Gastmutter Corina, Argentinien, 2015

Eine Kollegin von mir brachte im August 2014 ihren Gastsohn mit zum Sommerfest unseres Instituts und sofort stand für mich fest: Das möchte ich auch! Mein Mann und ich haben keine  Kinder und er war anfangs skeptisch. Aber dann bereits im Februar war es soweit: Teo aus Argentinien kam zu uns! Was waren wir aufgeregt!!

Aus dem Zug stieg ein schüchterner Junge und gleich im ersten Moment wusste ich: Das passt! Manchmal hat man so etwas im Gefühl. Anfangs war es sehr schwer, an ihn heran zu kommen. Er war so unglaublich introvertiert und schüchtern. Ganz anders als man es von Argentiniern erwarten würde.

Geklappt hat es letztendlich dadurch, dass wir jeden Tag in der Küche zusammen saßen und geredet haben. Naja, eher so mit Händen und Füßen, Brocken Deutsch und viel Englisch (das mache ich übrigens heute, 5 Gastkinder später, nicht mehr so oft: Englisch wird nur noch im Notfall heran gezogen). Ich fragte ihn zum Beispiel nach seiner Musik und welche Bands er mag und dann zeigte ich ihm meine. Über Google Earth suchten wir sein Haus, seine Schule und die Häuser seiner Freunde in Argentinien, danach war ich immer dran.

Der Eisbrecher kam dann ca. 2 Wochen später: Ich fragte ihn, ob er mir beim Kochen helfen möchte. Und ob er wollte! Er hat sich nur nicht getraut! Fortan wurden Kochen und das Experimentieren mit neuen Gerichten zu einem unserer liebsten gemeinsamen Hobbies.

Teo hatte wenige Freunde in der Schule und auch mit dem Deutschlernen tat er sich so schwer. Aufgrund seiner Schüchternheit hat er mich als Bezugsperson auserkoren, was manchmal schwer war für meinen Mann. Doch da er als Matrose nicht sehr oft zu Haus ist, kamen wir ganz gut klar.

Ein kleiner zeitlicher Vorgriff: Teos Jahr war im Januar 2016 vorüber und er hat uns bereits Weihnachten 2016 wieder besucht! Mein Mann und er kamen dann einfach wunderbar miteinander aus, da Teo so sehr erwachsen geworden ist und auch einen Teil seiner Schüchternheit ablegen konnte. Es war eines der schönsten Weihnachtsfeste.

Dieses Jahr mit Teo war so unglaublich magisch! Wir haben so viele neue Dinge ausprobiert. Wir bauten Schneemänner im Haus -denn draußen war es ihm zu schrecklich kalt, also holten wir Schnee in Schüsseln ins Haus und stellten alles auf Eis-Akkus. Er hat sich dann übrigens später doch raus getraut. Im Frühling haben wir eine Tischtennisplatte gebaut, so richtig von Null, aus Sperrholz. Teo hat dazu die technischen Zeichnungen angefertigt und dann legten wir los. Sie ist großartig geworden! Überhaupt, handwerklich war er sehr geschickt. Wir haben in der Zeit viele Geschenke selbst gebastelt. Kochen war jedoch immer noch unser liebstes Hobby und so haben wir viele Gerichte probiert, landestypisch argentinische und deutsche. Wir haben Feuer auf Steinzeitart gemacht und anschließend ein argentinisches Asado über dem Lagerfeuer. Das ist so ähnlich wie das deutsche Grillen und doch ganz anders!

Wir sind in dem Jahr viel gereist und waren in jedem erdenklichen Museum (seine Eltern haben uns finanziell unterstützt). Das Oktoberfest war natürlich ein Highlight, Teo kaufte sich eine typisch bayrische Lederhose. Danach stand Halloween ins Haus und wir schnitzten witzige Halloweenkürbisse. Auch die deutsche Geschichte hat ihren Platz bekommen, wir besuchten viele geschichtsträchtige Stätten, von Steinzeit bis Neuzeit, über Weltkriege, deutsche Teilung und Wiedervereinigung.

Überhaupt waren wir an jedem freien Wochenende mit den Rädern in der Gegend unterwegs. Ich konnte so erst einmal feststellen, wie viele Dinge man hier sehen und erleben kann, wenn man nur genau hinsieht. Einmal haben wir sogar einen Leuchtkäfer gefunden!! Mitten in unserem Dorf, ich kann es bis heute nicht glauben. Seitdem habe ich noch keinen wieder gesehen.

Naja, mit dem Deutschlernen hatte es das ganze Jahr über nicht so richtig klappen wollen. Aber Teos Eltern nahmen das zum Glück nicht tragisch.

Der Abschied dann war auch richtig hart. In Empfang genommen hatten wir einen schüchternen kleinen Jungen und verabschiedet haben wir einen jungen Erwachsenen. Teo hat unser Leben mit so vielen Ideen bereichert, uns zum Um- und Nachdenken gebracht und uns gezeigt, worauf es wirklich ankommt: mit offenen Augen durchs Leben zu gehen, nicht vorschnell zu urteilen und sein Herz für andere zu öffnen.

Ganz so schlecht empfand mein Mann dann übrigens das Jahr doch nicht, denn schon kurz nach Teos Abreise sind wir als Notfallfamilie für einen weiteren Argentinier eingesprungen. Mit Francisco kam mein Mann schon deutlich besser klar, er war lebhafter. Kurz darauf zog noch ein Mexikaner zu uns 🙂 Einen Versuch wagten wir auch mit einem US-amerikanischen Mädchen. Doch entweder sind wir einfach besser im Umgang mit Jungs oder es lag an der Chemie, denn es hat nicht geklappt. Nach vier  Monaten ist sie in eine andere Familie gewechselt und dort glücklicher geworden.

Zurzeit (2017) sind wir Gasteltern eines weiteren Lateinamerikaners, Arthur aus Brasilien. Auch mein Mann ist offener geworden und empfindet die Gastkinder auf jeden Fall als Bereicherung. Es ist herrlich zu sehen, wie er seine Zeit mit Arthur verbringt. Der Kontinent mit seinen wunderbaren Menschen hat es uns einfach angetan.

Im nächsten Jahr werden wir Teo wieder zuhause in Argentinien besuchen und freuen uns schon sehr, ihn und seine Familie wiederzusehen. Wir stehen immer noch in regelmäßigem Kontakt und es ist wundervoll mitzuerleben, wie er jetzt seinen Weg durchs Leben geht.

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