Daphne, Mexiko, 2014, Schuljahr im Ausland:

Ich kann noch gar nicht so richtig glauben, dass dies mein Abschlussbericht ist. Mein Auslandsjahr ist viel zu schnell vorbei gegangen, obwohl ich in diesem Jahr mehr erlebt und gelernt habe, als ich es mir hätte vorstellen können. Oft gab es schwierige Momente und Phasen, zum Beispiel am Anfang, da ich wegen der neuen Sprache manchmal wirklich an meine Grenzen gestoßen bin und an meiner Entscheidung, über 10 Monate weg zu gehen, ganz alleine, in ein Land mit einer total anderen Kultur und mit völlig fremden Leuten zusammenzuleben, gezweifelt habe.

Aber im Nachhinein kann ich nur sagen, dass mich das weitergebracht hat und ich sehr daran gewachsen bin. Einerseits war es eine große Herausforderung, aber gleichzeitig war es auch ein unglaubliches Jahr, da ich sehr viel Spaß hatte, extrem viele neue Sachen gesehen und kennengelernt habe. Ich habe nun neue Freunde und eine zweite Familie, worüber ich unbeschreiblich glücklich bin.

Meine mexikanische Gastfamilie

Ein großer Unterschied zwischen meinen beiden Familien ist, dass ich in Mexiko sozusagen ein Einzelkind war. Meine Gasteltern haben zwar keine gemeinsamen Kinder, mein Gastvater hat jedoch mit seiner Exfrau 3 erwachsene Söhne, die alle über 20 Jahre alt sind, nicht mehr zuhause wohnen und nur manchmal zu Besuch waren. Deshalb hatte ich nie Streit mit meinen Geschwistern, während das in Deutschland mit meinem kleinen Bruder häufiger vorkommt.

Wenn ich mich in Mexiko mit meinen Freunden treffen wollte, musste ich immer meinen Gastvater um Erlaubnis fragen auch wenn meine Gastmutter ebenfalls da war. Im Gegensatz dazu muss ich in Deutschland meistens beide Elternteile fragen und sie entscheiden dann gemeinsam.

Ein weiterer grundlegender Unterschied ist, dass ich denke, dass jeder hier in Deutschland mehr seinem „eigenen Leben“ nachgeht und in Mexiko die Familie abgesehen von der Arbeitszeit den ganzen Tag zusammen ist, das heißt aber nicht nur die Eltern und Kinder, sondern entweder besuchen sie Onkels, Tanten, Cousins und Großeltern, oder alle kommen zu einem nach Hause. Oftmals hatte ich zwar sehr wenig Privatsphäre, aber es war sehr schön mit meiner riesigen Familie zusammenzuleben, da es immer etwas Lustiges zu erzählen gab und es mir so nie langweilig wurde.

Man hat ein sehr freundschaftliches Verhältnis zu den Lehrern

Ich bin in Mexiko sehr gerne zur Schule gegangen, was größtenteils daran lag, dass das Verhältnis zu den Lehrern dort, im Gegensatz zu Deutschland, sehr entspannt ist und sie mehr Freunde als Respektspersonen sind. Wir hatten zum Beispiel einen Lehrer, den alle Schüler mit Handschlag und Umarmung begrüßt haben und mit dem sie nicht nur außerhalb der Unterrichtszeiten, sondern auch während der Schulstunde über persönliche Sachen gesprochen haben. Zudem haben wir uns außerhalb der Schule mit ihm getroffen zum Schwimmen, ins Kino und er ist sogar auf Partys von seinen Schülern gekommen und hat dabei Alkohol getrunken und es wurden Bilder gemacht, die im Internet hochgeladen wurden. Das alles war am Anfang natürlich mehr als fremd für mich, doch es ist schnell zur Gewohnheit geworden, dass man ein sehr freundschaftliches und offenes Verhältnis zu seinen Lehrern hat. Alles in allem fand ich die Schule echt super.

Rollenverhalten von Männern und Frauen

Vor meinem Auslandsjahr habe ich mir viele Informationen über Mexiko besorgt und mir unzählige Berichte von anderen ehemaligen Austauschschülern durchgelesen und bin dabei häufig auf Aussagen gestoßen wie zum Beispiel: „Das Vorurteil, dass die Männer dort wirklich Machos seien, trifft voll und ganz zu!“. Am Anfang konnte ich mir das nicht wirklich vorstellen, aber ich habe schon sehr schnell gemerkt, dass diese Aussagen der Wahrheit entsprachen. Mein Gastvater war eindeutig das `Familienoberhaupt` und hat über alles bestimmt. Er hat nie Wäsche gewaschen, gebügelt, gekocht abgespült oder das Haus gewischt, sondern ist immer Auto gefahren, ist zum Jagen gegangen oder hat schwere Sachen getragen. Meine Mutter war für den ganzen Haushalt zuständig, einkaufen etc.

Erkenntnisse über Deutschland

In den ersten Monaten war ich so sehr mit dem Erlernen der neuen Sprache beschäftigt, dass ich mir viele Dinge  erst später bewusst wurden und ich dadurch auch angefangen habe, die deutsche Kultur anders zu schätzen als davor. Dass wir Jugendlichen hier sehr viele Freiheiten haben, eigenständiger, unabhängiger und selbstständiger sind, als in vielen anderen Ländern, habe ich bei meinem Auslandsjahr gelernt. Andererseits ist mir in der ersten Zeit in Mexiko, als fremde Leute voller Interesse auf mich zukamen um mich kennenzulernen, aufgefallen, dass die Leute dort aus meiner Sicht freundlicher und herzlicher sind, als hier.

Die Menschen dort, mit dieser wunderschönen und interessanten Kultur, haben mir einiges beigebracht: Ich  habe mir viel von ihrer Offenheit, Herzlichkeit und Entspanntheit abgeschaut und ihr Familiensinn und Gemeinschaftssinn hat mich stark beeindruckt.

Eine aufregende und lehrreiche Zeit

Alles in allem kann ich jedem, der die Möglichkeit dazu hat, empfehlen, ein Auslandsjahr zu machen. Es ist nicht immer leicht und man hat auch nicht ein Jahr Urlaub voller Party und Spaß, aber es ist eine aufregende und lehrreiche Zeit und Spaß und das Feiern wird nicht zu kurz kommen. Es war ein Jahr voller Höhen und Tiefen für mich, ein Jahr voller Gefühlschaos und großartigen Erfahrungen.

Dieses unvergessliche Jahr wäre mir ohne Unterstützung nicht möglich gewesen. Deshalb möchte ich mich recht herzlich bei Ihnen für das Stipendium bedanken.

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