Sina, Thailand, 2018, weltwärts

Sina schreibt über ihre Erfahrungen beim Freiwilligendienst in Thailand mit AFS und dem weltwärts-Programm. Sie hat an einer Universität Englisch unterrichtet und so viel mit Gleichaltrigen zu tun gehabt.

Land und Leute

Ich habe in der Stadt Nakhon Ratchasima im Nordosten von Thailand gelebt. Meine Erwartungen waren ganz andere gewesen. Ich hätte gedacht, dass ich im ländlichen Raum leben würde. Nakhon Ratchasima ist die drittgrößte Stadt Thailands und dort leben dementsprechend viele Menschen.  Am Anfang war ich mit den vielen Menschen, dem Verkehrschaos und dem heißem Klima überfordert. Ich bin immer sehr schnell ins Bett gefallen und war tagsüber sehr müde. Es war anstrengend, jeden Tag mit neuen Leuten zu kommunizieren, die ich meist wegen des Akzents schwer verstanden habe. Außerdem habe ich während meiner ersten Woche im Projekt gelebt, weil meine Gastfamilie noch nicht bereit war, mich aufzunehmen. Meine Betreuerin hat mich sehr unterstützt, aber sonst war ich auf mich allein gestellt. Selbst der Weg zum nächsten Supermarkt gestaltete sich als schwierig, da es in Thailand keine Ampeln sondern Überquerungsbrücken gibt, welche ich übersehen hatte.

Trotzdem hatte ich von Anfang an einen positiven Eindruck von Thailand. Das liegt an den vielen netten und gastfreundlichen Menschen, welche ich während meines Jahres kennengelernt habe. Gerade zum Semesterstart gab es viele Aktivitäten an meiner Uni, bei denen ich mit Studenten in Kontakt getreten bin. Somit war das Kontakte knüpfen nicht schwierig und ich habe mich nur selten allein gefühlt. Darüber hinaus lässt es sich in Thailand gut leben, da das Motto „sabai sabai“, was so viel heißt wie „Hab Spaß“, gilt. Egal, was du tust, du sollst dabei immer Spaß haben. Das gilt beim Lernen genauso wie bei der Arbeit.

Mein positiver Eindruck hat sich im Verlauf des  Jahres wenig verändert, doch es gibt durchaus Dinge wie den Plastikkonsum, die Verkehrsbelastung, das indirekte Kritisieren, die fehlende Meinung- und Pressefreiheit, die mich oft gestört haben. Sein eigener Plastikkonsum lässt sich minimieren, aber das politische System beispielsweise lässt sich nicht ändern. Ich habe gelernt, Dinge hinzunehmen und nicht weiter zu hinterfragen oder zu kritisieren, auch wenn sie mich stören.

Viele Dinge waren am Anfang neu  und am Ende „normal“. Dazu zählt das Songteo fahren. Songteos sind kleine Pick-Ups, die das einzige öffentliche Verkehrsmittel in Nakhon Ratchasima darstellen. Es gibt viele verschiedene Nummern, die in verschiedene Richtungen fahren. Am Anfang meines Auslandsaufenthalts bin ich öfter mal in ein falsches Songteo gestiegen und habe vergessen zu drücken, wenn ich aussteigen möchte. Das Benutzen des Songteos war am Ende ganz normal und sehr einfach.

Außerdem war ich vor Thailand ein sehr ungeduldiger Mensch. Ich konnte nicht länger warten und nichts tun, sondern musste immer etwas zum Beschäftigen haben. In Thailand habe ich sehr häufig auf Freunde und jeden Abend auf meine Gastschwester gewartet, die ihren Schwimmunterricht zu unterschiedlichen Uhrzeiten beendet hat. Da ich nicht wollte, dass meine Gastfamilie auf mich warten muss, habe ich lieber auf sie gewartet und es gelernt, zu warten.

Darüber hinaus war das ständige Reis essen am Anfang sehr ungewohnt und ich konnte irgendwann keinen Reis mehr sehen. Nach einigen Monaten habe ich mich daran gewöhnt, zweimal am Tag Reis zu essen, und auch morgens mal herzhaft zu essen.

Ich habe viel mit gleichaltrigen, oder einen Tick älteren, Studenten unternommen. Das war ein großer Pluspunkt meines Projekts. Jeden Tag hatte ich mit Gleichaltrigen zu tun. Einige Studenten waren erst meine Schüler und wurden mit der Zeit zu meinen Freunden und wir haben unsere Freizeit zusammen verbracht. Ich habe es in Thailand sehr genossen, mit unterschiedlichen Studenten unterwegs zu sein und über sie, ihre Interessen und Hobbies zu erfahren.

Zwischen Thailand und Deutschland gibt es viele Kulturunterschiede. Die meisten Thais sind nicht so unternehmungslustig wie die meisten Deutschen, was natürlich auch durch das heiße Wetter bedingt ist. Dafür verbringen gerade die jungen Leute mehr Zeit in „Social Media“ und sind dadurch vernetzter als die meisten Deutschen. Im Generellen sind die thailändischen Familien größer und es wird sich mehr getroffen als sich Familien in Deutschland treffen. Gerade ältere Leute werden lieber zu Hause gepflegt als ins Heim gesteckt. Auch werden sie in der Öffentlichkeit mehr respektiert. Beispielsweise wird sofort in der Bahn aufgestanden und ein Sitz freigemacht, wenn eine ältere Person keinen Sitzplatz hat. Darüber hinaus sind die meisten Thais höflicher als die Deutschen. Es wird sich sofort entschuldigt, wenn jemandem auf den Fuß getreten wird. Dabei verbeugt man sich auch leicht mit dem Kopf als Zeichen der Entschuldigung. Außerdem wird ein Lächeln in der Öffentlichkeit erwidert. Die meisten Thais lächeln viel häufiger als die Deutschen. Des Weiteren sind die Deutschen im Durchschnitt deutlich lauter als die Thais, was mir gerade in Bahnen und Bussen in Deutschland wieder aufgefallen ist. Das liegt auch daran, dass in Thailand kaum diskutiert – und erst recht nicht gestritten – wird. Denn wird jemand kritisiert, verliert er sein Gesicht und wird bloßgestellt. Genau diese Situation soll in Thailand vermieden werden.

Meine Einsatzstelle

Auftritt mit dem Universitätsorchester

Ich arbeitete als „teacher assistant“ an der „Rajamangala University of Technology Isan“. Wie im ländlichen Raum können die Studenten durch den fehlenden Kontakt zu Ausländern kaum Englisch sprechen. Ich bin jeden Tag mit meiner Gastmutter zur Uni gefahren, die auch an der Uni gearbeitet hat. Die Uni war nur 10 Minuten Fahrzeit von Zuhause entfernt. Dann habe ich verschiedene Englischlehrer bei ihrer Arbeit begleitet. Der Unterricht begann um neun Uhr und endete gegen elf Uhr. Danach habe ich mit ihnen in der Kantine zu Mittag gegessen. Meine Aufgabe bestand darin, mit den Studenten auf Englisch zu kommunizieren. Denn häufig wird im Englischunterricht Thai statt Englisch gesprochen: der Einfachheit halber. Und ich sollte dies verhindern. Am Nachmittag hatte ich verschiedene Tätigkeiten. Manchmal sollte ich noch beim Nachmittagsunterricht helfen, ansonsten habe ich in der „DSD“ geholfen, dem „Department for Student Development“.  Auch trat die Gemeinschaft der Uni mit Anliegen an mich heran: So organisierte und veranstaltete ich zum Beispiel ein Englischcamp in den Ferien für die Kinder der Angestellten. Darüber hinaus habe ich die Bratschenspieler des Uniorchesters auf das jährliche Konzert vorbereitet und selbst im Orchester mitgespielt.

Mein Projekt hat mich nicht über- oder unterfordert und bot mir viele Vorteile. Ich bin viel mit jungen Studenten in Kontakt gekommen und erfuhr vieles über ihre Kulturen. Dabei hatte ich nicht nur mit thailändischen Studenten zu tun, sondern auch mit Studenten aus Kambodscha, chinesischen Lehrerinnen und einer Lehrerin aus Kenia, die hier ebenfalls Englisch unterrichtete. Diese Internationalität fand ich sehr interessant und es war inspirierend und oft erstaunlich, wenn sie über ihr Land, ihre Kultur und ihre Lebenseinstellung berichteten. Beispielsweise haben die Studenten aus Kambodscha sehr viel über die Geschichte ihres Landes berichtet: Über die ruhmvolle Zeit im 11. Jhd. und über die grausame Zeit des Khmer Rouge. Ich wollte das Land und seinen Entwicklungsstand mit eigenen Augen sehen und bin nach Kambodscha gereist, an die ruhmreichen, aber auch die mahnenden Stätten.

Meine Gastfamilie

Dank an den Fluss für sein Wasser nach der Regenzeit

Ich habe mich sehr wohl in meiner Gastfamilie gefühlt. Meine Gastfamilie bestand aus meinem sehr beschäftigten Gastvater, meiner lieben Gastmutter und meiner 13-jährigen Gastschwester. Ich hatte ein eigenes Zimmer und auch sonst hat mir meine Gastfamilie viel geboten und erlaubt. Beispielsweise durfte ich bei Thaifreunden übernachten. Das Vertrauen beruhte auf Gegenseitigkeit und es gab keine Situation, bei der ich ihr Vertrauen verletzt habe.

Meine Gastschwester ist eine sehr gute Schwimmerin und ich habe sie auf Turnieren überall in Thailand mehrmals begleitet. Somit bin ich viel durch das Land gereist, wir haben nach den Wettkämpfen viele Tempel besucht und ich habe Zeit mit meiner Gastfamilie verbracht. Am Anfang fand ich den Handykonsum meiner Gastschwester sehr nervig. In meiner Familie in Deutschland ist beispielsweise das Handy am Tisch tabu, doch in meiner Gastfamilie gab es keine Regeln dafür. Wenn es mich gestört hat, habe ich ihr das mitgeteilt, aber ansonsten habe ich mich auch daran gewöhnt. Auch ist meine Gastmutter sehr schüchtern und hat sich erst später geöffnet. Damit wusste ich am Anfang auch nicht umzugehen. Ich war mit Studenten abends essen und sie haben mich nach Hause gefahren. Dabei hatten wir uns verfahren und ich war zu spät zu Hause. Meine Gastschwester und nicht meine Gastmutter hat mir darauf gesagt, dass das nicht in Ordnung ist. Das fand ich sehr merkwürdig und habe es nicht verstanden. Erst später wurde mir klar, dass meine Gastmutter einfach zu schüchtern war und ich noch eine Fremde war in meiner ersten Woche in der Gastfamilie. Das hat sich mit der Zeit verändert und ich habe sie „mä“ – „Mutter“ genannt.

Gerade beim Abendessen wurde viel geredet und meine Gastmutter hat sich dafür interessiert, was ich nach meinem Jahr in Thailand machen werde. Das Abschiednehmen war schwer. Meine Gastschwester hat geweint und mir gesagt, dass sie ihre große Schwester vermissen wird. Ich habe mich an meinen Alltag und an meine Gastfamilie gewöhnt und es war sehr komisch, alles hinter mir zu lassen.

Meine ersten Eindrücke waren, dass mir gleich die Unordnung sehr aufgefallen ist. Überall stand etwas rum! Auch war der Tisch meistens zu voll, um daran zu essen, und wir haben auf dem Boden gegessen, was ich am Anfang sehr befremdlich fand. Doch mit der Zeit ist die Unordnung nicht mehr aufgefallen und es wurde normal, auf dem Boden zu essen. Darüber hinaus war mein Bett sehr hart. Am Anfang hatte ich blaue Flecken an den Seiten, doch auch daran gewöhnt man sich mit der Zeit. Wenn ich von anderen AFSern Besuch bekommen habe, war es für mich kein Problem mehr, auf dem Boden zu schlafen.

Betreuung durch AFS

Ich war mit AFS Thailand sehr zufrieden. Durch den Line Kontakt war die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme immer gegeben. Bei Fragen über das Reisen waren die Antworten auch immer aufschlussreich.

Insgesamt habe ich an einem dreitägigen On-arrival-Camp, einem viertägigen Midstay-Camp und einem dreitägigen Endstay-Camp teilgenommen. Gerade das Midstay-Camp hat mir sehr gut gefallen, da der Inhalt des Camps und auch der Austausch mit den anderen Freiwilligen zu diesem Zeitpunkt sehr sinnvoll war. Das On-arrival-Camp hat mich und auch ein paar andere ein wenig überfordert, da man unmittelbar nach der Ankunft in Thailand mit seinen Gedanken noch ganz woanders war. Das Endstay-Camp bildete einen schönen Abschluss.

Ich bin mit AFS Deutschland nicht wirklich in Kontakt getreten, da ich sowohl in meinem Projekt als auch mit meiner Gastfamilie keine Probleme hatte. Wenn es kleinere Schwierigkeiten gab, konnte ich diese mit meiner Betreuerin klären.

Sprache und Kommunikation

Ich habe mich vorwiegend auf Englisch verständigt. Die Englischlehrer an meiner Uni konnten sehr gut Englisch sprechen und auch mit meiner Gastfamilie konnte ich Englisch zur Verständigung benutzen. Wie ich schon zuvor geschildert habe, war das Englischniveau der meisten Studenten sehr niedrig, weshalb ich nach einiger Zeit durchaus erst Englisch benutzt – und dann auf Thai übersetzt habe. Am Ende meines Aufenthalts habe ich auch mit meiner Gastfamilie verstärkt Thai geredet und habe mich der Familie angepasst.

Mein englischer Wortschatz hat sich nicht sehr verbessert, aber mein Englisch ist deutlich flüssiger geworden. Für mich ist es ganz normal geworden, länger auf Englisch zu kommunizieren. Ich hatte vor meiner Ausreise noch keinerlei Erfahrung mit Thai. Zum Beginn habe ich Thaiunterricht bekommen und dann selbstständig Vokabeln gelernt. Da Thai sich aber sehr von unseren indoeuropäischen Sprachen unterscheidet, hat es eine Weile gedauert, bis ich mehr verstanden habe, und kommunizieren konnte.

In Thailand ist die Erwartungshaltung, dass Ausländer Thai sprechen, nicht vorhanden. Die meisten Ausländer sind Touristen und lernen die Sprache nicht. Daher habe ich für meine Sprachkompetenz in Thai viele Komplimente bekommen. Genauso ging es mir auch mit meinem Englisch. Mein Englisch ist nicht das beste Englisch, aber ich wurde teilweise als „Native speaker“ bezeichnet. Das liegt genau an dem Problem, dass es den meisten Thais schwerfällt, Englisch zu lernen und es sprechen zu können. Ich spreche im Vergleich dazu deutlich besser Englisch.

Globales Lernen und Entwicklungspolitik

Einsatz Austauschprojekt im Bergdorf Um Huam

Für mich bedeutet globales Lernen, Kulturen verschiedener Länder kennenzulernen und anhand von Ähnlichkeiten und Unterschieden über seine eigene Kultur nachzudenken und sich kritisch mit der eigenen Lebensweise auseinanderzusetzen. Globales Lernen bedingt einen intensiven Austausch mit Ländern anderer Kulturen.

Ich habe über Entwicklungszusammenarbeit gelernt, dass ganz klar die Zusammenarbeit im Vordergrund steht. Industrieländer sind nicht besser als Schwellen- oder Entwicklungsländer, jeder Lebensstil und jede Kultur hat Besonderheiten und Probleme. Menschen sind überall gleich. Nur durch den Austausch verschiedener Kulturen können Vorurteile abgebaut werden.

Ich denke, meine Erfahrungen lassen sich überall weitergeben. Ich möchte auf jeden Fall die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der meisten Thais beibehalten. Das könnte ein freundliches Lächeln dem Busfahrer gegenüber sein oder eine verstärkte Hilfsbereitschaft, wenn ältere Menschen Hilfe brauchen. Ich habe gelernt, was Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft ausmacht und wie man mit kleinen Gesten andere Menschen glücklicher machen kann. Darüber hinaus bin ich offener für Menschen anderer Kulturen geworden. Ich weiß, wie es sich anfühlt, anders zu sein und habe es zu schätzen gelernt, was Gastfreundlichkeit und Interesse an anderen Menschen ausmacht. Ich werde versuchen, meinem Umfeld diese Offenheit für Ausländer näher zu bringen.

Ich kann mir vorstellen, selbst einmal einen Freiwilligen oder einen Austauschschüler aus dem Ausland aufzunehmen. Ich stelle mir den Perspektivwechsel, dass ich nun jemand bin, der einem Ausländer seine Kultur näher bringt, sehr interessant vor. Ich habe gelernt, wie man seinen Horizont erweitert, wenn man in einer fremden Kultur mit erst fremden Menschen gelebt hat.

Darüber hinaus kann ich mir vorstellen, mich in der Flüchtlingsarbeit zu engagieren. Diese Menschen müssen die deutsche Sprache und Kultur kennenlernen, um sich hier wohlzufühlen und hier leben zu können.

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