Gastfamilie werden trotz Corona –
„Traut euch, es lohnt sich!“
Seit Februar 2021 heißen die Berliner Gasteltern Gudula und Jörg zusammen mit Sohn Milan und Tochter Lucia ihre Gasttochter Indy aus Thailand willkommen. Diese Entscheidung haben sie seitdem nie bereut – auch während des langes Lockdowns im Winter nicht. Denn die Bereicherung, die sie als ganze Familie empfinden, ist wertvoller als alle Corona-Beschränkungen zusammen! Über ihr Leben als multikulturelle Gastfamilie, anfängliche Herausforderungen und die Magie des gemeinsamen Spazierengehens hat die Familie mit AFS gesprochen.
Wie lange ist Indy jetzt schon bei euch? Indy ist am 26.2. aus Bangkok in Frankfurt gelandet. AFS hat sie in Empfang genommen und nach Berlin begleitet, wo wir sie am Hauptbahnhof begrüßen konnten.
Wie ist die Stimmung grade in der Familie? Uns geht es sehr gut, wir freuen uns aktuell alle über mehr Freiheiten durch die gesunkenen Corona-Zahlen, den Sommer, die anstehenden Sommerferien.
Was hat euch bewegt, mitten in der Coronapandemie ein Gastkind aufzunehmen? Die Idee, eine Austauschschülerin aufzunehmen, hatten wir schon lange vor Corona. Da Lucia auch überlegt, mit AFS für ein Jahr weg zu gehen, wollten wir die Erfahrung als Gastfamilie für ein Jahr gerne vorher machen. Wir hätten schon letzten Sommer jemanden aufgenommen, doch das klappte wegen Corona damals nicht. Also haben wir das Ganze verschoben. Schon im Herbst fiel die Auswahl auf Indy. Eine Zeit lang hatten wir gar nicht mehr damit gerechnet, dass es noch klappen würde. Als Indy uns schrieb, dass sie das Ticket habe, konnten wir es erst gar nicht glauben. Lange war es wirklich noch ungewiss. Umso größer die Freude, dass sie dann wirklich kommen konnte.
Hattet ihr im Vorfeld Ängste oder Befürchtungen? Wir hatten schon etwas Sorge, dass es für Indy schwer bis unmöglich werden würde, Leute außerhalb der Familie kennen zu lernen. Oder dass wir eventuell „zu dicht“ aufeinander hocken könnten.
Wie verliefen die Ankunft von Indy und das erste Einleben mit dem neuen Familienmitglied? Für Indy war das Ankommen im winterlich kalten Deutschland in ihrer neuen Familie natürlich sehr aufregend. Für uns als Familie aber auch! Wir haben uns sehr glücklich und privilegiert gefühlt, dass wir jemanden „aus der fernen Welt“ bei uns willkommen heißen durften. Und das in einer Zeit, in der sonst niemand irgendwohin fahren konnte und man ferne Länder nur noch im Fernsehen sehen konnte.
„Indys Ankunft hat uns aus dem winterlichen Corona-Tief geholt.
Es war schön, dass wir ein neues Kapitel im Familienleben aufschlagen konnten.“
Wie hat der Schulalltag für Indy funktioniert? Indy hatte sehr viel Glück, dass sie vom ersten Tag an in Berlin trotz Lockdown an kleinen Aktivitäten in der Schule teilnehmen konnte. Sie wurde schon am ersten Tag von ihrem Klassenlehrer und einzelnen Schülern und Schülerinnen willkommen geheißen. Sie hatte einige Kontakte „in echt“ und beim digitalen Lernen. Indy meint, die digitale Zusammenarbeit habe es ihr oft sogar einfacher gemacht, mit einzelnen Jugendlichen Kontakt aufzunehmen. Bei sprachlichen Problemen haben wir anfangs etwas geholfen, aber im Grunde hat sich Indy immer alleine um ihre Schulthemen gekümmert und uns nur erzählt, wenn es etwas Besonderes gab.
Wie habt ihr während es Lockdowns eure Freizeit als Familie gestaltet? In Thailand hatte Indy schon davon gehört, hier dann anfangs mit Staunen zur Kenntnis genommen, was „Spazierengehen“ für uns Deutsche bedeutet. Dass wir gefühlt „stundenlang“ zu Fuß durch die Gegend gehen – ohne bestimmtes Ziel, nur um des gemeinsamen Gehens willen – und das Ganze noch als „Freizeitaktivität“ bezeichnen, war neu für sie. Dazu kamen auch ein paar Fahrradtouren. Ansonsten hat sich in den ersten Monaten hier das Leben vor allem in der Wohnung abgespielt.
„Zu den gemeinsamen Mahlzeiten kommen wir immer zusammen, gemeinsame Filmabende mit der ganzen Familie gibt es noch immer.“
Und jetzt, da wieder viel mehr Unternehmungen möglich sind? Alle Familienmitglieder sind wieder individueller unterwegs. Wir waren zusammen schon zweimal im Museum, ein paar Mal essen und haben Ausflüge ins Umland gemacht. Lucia und Indy freuen sich, dass sie zusammen shoppen gehen können, nächste Woche werden wir ins Freiluftkino gehen. Die ersten Wochenendbesuche bei Freunden und Familien stehen an, hoffentlich nächsten Monat unser Urlaub in Korsika. Spazieren gehen tun wir aber immer noch gerne – und das macht Indy inzwischen sogar auch von sich aus!
Wie ist Indy eurer Ansicht nach an ihrer bisherigen Zeit in Deutschland gewachsen? Indy bemerkt selber, dass sie hier mehr Verantwortung für sich übernimmt, was sowohl den Haushalt betrifft, als auch die Schule, wo sie sich selber um Termine, Aufgaben, Absprachen kümmern muss.
Und wie hat die Erfahrung, Gastfamilie zu sein, euch verändert? Wir sind nicht zum ersten Mal Gastfamilie, merken aber wieder einmal, wie wichtig es ist, Unklarheiten, Fragen, Erwartungen innerhalb der Familie anzusprechen. Es hilft auch im Umgang mit allen Familienmitgliedern, die Wochenabläufe, Termine, Aufgaben in Ruhe vorher miteinander abzusprechen, bevor der Alltag einen überrollt.
Was würdet ihr Familien auf den Weg geben, die jetzt ein Gastkind aufnehmen möchten? Es ist eine tolle Sache! Macht es einfach! Corona sollte kein Hinderungsgrund sein, wenn alle Beteiligten wissen, wie die Situation ist, welche aktuellen Regeln zu beachten sind.
„Das Familienleben war in den letzten Monaten für uns auf jeden Fall abwechslungsreicher und bereichernder, als wenn wir nur für uns gewesen wären!“
Fotos: Familie R. aus Berlin mit ihrem Gastkind Indy aus Thailand
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