Cornelia, Paraguay, 2018, weltwärts

Cornelia hat ihren Freiwilligendienst in Paraguay mit AFS und dem weltwärts-Programm gemacht. Sie hat Kindern und Jugendlichen Ballettunterricht gegeben. Über ihre Eindrücke und Erlebnisse berichtet sie hier.

Land und Leute

Ich persönlich habe nicht den Eindruck, als würde es in Paraguay an den ganz grundsätzlichen Dingen fehlen. Es gab durchaus ab und zu Stromausfälle von ca. 5 bis maximal 20 Minuten, die man in Deutschland nicht gewohnt ist, aber diese haben nie große Probleme dargestellt. Bei der Arbeit hatten wir eine “Notlampe” und sonst konnte man sich in der kurzen Zeit auch mit der Handytaschenlampe oder ähnlichem behelfen. Mir ist jedoch im Laufe des Aufenthalts aufgefallen, dass vor allem das Gesundheitssystem und die Unterstützung der finanziell schlechter aufgestellten Bevölkerung noch verbessert werden kann.

Was für mich anfangs sehr ungewohnt war, ist, dass das Auto-Roller-Verhältnis dort, im Vergleich mit Deutschland, umgedreht ist. Alle sind auf Rollern und Mopeds unterwegs, und nicht nur alleine oder zu zweit, sondern auch mal die ganze Familie mit Babys und logischerweise ohne Helme oder sonstigen Schutz. Zum anderen “darf” man sich dort im Auto nicht anschnallen, weil man sonst sehr komisch angeschaut oder sogar mal ausgelacht wird. Ich hab mir also meinen “Anschnall-Reflex” abtrainiert, sodass ich es dann zurück in Deutschland blöderweise auch ab und zu weggelassen habe und freundlich drauf hingewiesen wurde, mich doch bitte anzuschnallen.

Ich habe in meiner Freizeit viel mit fast Gleichaltrigen gemacht, war jedoch oft die Älteste von allen, da ich die anderen über AFS kennengelernt hatte und diese aber alle im Zusammenhang mit dem Schüleraustauschprogramm dort waren, bzw. mit diesem von dort verreisen wollten. Dadurch musste ich mir dann nach einem halben Jahr auch neue Leute suchen, da die anderen entweder ihr Jahr abgeschlossen hatten oder weggegangen sind, um ihr Auslandsjahr zu beginnen. Ich hatte aber immer meine Arbeitskolleginnen, die alle zwischen 22 und 30 waren, und somit auch nicht so viel älter als ich und eine Freiwillige von AFS Pilar, mit der ich mich sofort gut verstanden habe.

Meine Einsatzstelle

Ich habe das Jahr über in einer Tanz- und Musikschule gearbeitet, die es bei meiner Ankunft erst seit zwei Jahren gab. Das Ziel der Direktorin (selbst erst 22 Jahre alt) ist es, möglichst allen Kindern, unabhängig vom Einkommen der Eltern, die Chance zu geben, Zugang zu Tanz und Musik sowie zu den damit verbundenen kulturellen Traditionen zu bekommen. Bis es soweit ist, wird es aber wahrscheinlich noch etwas dauern, da sie ihre Lehrer bezahlen muss, sowie Räumlichkeiten und weiteres und sich eben alles noch in der “Aufbauphase” befindet.

Meine Aufgaben dort waren zum einen die älteren Schüler alleine zu Unterrichten und bei den kleineren unterstützend mit dabei zu sein, die Anwesenheit zu prüfen und den Eltern, sobald meine Spanischkenntnisse brauchbar waren, bei Fragen zur Verfügung zu stehen. Eine wirkliche Vorbereitung dafür gab es nicht, die Direktorin, die ja auch zugleich meine Gastschwester war, hat mich bei allen Schülern erst einmal vorgestellt und mich in meinen Unterrichtsstunden die ersten paar Male unterstützt, vor allem, weil ich noch kein Spanisch konnte und es dadurch schwer war, wieder für Ruhe zu sorgen, wenn die Aufmerksamkeit der Kids mal verloren ging. Nach ca. drei Wochen hab ich die Stunden dann aber bereits alleine gehalten und die Kids auch immer auf ihre jeweiligen Examen vorbereitet und Choreographien für Wettbewerbe erarbeitet und eintrainiert.

Meine Arbeitszeiten sind bis zum Ende des Jahres immer mehr geworden. Ich habe angefangen mit um die 22 Stunden pro Woche, wobei ich freitags frei hatte, aber dafür samstags zwei Stunden da sein musste. Im Laufe des Jahres hab ich dann noch einige Stunden von der Cooperativa Universitaria übernommen, die meine Schwester unabhängig vom eigentlichen Institut angeboten hat. Bei diesen mussten die Eltern keinerlei Kosten tragen, da eben alles von der Cooperativa übernommen wurde. Außerdem haben wir in einem der monatlichen Treffen aller Lehrer beschlossen, dass die älteren Schüler (ab 7 Jahren aufwärts) fürs Jahresabschlussexamen vor allem im Ballett noch einiges sicherer und exakter können sollten, weshalb ich dann ab September noch 2 Stunden mehr zur Vertiefung gehalten habe. Dadurch kam ich dann am Ende vom Jahr auf ca. 27 feste Stunden pro Woche. Allerdings habe ich aufgrund dessen, dass meine “Chefin” auch meine Gastschwester war und wir auch zusammen gewohnt haben, ihr oft außerhalb der Öffnungszeiten des Institutes geholfen, bei der Vorbereitung und Planung von Auftritten oder anderen Events, beispielsweise zum Mutter- und Vatertag oder Ähnliches. Dadurch kann ich gar nicht genau sagen, wie viele Stunden es letztendlich pro Woche gewesen sind. Wie bereits erwähnt, war ich auch wochenends arbeiten und zusätzlich zu den Samstagsstunden kamen noch einige Auftritte am Freitag bzw. Samstag gegen Nachmittag/Abend dazu, bei denen die Lehrer logischerweise auch nicht fehlen sollten.

Mir hat die Arbeit eigentlich immer Spaß gemacht und ich hab mich nie überfordert gefühlt, teilweise hatte ich, vor allem an der “Rezeption”, nicht wirklich viel zu tun und habe dann aber versucht, die Ordner zu sortieren oder mir meine nächste Unterrichtstunde zu überlegen. Obwohl es definitiv Nachteile hatte, dass meine Gastschwester auch die Direktorin ist, da ich dadurch keine wirkliche Abgrenzung zwischen meiner Arbeit und der Gastfamilie hatte, gab es einen großen Vorteil, und zwar, dass das Institut direkt neben unserem Haus war und ich somit auch während der Arbeitszeit mal kurz “rüber” gehen konnte, wenn ich etwas vergessen hatte oder meine Gastschwester mich nach drüben geschickt hat, um eine Kleinigkeit zu essen.

Gastfamilie und Unterkunft

Meine Gastfamilie hat mich total herzlich aufgenommen und meine Gastschwester (22) hat mich zu all ihren Aktivitäten mitgenommen, wodurch ich gleich viel gesehen und mitbekommen habe! Auch mein Gastbruder (20) hat mich ab und zu mal mitgenommen, allerdings viel seltener als meine Gastschwester, was möglicherweise auch daran lag, dass er oft Dinge ohne Erlaubnis der Mutter gemacht hat, bzw. im stetigen Kräftemessen mit ihr war, da meine Gastmutter eine sehr bestimmende und kontrollierende Persönlichkeit hat und er sich aber nicht mehr so viel reinredenlassen wollte. Durch ihre Art war es auch nicht immer ganz einfach für mich, aber wir haben uns arrangiert und ich hab die ganze Familie, also Vater, Mutter, meine beiden Geschwister und auch die Großeltern sehr lieb gewonnen, was auch den Abschied am Ende des Jahres echt nicht einfacher gemacht hat.

Betreuung durch AFS

Die Betreuung durch AFS Paraguay war prinzipiell echt in Ordnung, mein Ortskomitee (AFS Pilar) war super gut organisiert und auch immer für die Teilnehmer da. Allerdings sah das im Hauptbüro in Asunción und anderen Ortskomitees etwas anders aus, das hab ich persönlich zwar glücklicherweise nicht so stark mitbekommen, aber durch einige der anderen Freiwilligen schon einiges gehört. Die Grundidee in Paraguay ist, dass jeder Freiwillige (und Austauschschüler) eine Ansprechperson (Consejero/a) außerhalb der Familie hat, mit der er sich jeweils mindestens einmal im Monat trifft, oder bei Bedarf auch öfter. Ich hab mich mit meiner Consejera nicht ganz so regelmäßig getroffen, wie es vorgesehen war, allerdings war es mit dem Timing von Treffen nicht ganz so einfach, da sie immer vormittags und ich ab Nachmittags arbeiten musste, und es somit nicht einfach war, einen Termin zu finden.

Vor Ort hatten wir bei der Ankunft logischerweise ein On-Arrival Camp, was allerdings sehr stressig für uns war, da wir gegen 3 Uhr nachts am Flughafen ankamen und dann von uns erwartet wurde, dass wir am nächsten Morgen um 8 Uhr beim Frühstück sind, um dann um 9 Uhr anfangen zu können, was am Ende nicht mal der Fall war. Das Camp selber ging eben diesen Ankunftstag und den halben folgenden Tag, an dem dann mittags entweder die Gastfamilien zum Abholen kamen
oder man, wie ich, noch eine 6-stündige Busfahrt vor sich hatte. Ich glaube, da wäre es für alle Teilnehmer schön gewesen, wenn AFS Paraguay für das ganze Camp einen Tag mehr eingeplant hätte und man etwas Zeit zum Ankommen gehabt hätte, um sich beispielsweise schonmal ein wenig ans Klima und die Sprache zu gewöhnen.

Das nächste Seminar, das wir hatten, war dann das Midstay-Camp, bei dem wir erst sehr kurz davor informiert wurden, an welchem Wochenende es stattfinden wird, weshalb wir blöderweise schon Konzertkarten für den einen Abend hatten, die wir dann wieder verkaufen mussten. Das Camp an sich war gut, obwohl wir als drei Teilnehmer deutlich weniger waren, als die anwesenden Ehrenamtlichen von AFS Paraguay, was aber im Endeffekt keinesfalls negativ war. Beim End-of-Stay
Camp waren dann noch vier Schüleraustauschler dabei, wodurch wir dann wirklich mal mehr Teilnehmer als Teamer von AFS waren.

Ich hatte keine wirklich großen Erwartungen an AFS Deutschland während meines Auslandsaufenthaltes. Allerdings hätte ich mir definitiv gewünscht, dass wir von AFS Deutschland informiert worden wären, als sich unser Ansprechpartner in Deutschland änderte, was zweimal der Fall war, wobei wir aber bei keinem der beiden Wechsel informiert wurden, wer nun die für uns zuständige Bezugsperson ist. Es wäre schön gewesen, zu wissen, an wen man sich im Notfall wenden soll, und nicht dann erst die Info zu bekommen, wer denn eigentlich gerade zuständig ist.

Mit wirklich großen Konflikten oder Ähnlichem hatte ich zum Glück nicht zu kämpfen, allerdings hatte ich teilweise schon Unstimmigkeiten mit meiner Gastmutter und habe auch mal von ihr gesagt bekommen, dass ich doch bitte die Gastfamilie wechseln soll, wenn mir ihre Regeln nicht passen. Das wäre allerdings nicht gegangen, da ich dann auch die Arbeit hätte wechseln müssen, da das Institut, in dem ich gearbeitet habe, meiner Gastschwester gehörte und sozusagen im selben Haus war. Somit hätte ich sie trotzdem jeden Tag gesehen und es wäre ziemlich sicher keine “Trennung” im Guten gewesen. Es kam aber nie dazu, dass ich sowohl die Familie, als auch meine Arbeitsstelle aufgeben wollte, da ich immer Freunde und auch Kollegen hatte, die mich unterstützt haben oder mir einen neuen Blickwinkel auf die Situation geliefert haben.

Sprache und Kommunikation

In Paraguay gibt es zwei offizielle Amtssprachen, die da sind Spanisch und Guaraní. Guaraní ist eine der indigenen Sprachen Südamerikas, die auch tatsächlich noch gesprochen wird. Hauptsächlich findet die Verständigung jedoch auf Spanisch statt, wobei es ein paar Ausdrücke aus dem Guaraní gibt, die durchaus auch im alltäglichen Gebrauch verwendet werden. Wenn man mehr in den ländlichen Raum geht, spricht der Großteil der Bevölkerung beide Sprachen fließend und teilweise die älteren Leute auch nur Guaraní. Oft wird munter von der einen zur anderen Sprache gewechselt, so war es bei mir in der Gastfamilie, vor allem, wenn die Großeltern dabei waren.

Dadurch, dass ich so gut wie keine Spanischkenntnisse hatte, habe ich anfangs nicht einmal einen Unterschied gemerkt zwischen den beiden Sprachen, obwohl der Klang an sich doch schon sehr anders ist. Ich habe mit Unterstützung meiner Gastfamilie und meiner Arbeitskollegen jedoch schnell ins Spanische hineingefunden und konnte mich nach ungefähr drei Monaten gut verständigen. Ich glaube dadurch, dass in meiner Umgebung niemand wirklich gut Englisch konnte und ich gezwungen war, Spanisch zu verstehen und mich zu verständigen, ging dies auch ziemlich schnell.

Am Anfang habe ich auch meine Unterrichtstunden noch nicht alleine halten müssen, sondern meine Gastschwester war für zusätzliche Erklärungen mit dabei, und auch die Kids haben sich dann später untereinander erklärt, was ich meine, wenn mich nicht alle verstanden hatten. Am Ende des Jahres konnte ich mich aber problemlos unterhalten und höre jetzt sogar teilweise am Akzent, aus welcher Region jemand kommt.

Globales Lernen und Entwicklungspolitik

Für mich bedeutet globales Lernen, das Bewusstsein zu entwickeln, dass es unterschiedlichste Kulturen gibt, die jede einzelne ihre Art und Weise haben mit Problemen, aber auch mit alltäglichen Dingen, umzugehen. Dabei gibt es aber oft keinen “richtigen” Weg etwas zu tun, sondern jeder einzelne kann, an die Umstände angepasst, durchaus sinnvoll sein. Zudem ist nicht nur die Denkweise “des Westens” die einzig richtige, sondern auch Handlungsweisen anderer Kulturen sind mindestens genauso gut, wenn nicht sogar den Umständen entsprechend eben brauchbarer.

Sich dessen bewusst zu werden und dem Kennen-/Er- lernen von anderen Kulturen offen gegenüber zu stehen, bedeutet für mich globales Lernen.
Über Entwicklungszusammenarbeit habe ich gelernt, dass finanziell stärkere Länder meiner Meinung nach am sinnvollsten den ärmeren Unterstützung bieten, indem sie bereits bestehende Organisationen und Projekte fördern und eventuell bei Problemlösungen Lösungswege vorschlagen, aber niemals vorschreiben, was zu tun oder zu lassen ist.

Ich hoffe durch meine Erfahrungen vielleicht anderen Menschen zeigen zu können, dass wir es in Deutschland zwar wirklich gut haben, es aber nicht automatisch bedeutet, es geht allen schlecht, nur weil ein Land finanziell schlechter dasteht, bzw. es so wirkt, da es auch noch von vielen anderen Dingen abhängt. Außerdem hoffe ich, zumindest in meinem Bekanntenkreis, Bewusstsein dafür schaffen zu können, dass anders nicht immer schlecht oder gut sein muss, sondern auch einfach mal als anders stehen gelassen werden kann und nicht gewertet werden muss, da jeder seine eigenen kulturellen Werte und Normen für eine Wertung heranzieht und dadurch oft eine unpassende Basis hat.

Ich möchte mich hier in Deutschland dafür einsetzen, dass nicht nur der Austausch “nach Außen” gefördert wird, sondern vor allem auch der “Incoming”-Bereich größer wird und mehr Menschen die Möglichkeit bekommen, auch mit wenig Geld, einen Freiwilligendienst oder Ähnliches in Deutschland oder auch in anderen Ländern machen zu können.

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