Lena, Malaysia, IJFD, 2019:

Lena arbeitete während ihres Freiwilligendienstes mit AFS und dem IJFD in einem Kinderheim in Malaysia. Über ihre Erfahrungen und Eindrücke berichtet sie hier.

Land und Leute

Die Stadt in der ich war, hat sich für mich anfangs groß und unübersichtlich angefühlt. Erst mit der Zeit und mit den anderen Freiwilligen, habe ich gemerkt, dass alles zusammenhängt und über diese Straße kommt man in das Viertel und wenn ich diesen Bus nehme dann fahre ich an dem und dem Gebäude vorbei.


Dass das Stadtbild sehr grün und gepflegt ist, war mir gleich am Anfang aufgefallen, weil ich das gar nicht erwartet hatte. Es gab einige Parks, die vor allem morgens und abends mit fitnessbewussten Menschen gefüllt waren. Mit der Zeit habe ich mich an diesen Eindruck gewöhnt und ist mir nur noch in wenigen Situationen aufgefallen. Als ich beispielsweise an einem sehr heißen Tag zum Glück unter einem großen Baum Schatten gefunden habe, während ich auf den Bus wartete. Apropos Bus, da wusste ich anfangs nicht, dass die Busfahrer kein Wechselgeld geben. Also musste ich anfangen Kleingeld zu horten um passend zahlen zu können.
Dass ich als Weiße aufgefallen bin im Bus oder wenn ich (beinahe als einzige) mal irgendwo hin gelaufen bin, war mir anfangs unangenehm und es hat mich oft gestört. Dieses Gefühl hat sich bis zum Ende hin nicht wirklich gelegt, aber es ist eindeutig einfacher für mich geworden hupende Motorräder gelassen hinzunehmen und Fragen über meine Person einfach kurz und knapp zu beantworten. Das Interesse der Leute war zum Glück nicht bedrängend und dass sich jemand völlig Fremdes mit mir unterhalten wollte, ist auch nur selten passiert.
Insgesamt waren die Leute mit denen ich mehr Kontakt hatte sehr herzlich und ich hatte gute Gespräche.
Gleichaltrige habe ich entweder über die Arbeit oder über die anderen Freiwilligen kennengelernt. Wir haben uns dann am Wochenende mal getroffen. Es war immer eine lockere Stimmung und sie konnten alle sehr gutes Englisch; man hat sich super verstanden. Die Menschen die ich kennenlernen durfte waren aufgeschlossen und freundlich. Trotzdem waren wir immer nur Freunde auf Zeit, hatte ich das Gefühl, weil eben auch klar war, dass wir in weniger als einem Jahr wieder heimreisen werden. Ich freue mich aber immer noch Kontakt zu einigen der Gleichaltrigen zu haben.
Kulturelle Gemeinsamkeiten, die mir während der Zeit aufgefallen sind, waren z.B. dass Treffen unter Freunden genauso oft und herzlich praktiziert wird, wie ich es bisher in Deutschland erlebt habe. Man trifft sich zum Brunch, bei Geburtstagen geht man feiern oder freitagabends trifft man sich zum Chillen und geht noch was trinken.
Noch eine Gemeinsamkeit, finde ich, ist die Praktizierung von (religiösen) Festen. Stand in Malaysia ein großes Fest an, egal in welchem Glauben, dann haben die Menschen angefangen zu dekorieren, die Malls wurden festlich geschmückt und Besorgungen wurden gemacht. Weihnachten, bei dem ich diesen Vergleich besonders gut ziehen kann, weil es in Deutschland genauso wie in Malaysia gefeiert wird, wurde wie ich es kenne mit Weihnachtsmarkt, Geschenken und Gottesdiensten gefeiert. Es ist also egal wo man auf der Welt ist, man braucht nur Menschen, mit denen man etwas verbindet.
Einen kulturellen Unterschied machte mir eine Nachhilfelehrerin von der Arbeit deutlich und zwar sagte sie, dass sie es toll findet wie ich mit meinen 18 Jahren so weit reise, von meiner Familie getrennt bin und soziale Arbeit leiste. Sie hat mich sehr bewundert für meinen Mut und die Selbstständigkeit, was, wie sie findet, viele der hier lebenden Jugendlichen gar nicht haben. Für die allermeisten heißt es nach der Schule ins Studium oder gleich arbeiten gehen.
Als sie das sagte ist mir auch noch aufgefallen wie unterschiedlich Familie wahrgenommen wird. Familie ist dort ein sehr viel stärkeres Band, welches v.a. Verantwortung und Unterstützung mit sich trägt. Es ist intensiver als jenes das ich aus Deutschland kenne.
Ein weiterer Unterschied ist wohl, dass die Menschen für eigentlich alle Strecken, seien sie noch so kurz, mit dem Auto fahren. Oder während das Auto steht und auf etwas gewartet wird, der Motor weiter läuft. Beide Dinge, die teilweise Unverständnis in mir hervorgerufen haben, wurden aufgrund des heißen Klimas begründet… Ich bin weiterhin viele Strecken zu Fuß gegangen. Aber vermutlich habe ich niemanden von dort dazu inspirieren können.

Arbeitsplatz

Vorbereitet in irgendeinem Sinne wurde ich auf meine Arbeit im Kinderheim nicht, aber das hat mich nicht gestört, denn nach meiner Ankunft haben mich die Leiter*innen nicht überfordert sondern haben mir genug Zeit zum Eingewöhnen gelassen. Mehr und mehr dann bin ich aufgeblüht im Englisch unterrichten, ebenso mit den Kindern zu spielen, zu malen, sie bei ihren Pflichten zu unterstützen etc. Ich war eigentlich die helfende Hand da wo Hilfe gerade benötigt wurde und da mir Wertschätzung und Vertrauen entgegengebracht wurde, habe ich die Arbeit sehr gerne gemacht. Auch besonders, weil ich viele neue Leute kennenlernen durfte, die ebenfalls Freiwilligenarbeit dort leisten, indem sie kommen und den Kindern nachmittags Nachhilfe geben.
Gearbeitet habe ich 30 Stunden pro Woche, 6 Stunden am Tag und hatte dann das Wochenende für mich frei. Nur als es ein paar Mal Notfälle oder Mitarbeitermangel gab, wurde ich gefragt und bin eingesprungen. Geschickt dabei war natürlich, dass ich auf dem Gelände gewohnt habe und mein Zimmer 50m vom Haupthaus entfernt war. Das fand ich perfekt, da ich nah an der Arbeit und den Kindern war und gleichzeitig meine eigene Privatsphäre auf dem Gelände hatte.

Unterkunft

Mein Projekt hat schon viel Erfahrung mit Freiwilligen (von AFS) und das hat mir Sicherheit gegeben, da ich dort mit Ruhe und Verständnis aufgenommen wurde. In den ersten Wochen bekam ich genug Zeit und Unterstützung und Antworten auf alle meine Fragen.
Auch den Kindern habe ich angemerkt, dass ich nicht die erste (weiße) Freiwillige bin, denn wir kamen ziemlich schnell ziemlich gut in einen alltäglichen Rhythmus.
Ein Eindruck, der mir zu anfangs kam und sich mit meiner Zeit dort verfestigt hat, war der des familiären Verhältnisses, das ich im Kinderheim gefühlt habe. Auch wenn Neckereien und Streitereien täglich vorkamen, gab es doch Respekt der Jüngeren vor den Älteren und bei Fragen und Problemen traten die Mitarbeiter*innen als Schlichter*innen auf. Auch ich fand meine Rolle und habe versucht allen ein offenes Ohr zu geben und eine Hilfe zu sein. Ein Teil der Gemeinschaft, dieser Familie, zu sein, hat mich stolz und glücklich gemacht.
Da ich von Anfang an so gut aufgenommen wurde und sich ein gutes Verhältnis zu den Kindern und den Mitarbeitern*innen über die Monate aufgebaut hat, war ich sehr sehr traurig sie (auch noch frühzeitig) verlassen zu müssen.

Betreuung

Betreut vor Ort wurden wir von einer Gruppe AFS Freiwilliger (sog. Penang Chapter), die nur für uns Freiwillige in dem Staat Penang verantwortlich waren. Die Kommunikation fand dabei über eine Whatsapp-Gruppe statt – was prima funktioniert hat. Außerdem wurden uns Freiwilligen eine engere Kontaktperson zugeteilt, der wir monatlich einen Fragebogen ausfüllen mussten und mit der wir uns auch manchmal getroffen haben.
Im größeren Rahmen von AFS Malaysia aus gab es Seminare bei denen wir dann verreisen mussten, denn zu diesen Treffen kamen auch die anderen Freiwilligen aus anderen Staaten. Die Teilnahme war Pflicht und so war ich beim On-Arrival Camp, Post-Arrival Camp und Midstay Camp. Ein letztes wäre im Juni gewesen.


Erwartungen an AFS Deutschland hatte ich nicht wirklich, weil für mich von Anfang an klar war, dass während dem Jahr AFS Malaysia für mich verantwortlich ist.
Gefreut habe ich mich dann aber trotzdem über die paar Emails, die wir über die Zeit von AFS Deutschland bekommen haben, weil ich dadurch das Gefühl hatte, nicht vergessen/abgeschoben worden zu sein.
Konflikte hatte ich zum Glück keine.

Sprache und Kommunikation

Unterhalten habe ich mich zu 100% auf Englisch, was daraus resultiert, dass es jeder in Malaysia versteh und spricht.
Zu Beginn habe ich zwar die Kinder nicht gut verstanden, weil sie so stark mit Akzent gesprochen haben und ich hatte gemerkt, dass mir viele alltägliche Vokabeln fehlen. Aber auch hier war es nur eine Frage der Zeit bis ich mich daran gewöhnt hatte und mit täglichem Sprachgebrauch viele Wörter dazu gelernt habe. Irgendwann ist mir der Akzent der Kinder, der mich am Anfang so viel Mühe gekostet hat zu verstehen, nicht mal mehr aufgefallen.
Ich hatte eine gute Englisch- Basis als ich eingereist bin und doch ein bisschen Sorge vor dem tatsächlichen Gebrauch, aber diese Sorge und Sorge vor Kommunikationsschwierigkeiten waren schnell beseitigt. Ich habe viel Selbstvertrauen im Sprechen gewonnen.
Von meinen Mitmenschen wurde nie negativ auf meine Sprache hingewiesen.
Nach etwa einem Monat in Malaysia, mussten wir, vom Penang Chapter angeboten, einen Sprachkurs in Malay besuchen, der von einer AFS Freiwilligen geführt wurde. 10 Wochen lang haben wir Freiwillige uns mit ihr jeden Sonntag etwa eine Stunde getroffen um Grammatik zu lernen, Vokabeln aufzuschreiben, Sätze zu sprechen. Es war immer eine entspannte und freundschaftliche Atmosphäre und ich habe diese Treffen, bei denen wir auch immer viele Fragen stellen konnten und sonstige Infos bekamen, sehr gemocht.

Globales Lernen und Entwicklungspolitik

Globales Lernen kann man nur wirklich praktizieren, wenn Offenheit, Respekt und Akzeptanz die Grundlagen sind, finde ich. Ich kann nur wirklich lernen wenn ich es will. Für mich bedeutet Globales Lernen aus einem unerschöpflichen Topf aus Wissen zu schöpfen, denn jedes Land, jede Kultur ist so unterschiedlich und aus eben diesen Unterschieden lernt man und wird reicher an Wissen. Es ist ein großer Vorteil global zu lernen/ lernen zu können und für meine Zeit in Malaysia bin ich sehr dankbar, weil ich neue, einzigartige Sichtweisen kennenlernen und mit eigenen Augen eine andere Kultur wahrnehmen durfte, von der ich davor nur gelesen und gehört hatte.


Entwicklungszusammenarbeit ist meiner Meinung nach ein Resultat aus Globalem Lernen. Es bedeutet für mich mit Wissen aus zwei Quellen das Beste daraus zu machen. Und das Beste ist dann jenen zu geben die es brauchen. Das setzt aber vor allem voraus, dass Menschen daran beteiligt sind, die nicht egoistisch, geizig oder unfair handeln sondern sich offen, selbstlos und respektvoll einer Verbesserung von Krisen und Konflikten widmen und sich anderen als Hilfe bieten.
Zusammenarbeit ist im besten Fall für alle Teilnehmenden nur ein Gewinn. Aber es bedarf Zeit und Ausdauer und ich habe gelernt, dass manche Probleme sich nicht von heute auf morgen lösen lassen und ich für eine gewisse Nachhaltigkeit auch hartnäckig dran bleiben muss.
Meine Erfahrungen erzähle ich gerne jedem, der mich danach fragt oder in diesem Bereich mehr wissen will. Wenn mir während dem Studium genügend Zeit bleibt, würde ich mich gerne engagieren, a) in einem deutschen Kinderheim und/oder b) bei AFS.
In Deutschland will ich, wie gesagt, versuchen in einem Kinderheim auszuhelfen. Andere Möglichkeiten sehe ich bei mir auf Demos zu gehen, die wichtige Themen verbreiten, mich mit Themen auseinanderzusetzen und dann wiederum mich mit Menschen darüber zu unterhalten. Auch hoffe ich den Kontakt nach Malaysia halten zu können um mich mit diesen Leuten und ihren Meinungen weiterhin auszutauschen.
Und wenn Jugendliche mich fragen sollten was sie nach der Schule machen sollen, dann empfehle ich ihnen ganz klar den Freiwilligendienst, denn dadurch hab ich so so viel gelernt und es waren für mich die besten 8 Monate.

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