Felix, Indien, 2017, weltwärts:

Felix hat seinen weltwärts-Freiwilligendienst mit AFS in Indien gemacht. Er hat in zwei Projekten mit den Schwerpunkten Gesundheit und Umwelt gearbeitet. Über seine Eindrücke aus Indien und seine Erfahrungen im Freiwilligendienst mit AFS schreibt er hier.

Land und Leute in Indien

Das Abenteuer Indien begann für mich so richtig am Flughafen in Bangalore, wo wir das erste Mal mit der indischen Bürokratie in Kontakt kamen und dessen Willkür kennenlernen durften. Manche Freiwillige mussten genau sagen, wo sie arbeiten und was sie vorhaben, um ihren Stempel in den Pass zu bekommen, wo hingegen andere einfach einen Stempel bekommen haben. Die unbesetzte Sicherheitskontrolle danach hat den ersten Eindruck gekrönt und das Bild des chaotischen Indiens war erst mal im Kopf – ein riesen Kontrast zu Deutschland.

Von der AFS-Partnerorganisation FSL India wurden wir herzlichst und auf traditionell indische Art und Weise empfangen, mit Blumenkränzen, Kerzen und Bindhis. Gäste haben in Indien oft einen ganz besonderen Status.

Im Laufe des Jahres, und auch jetzt mit einigem Abstand betrachtet, hat sich das Bild eines leicht chaotischen, aber trotzdem auf die eigene Art funktionierenden, Indien gefestigt. Gerade für „außenstehende“ – westlich geprägte – Personen mögen viele Abläufe einfach chaotisch und ungeplant wirken. So musste ich mich oft ermahnen nicht laut zu fluchen, denn früher oder später wurde das gesteckte Ziel erreicht – auf die indische Art.

Auf die indische Art

Mit dem Ausdruck „auf die indische Art“ wäre ich jedoch vorsichtig. Es gibt zwar vieles, was ich an vielen Stellen in Indien gesehen habe (chaotischen Verkehr, Straßenhunde, frühes Aufstehen) , dennoch gibt es gerade bei so vielen Menschen auch immer wieder Personen oder Orte wo alles anders ist. Momentan ist viel im Wandel, die jüngeren Generationen sind oft kritischer, digitalisierter und freier. Ich bin gespannt, wohin die Reise Indiens in den nächsten Jahren führen wird.

Ich würde fast behaupten, dass am Anfang so ziemlich alles ungewohnt war: der Toilettengang, das „aufspringen“ auf den Bus und die Zeitwahrnehmung. Doch durch die Vorbereitung und das damit geschaffene Bewusstsein war für mich kein großes Problem damit fertig zu werden. Was mich jedoch oftmals fluchen ließ, war die Arbeitseinstellung bzw. die Einhaltung von Absprachen meiner Kolleginnen und Kollegen. Häufig wurden Sachen mehrmals auf den nächsten Tag verschoben mit immer wieder neuen Gründen. Gerade am Anfang war es schwer, doch mit der Zeit habe ich mich fast dran gewöhnt und nur noch drüber gelacht.

Was mir jeden Tag aufs Neue bewusst wurde, war, dass das Essen in Indien eine große Rolle spielt. Anstatt gefragt zu werden, wie es einem ginge, wird in Indien meist gefragt, ob man schon gegessen hat. Wenn diese Frage verneint wird, dann dauert es oft nicht lange und man bekommt was zu essen – egal, ob man Hunger hat oder nicht.

Meine Projekte beim Freiwilligendienst in Indien

Da ich nach etwa vier Monaten mein Projekt gewechselt habe, werde ich im Folgenden über beide Projekte separat berichten.

Das erste Projekt: Model Village Project Sriperumbudur, Chennai

In diesem Projekt wurden fünf Dörfer im Umkreis von etwa 40 Minuten Fahrzeit betreut. Die Hauptthemen waren Gesundheit und Hygiene. Es wurde in Schulen unterrichtet, in Gemeindezentren vorgetragen oder bei der Einrichtung von sogenannten „Kitchen Gardens“ geholfen. Mein Aufgabenspektrum war weit gestreut, ich habe überall mitgemischt. Kernaufgaben waren jedoch Gesundheitsschulungen in Schulen sowie die Vorbereitung. Weiterhin war ich für die Pflege und Errichtung der „Kitchen Gardens“ zuständig.

Meine Aufgaben wurden mir von meinem Chef vorher immer erklärt, und wenn ich Fragen hatte, konnte ich mich auch immer an ihn wenden. Die Arbeit in den Gärten hingegen war meist „Learning by Doing“ und die Verständigung mit den Dorfbewohnern war schwerer als die eigentliche Arbeit – mit einem Lächeln, Händen und Füßen ging es dann aber doch meist.

Leider wurden die Arbeiten immer weniger und ich saß oft den Großteil der Arbeitszeit im Büro, warum ich dann auch gewechselt habe. An meinem letzten Tag habe ich dann auch erfahren, dass das Projekt ganz geschlossen wird, da die Geldgeber schon vor Längerem den Hahn zugedreht haben – hätte mir man auch 4 Wochen vorher sagen können.

Mein zweites Projekt: TREE Foundation India, Chennai

Das zweite Projekt habe ich mir selbst ausgesucht, nachdem ich eine Freiwillige getroffen habe, die dort gearbeitet hat. Nach einem Vorstellungsgespräch ging der Wechsel auch problemlos über die Bühne. Die TREE Foundation beschäftigt sich hauptsächlich mit dem Erhalt und Schutz von Meeresschildkröten und dem gesamten marinen Lebensraum. Es gibt eine Auffangstation für verletzte Schildkröten – die Einzige an der gesamten indischen Ostküste.

Anfangs war ich mit meiner Mitfreiwilligen für die Fütterung und Reinigung der Schildkröten zuständig, was meist den ganzen Vormittag in Anspruch genommen hat. Nach der Kröten-Pflege wurden wir dann oft mit Büroarbeit bedacht und so haben wir die Fütterungsdaten archiviert, Lehrplakate vorbereitet und Aktionen für Schulklassen geplant.

Im Laufe der Zeit habe ich immer weniger mit den Schildkröten gemacht, weil ich mit Linus einen neuen Freiwilligen bekommen habe, nachdem Sabine zum Jahreswechsel gegangen war. Zum anderen habe ich mir ein 3D-Design-Programm angefangen selbst beizubringen und dann war ich mit der Planung von einem kleinen Museum und Elefantengehegen für einen befreundeten Zoo beauftragt.

Meine Gastfamilie und Unterkunft in Indien

„Leider“ musste ich auch mit meinem Projektwechsel auch meine Gastfamilie verlassen, weil es weiter weg war und es über dem Büro eine Unterbringung für mich gab. Deshalb berichte ich auch hier getrennt.

Meine Gastfamile

Nach dem einwöchigen Ankunfts-Camp ging es für mich und meinen Mitfreiwilligen Jannis in unsere gemeinsame Gastfamilie, bestehend aus Oma und Opa, Mama und zwei Söhnen (14 und 8), der Vater kam manchmal am Wochenende nach Hause, weil er in der Stadt gearbeitet hat. Wir wurden freundlich zurückhaltend begrüßt und sind nach der anstrengenden Zugfahrt (ca. 20 Stunden) erst mal in unser Doppelbett gefallen.

Durch unsere Gastbrüder wurde das Kennenlernen sehr aufgelockert, denn der große kann gut Englisch sprechen und mit dem kleinen konnten wir einfach toben. Mit Jannis zusammen habe ich unser kleines Zimmer schnell gemütlich gemacht. Die Abläufe morgens und abends waren fast immer gleich, also haben wir uns da auch schnell rein gefunden. Über manche Sachen musste am Anfang geredet werden, jedoch immer auf einem angenehmen Niveau.

Mit der Zeit habe ich mich sehr an unser kleines Zimmer, unsere Gastbrüder und das gute Essen gewöhnt, jedoch auch immer öfter mal die Ruhe meiner eigenen vier Wände vermisst. Als ich dann ausgezogen bin, wurde ich von meinen Gastbrüdern zum Taxi gebracht und herzlich verabschiedet. Zum Glück hatte ich noch einmal die Zeit und konnte meine Gastfamilie zwei Tage besuchen.

Unterbringung im Projekt

Im zweiten Projekt habe ich über dem Büro in meinem eigenen großen Zimmer gewohnt mit eigenem Bad und sogar „echter“ Dusche und W-LAN, da fiel das Einleben sehr leicht, auch weil die Kollegen supernett sind und eine andere Freiwillige unter dem Büro gewohnt hat, also hatten wir nach Feierabend eine Art WG, was sehr angenehm war.

Leider hat eine Unterbringung im Projekt auch eine fast 24-stündige Bereitschaft zur Folge, welche manchmal auch genutzt wurde oder der Feierabend wurde auf Anfrage der Chefin unterbrochen oder verschoben. Die Verabschiedung war leider sehr stressig, weil ich noch packen musste, meine Chefin jedoch noch Entwürfe brauchte und so habe ich es leider verpasst mich von allen Kollegen gebührend zu verabschieden.

Letztendlich bin ich sehr zufrieden, wie ich untergebracht war. Zu Beginn das volle Leben und eine gute Portion Kultur(-schock) und dann als ich angekommen bin etwas mehr Freiraum und Zeit für mich.

Meine Betreuung im Gastland Indien

In Indien wurden wir von FSL India  betreut, jede Region hatte einen Koordinator oder eine Koordinatorin. Meine Koordinatorin hat sich regelmäßig bei mir erkundigt, wie es mir geht und bei Fragen hat sie mir versucht zu helfen. Des Weiteren kam sie einmal im Monat in mein Projekt für ein persönliches Gespräch mit mir und den Projektverantwortlichen. Meine Wochenzettel (auf denen stundenweise notiert wurde was im Projekt gemacht wurde) und meine Reisebescheinigung habe ich Ihr auch gegeben.

FSL India hat während der 11 Monate vier Seminare bzw. „camps“ organisiert: Das On-Arrival-Camp zu Beginn und das End-of-Stay-Camp zum Schluss waren mit allen AFS-Freiwilligen und das Quarterly-Stay-Camp im November sowie das Mid-Stay-Camp im Februar waren regional organisiert.

Auf den Seminaren haben wir mit den anderen Freiwilligen und dem Team von FSL India unsere Erwartungen mit den Erfahrungen verglichen und ausgiebige Gespräche mit unseren Koordinatorinnen und Koordinatoren gehabt. Außerdem gab es so eine Basis sich mit anderen Freiwilligen auszutauschen und Erlebtes zu erzählen.

Sprache und Kommunikation in Indien

Bevor ich nach Indien gegangen bin, habe ich gedacht, dass die indischen Menschen „indisch“ reden – falsch gedacht. Fast jeder Bundesstaat hat seine eigene Sprache, weit verbreitet ist jedoch Hindi im Norden und Englisch-SprecherInnen gibt es auch immer mehr.

Mit meiner Familie habe ich meist Englisch geredet, da mein Gastbruder gut Englisch konnte und so oft als Übersetzer fungierte. Zwar haben wir Sprachunterricht bekommen, jedoch hat der bei mir nur für ein Basiswissen und ein bisschen Smalltalk gereicht, was jedoch oft für positive Verwunderung gesorgt hat. Ein „Vanakam“ („Guten Tag“ auf Tamil) hat oft schon ein Lächeln in die Gesichter der Anwesenden gezaubert.

Mit meinen Kollegen im Büro habe ich nur Englisch gesprochen, was am Anfang oft schwerer war als gedacht, da das „indische Englisch“ teilweise sehr unterschiedlich ist zu meinem „Schul-Englisch“. Im zweiten Projekt habe ich von meinen Kollegen sogar noch neue Wörter beigebracht bekommen – englische sowie tamilische.

Im Alltag kam ich mit meinen Sprachkenntnissen gut über die Runden, mehr Tamil hätte auf keinen Fall geschadet, doch ich habe meist das erreicht, was ich wollte. Oft wurden auch Tamil-Versuche mehr belächelt als verstanden, da die Aussprache nicht perfekt war oder im Nachbardorf ein anderer Dialekt gesprochen wurde.

Zusammenfassend kann ich sagen, dass mein Wortschatz sich erweitert hat, sich meine Grammatik jedoch stark verschlechtert hat, da es einfach nicht so wichtig war „schöne“ Sätze zu bilden und diese oft einfach nicht verstanden wurden.

Globales Leben und Entwicklungspolitik

Durch meinen 11-monatigen Aufenthalt in Indien habe ich gelernt, das globale Lernen nicht nur bedeutet woanders zu lernen, sondern auch anders, mit anderen und für andere. „Andere Länder, andere Sitten“, diese Aussage trifft es einfach wunderbar. Ich will gar nicht sagen, dass die indischen Menschen komplett anders ticken oder ihre Art verallgemeinern, sondern sagen, dass ich für mich gelernt habe, dass es überall auf der Welt Menschen mit anderen Eigenschaften, Sitten und Interessen gibt. Das ist gut so und das sollte respektiert werden. Respekt ist gerade beim interkulturellen Austausch extrem wichtig, um niemandem vor den Kopf zu stoßen oder negativ aufzufallen.

Ich habe oft gemerkt, dass gerade die AFS-Freiwilligen sehr bedacht und respektvoll mit den Menschen und der Kultur umgegangen sind. Bei manchen Touristen oder Reisenden habe ich mich oft gefragt, ob sie nicht über ihr Handeln nachdenken.

Für meine Zukunft habe ich mir vorgenommen, mich ehrenamtlich bei AFS zu engagieren und Teamer zu werden, um aktiv junge Menschen auf ihre Auslandserfahrungen vorzubereiten und Interessierte zu informieren. Ich glaube auch, dass mein Denken kritischer geworden ist und ich weltoffener geworden bin bzw. manche Situationen besser verstehen kann.

Ich denke, wir sollten alle weltoffener und tolerant sein. Und vor allem unser eigenes Handeln hinterfragen und mit den kleinen Dingen die Welt verändern.

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