den Urlaub. Mein Gastbruder kam von seinem Auslandsjahr aus der Schweiz zurück und wir verstanden uns super gut. Leider verschlechterte sich die Beziehung zu meiner Gastschwester, was dadurch, dass wir uns ein Zimmer und sogar ein Bett teilten, sehr belastend für uns beide war. Insgesamt haben sich die ersten Eindrücke, die ich von der Familie hatte, nicht stark verändert, außer, dass durch kulturelle Unterschiede regelmäßig kleine Konflikte oder Missverständnisse entstanden und sich dadurch die Offenheit und Freude, mit der ich empfangen wurde, nach und nach immer mehr trübte.

Betreuung durch AFS im Freiwilligendienst im Gastland

Erst einmal ein riesengroßes Lob an AFS! Ich war suuuuuuper zufrieden mit AFS, vor allem mit AFS Deutschland. Die Vorbereitungsseminare waren sehr intensiv und gut organisiert. In Panama hatten wir insgesamt vier Seminare, die ganz und gar nicht intensiv und gut organisiert waren, aber dennoch sinnvoll, da man sich im Gastland untereinander immer viel zu erzählen hat, vor allem um festzustellen, ob die eigenen Probleme individuell oder auf die unterschiedlichen Kulturen zurückzuführen sind. Ich habe zwar einige Kritikpunkte bezüglich der Organisation und Struktur von AFS Panama, denke jedoch, dass viele Aspekte kulturell bedingt sind und deshalb nur schwer verbessert werden können.

So hat es uns alle z.B. immer sehr genervt, wenn Seminartermine kurzfristig verschoben wurden oder Regeln während unseres Auslandsaufenthaltes geändert wurden. Außerdem ist AFS Panama viel weniger strukturiert als AFS Deutschland, wodurch es zu einer Überbelastung der lokalen AFS-Verantwortlichen und starker Ungleichheit zwischen den verschiedenen Komitees kommt. So gab es beispielsweise Komitees, die jeden Monat Ausflüge gemacht haben und andere Komitees, die sich während des ganzen Jahres kein einziges Mal getroffen haben.

Jeder Freiwillige hat ganz andere Erfahrungen mit seinem lokalen AFS-Verantwortlichen gemacht. Meine Erfahrungen waren sehr positiv. Mir wurde bei Problemen immer zugehört und relativ schnell geholfen, ich habe zuverlässig meine Fahrtkosten rückerstattet bekommen und wurde regelmäßig gefragt, wie es mir geht. Auch AFS Deutschland hat mich bei Problemen und Sorgen verständnisvoll unterstützt und immer sehr schnell geantwortet. Ich finde super, dass man bei AFS so eine persönliche Beziehung zu vielen Leuten hat und immer irgendwo Hilfe bekommt!

Sprache und Kommunikation in Panama

Als ich in Panama angekommen bin, konnte ich fast kein Wort Spanisch. Meine lokale AFS-Verantwortliche und ihr Mann, bei denen ich die ersten Tage verbracht habe, konnten sehr gut Englisch, was mir den Start erleichtert hat. Trotzdem versuchten sie mir von Anfang an spanische Wörter beizubringen und halfen mir bei verschiedenen Grammatikübungen. Meine erste Gastfamilie konnte kaum Englisch und so haben wir uns viel mit Händen und Füßen verständigt. Ich hatte mein Wörterbuch immer bei mir und so zogen sich selbst kurze Gespräche seeeeeeehr in die Länge.

Leider war meine Gastmutter nicht sehr geduldig und beendete ein Gespräch manchmal einfach, weil sie keine Lust mehr hatte, zu warten. In meinem ersten Projekt wurde ich großartig beim Sprachenlernen unterstützt. Auch wenn ich kaum Spanisch konnte, bestanden sie darauf Spanisch zu sprechen und wichen nur bei extremen Unklarheiten oder einzelnen Wörtern auf Englisch aus. Einige Kollegen konnten gar kein Englisch und unterhielten sich mit Händen und Füßen oder gar nicht mit mir. Ich lernte jedoch schnell dazu, weil ich am Anfang noch keine Hobbys und Freunde hatte und fast jede freie Minute Vokabeln und grammatische Formen auswendig lernte. So konnte ich bereits nach einem Monat einfachen Small Talk führen.

Mein Notizbuch, in das ich täglich neue Vokabeln schrieb, benutzte ich über mehrere Monate hinweg. Nach und nach lernte ich immer schwerere Vokabeln dazu und konnte mich bereits nach drei-vier Monaten an den von meinem Gastvater so sehr geliebten Gesprächen über Gott und die Welt beteiligen. Er hatte im Gegensatz zu meiner ersten Gastmutter sehr viel Geduld und es war ihm ein Vergnügen mir Wörter auf Spanisch zu umschreiben, damit ich neue Vokabeln verstand. Englisch konnte er auch nicht, so fiel die weitaus schnellere Lösung – ins Englische übersetzen – weg. Aus Bequemlichkeit entschieden meine Gastgeschwister und ich uns oft für die schnellere Lösung, da beide sehr gut Englisch und sogar Deutsch konnten. Von Anfang an habe ich selber immer darauf bestanden so viel wie möglich Spanisch zu reden, weil es mir sehr wichtig war und auch gelungen ist, die neue Sprache schnell zu erlernen. Es ist ein total schönes Gefühl jetzt eine mir zuvor fast vollkommen unbekannte Sprache, fließend sprechen zu können.

Globales Lernen und Entwicklungspolitik mit einem Freiwilligendienst

Globales Lernen ist ein sehr großer, weiter Begriff. Er bedeutet für mich, andere Kulturen kennenlernen und zu versuchen sie zu verstehen, also warum denken und handeln die Menschen dort anders, als wir es in Deutschland gewohnt sind? Aber auch wie weit ist es gut, ihnen Denkanstöße aus der deutschen Kultur zu geben und sie zu beeinflussen? Was sind Argumente dafür, Entwicklungsländer sich selbstständig weiterentwickeln zu lassen? Damit verbunden das Verhältnis von Tradition und Modernität: Wie viel Bräuche und traditionelle Werte und Denkweisen sollten erhalten bleiben und wo ist es gut aktiv „altes Denkgut“ aufzubrechen und an moderne Kenntnisse anzupassen?

Eine praktische Frage, die wahrscheinlich jeden weltwärts-Freiwilligen beschäftigt: Wie kann ich die Menschen in meinem Gastland sinnvoll unterstützen? Ich denke, dass viele FSJler, was das betrifft, im Vorfeld zu viel erwarten. Wahrscheinlich fehlt es ihnen an konkreten Vorstellungen und Ideen, wie sie einen Teil dazu beitragen können „die Welt zu retten“. Dass sie die Welt nicht retten werden, dessen sind sie sich wahrscheinlich auch schon vor ihrem Freiwilligendienst bewusst. Aber dass der eben angesprochene Teil, den sie dazu beitragen werden, so verhältnismäßig klein zu der großen Notwendigkeit und Hilfsbedürftigkeit ist, davon sind viele, glaube ich, sehr enttäuscht.

Ich versuche die Erfahrungen, die ich während meines weltwärts-Jahres gemacht habe, mit möglichst vielen Menschen zu teilen, ihnen von den extremen Situationen zu berichten, damit sie den Sinn von entwicklungspolitischem Engagement sehen und sich die praktische Umsetzung konkreter vorstellen können. Ich möchte zukünftige Freiwillige motivieren sich selbst zu fragen, was sie durch ihr FSJ erreichen wollen und was für sie der Sinn ihrer Freiwilligenarbeit ist, um Enttäuschung zu vermeiden oder zumindest einzudämmen.

Ich meine damit jedoch ganz und gar nicht, dass man den Sinn der Freiwilligenarbeit kleinreden sollte. Ich habe in meinem freiwilligen sozialen Jahr geholfen, ein Haus zu bauen für eine Familie in prekären Verhältnissen. In meinem Projekt habe ich mich für unterernährte Kinder eingesetzt und bin liebevoll mit ihnen umgegangen. Ich habe ihren Horizont erweitert, indem ich ihnen neue Sportarten gezeigt habe, die ihnen erst komisch vorkamen und die sie lieben gelernt haben. All das kann man kleinreden. Sollte man aber nicht.

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