Marvin, Malaysia, 2017, IJFD:

Marvin hat seinen Freiwilligendienst in Malaysia mit AFS und dem Internationalen Jugendfreiwilligendienst (IJFD) gemacht. Er hat im Eden Handicap Service Center gelebt und gearbeitet und sich intensiv auf Begegnungen mit unterschiedlichen Menschen vor Ort eingelassen. Was er dabei erlebt und gelernt hat, schildert er hier.

Land und Leute

Als ich meinen Fuß das erste Mal auf malaysischen Boden gesetzt habe und aus dem Flughafen hinaus in diese neue Welt gegangen bin, fühlte ich auf einmal einen Schlag im Gesicht. Aber dort war niemand, es war lediglich das Klima was mich in die Knie zwingen wollte. Doch nach dem ersten überstandenen „Hitzeschlag“, gewöhnte ich mich schnell an die drückende Wärme und lernte sie, aufgrund meiner Schwimmausflüge und nächtlichen Abenteuer, zu lieben.

Wir verbrachten die ersten Tage in Kuala Lumpur, der Hauptstadt von Malaysia, auf unserem On-Arrival Camp und wurden langsam an unser neues Leben herangeführt. Ich war komplett von Euphorie und Aufregung durchflutet und freundete mich schnell mit einigen anderen AFSern an.

Ich hatte das Glück meinen Freiwilligendienst auf der Insel „Pulau Pinang“ anzutreten und hätte nie geahnt, was mich alles erwartete. Die Penang Volunteers verbrachten ein paar Tage mehr in KL (niemand sagt Kuala Lumpur) und wurden von der AFS Malaysia 18+ Koordinatorin dort herumgeführt. Schnell kamen wir mit Menschen in Kontakt und ich war begeistert, wie freundlich wir empfangen wurden.

Innerhalb des ganzen Jahres wurde mir bewusst, dass in Malaysia eine gewisse „White Supremacy“ herrscht. Wenn man als Europäer oder Amerikaner in Malaysia oder anderen angrenzenden Ländern herumreist, wird man schnell mit Geld und Reichtum in Verbindung gebracht und somit hoch angesehen. Oft wurde ich auf der Straße angesprochen, ob eine Person ein Foto mit mir machen kann. Natürlich habe ich die ganze positive Aufmerksamkeit auch ein bisschen genossen, aber als ich immer wieder von meinen malaysischen Freunden damit aufgezogen wurde, dass ich nur so gut behandelt werde, weil ich weiß bin, sind mir auch die Schattenseiten bewusst geworden und ich habe mich ein bisschen geschämt. Mir sind in meinem Jahr viele weitere Dinge bewusst geworden, denn umso mehr die Zeit voranschritt, umso mehr bin ich mit dem Land verschmolzen und tiefer in die Mentalität und Kultur eingetaucht.

Am Anfang war ich steif und unbeholfen in meinem Umgang mit den Menschen und anderen unbekannten Situationen, sei es eine einfache Konversationen auf der Straße, der Austausch von Floskeln oder das gemeinsame Essen. Mit der Zeit jedoch habe ich nicht nur gelernt, wie ich in der malaysischen Kultur zurecht komme, sondern auch, wie ich im Allgemeinen mit fremden Kulturen und Situationen umgehe, denn Malaysia hat nicht nur eine Kultur, sondern viele mehr. Ich habe gelernt, mit Gabel und Löffel, anstatt Messer, zu essen, mit Stäbchen und sogar mit meinen Händen. Da ich offen war, meine eigene Kultur abzulegen und Neues zu lernen, habe ich die oberflächlichen kulturellen Unterschiede schnell überwunden. In Malaysia wird oft kein Klopapier benutzt, stattdessen findet man einen Wasserschlauch neben der Toilette, welchen ich nie wirklich gemeistert habe und somit die Toilette meist mit nasser Hose verlassen habe, was aber kein Problem war, da es in der Wärme egal war, ob ich nass oder trocken war, denn geschwitzt habe ich sowieso die meiste Zeit. Allein das Klima ist für viele kulturelle Unterschiede verantwortlich, zum Beispiel wird erwartet, dass man sich mindestens zweimal am Tag duscht und die Klamotten auch meist wechselt. So war es normal, dass bei Freunden zu Hause oft angeboten wurde, zu duschen (vielleicht habe ich auch zu sehr gestunken).

Es gibt viele weitere kulturelle Differenzen, kleine und große, wie zum Beispiel den Respekt, den man den Älteren entgegenbringt. Selbst wenn ältere Menschen nicht viel über bestimmte Themen wussten, haben sie oft ihre Meinung von sich gegeben und meistens wurde erwartet, dass man ihnen zuhört und nicht widerspricht. Die hohe Stellung in der Gesellschaft, die man mit dem Alter erreicht, hatte viele Auswirkungen auf die Mentalität der älteren Personen und oft ist mir aufgefallen, dass diese eine unbelehrsame Arroganz besaßen, was ich leider nur sehr schwer hinnehmen konnte. Besonders anfangs hatte ich Probleme damit, keine Widerworte zu geben, aber mit der Zeit habe ich gelernt, es hinzunehmen. Dies ist lediglich meine persönliche Erfahrung und ein Punkt, in dem ich Probleme mit meiner Einfindung in die Kultur hatte.

Obwohl es die andere Seite der Welt war und zahlreiche kulturelle Unterschiede uns trennten, habe ich viele Menschen kennengelernt und auch viele neue Freunde gewonnen, die die gleichen Träume teilen und über die gleichen Witze lachen, wie ich. In der heutigen Zeit des Internets und der Globalisierung sind kulturelle Unterschiede leichter zu überbrücken als früher, besonders Menschen in meinem Alter identifizieren sich, meinen Erfahrungen nach, oft mit globalen Subkulturen, anstatt mit der des Heimatlandes.

Meine Einsatzstelle

Als ich in meinem Projekt angekommen bin, wurde ich kurz in meiner Unterkunft herumgeführt und am anschließenden Tag auch in mein Arbeitsleben eingewiesen. Mir wurde nicht viel erklärt. Das meiste musste ich durch Beobachten und Fragen herausfinden. Viele Dinge im Alltagsleben waren anders, als in Deutschland, und konnten auch nicht wirklich erklärt werden.

Mein Projekt, das Eden Handicap Service Center, bestand aus drei Hostels, einem für die Frauen, einem für die Männer und einem für die Kinder. Gewohnt habe ich im Männer-Hostel und gearbeitet im Kinder-Hostel. Mein Arbeitstag begann um 12 Uhr, wenn ich, zusammen mit unserem Fahrer, die Kinder von einer speziellen Schule abholen musste. Angekommen im CH (Children Hostel) gab es Mittagessen und eine anschließende Waschphase, in der ich die Jungs beim Duschen beaufsichtigen musste.

Um 14 Uhr sind wir dann in die „Study Hall“ gegangen, was der Aufenthaltsraum für die Kinder war, wo wir den Großteil des Nachmittags verbracht haben. Dort wurde gespielt, gegessen, gebetet und gelernt, wobei sich das Lernen aufgrund der Behinderungen eher schwierig gestaltet hat. Den größten Teil meiner Arbeitszeit habe ich in diesem Raum verbracht, da ich für die Kinder verantwortlich war, während meine Kollegen Büro und Wartungsarbeiten erledigt haben. Ich habe Streit geschlichtet, Spielzeuge verteilt, die Kinder zur Toilette geführt und Essen serviert. Oft hatte ich auch ruhige Phasen in denen ich gelesen oder am Handy gespielt habe.

Mein Arbeitsleben hat mir in den ersten sechs Monaten wirklich viel Spaß gemacht, da ich jeden Tag neue Dinge gesehen oder gelernt habe und meine Kollegen mir auch viel beigebracht und erzählt haben. In der Anfangszeit gab es jeden Tag etwas Neues, auf das ich mich freuen konnte, und so kam ich nie in einen völlig tristen Alltag. Nach sechs Monaten allerdings haben uns einige Kinder, am Ende des Schuljahres, verlassen, da sie die Schule abgeschlossen haben und nicht mehr im Children Hostel bleiben konnten. Entweder mussten sie ins Hostel für die Erwachsenen wechseln und sich an den Arbeitsaufgaben der Älteren beteiligen oder Eden verlassen.
Die jüngeren Kinder waren leider nicht sehr aufnahmefähig und somit fiel ein Großteil meiner Beschäftigungsmöglichkeiten weg. Die älteren Kinder waren teilweise sehr aufnahmefähig (abhängig von der Behinderung) was mir ermöglichte, mit ihnen Spiele wie z.B. „Dame“ zu spielen, sie in Englisch oder Mathematik zu unterrichten oder Fragen über Malaysia und das Leben zu stellen. Die folgenden fünf Monate habe ich mich weniger auf die Arbeit gefreut und immer öfter auf die Uhr gestarrt und den Feierabend herbeigesehnt. Ich habe mich gefühlt, als wäre ich nach einem anfänglichen Sprint zum Stillstand gekommen. Außerdem habe ich immer mehr Menschen kennengelernt und Beschäftigungen für meine Freizeit gefunden, weshalb ich mich lieber darauf konzentriert habe.

Aber neben der täglichen Routine gab es auch besondere Aufgaben. Manchmal sind wir zu einer Schule gefahren und haben dort Spenden, in Form von Resten aus der Cafeteria, abgeholt oder ich musste ein Kind zum Arzt oder ins Krankenhaus bringen, damit ein Routine Check durchgeführt werden kann. Eden hatte das Glück, dass ein Arzt aus der Umgebung die Kinder kostenlos behandelt hat. Durch meine etlichen Besuchen bei ihm (ich war auch öfters krank) habe ich mich mit ihm angefreundet und er hat mir von seinen unzähligen Reisen als Student und später als Repräsentant für die UN erzählt.

Außerdem wurden wir auch oft zu sogenannten Charity Dinners oder anderen Festivals eingeladen, bei denen uns meist ein köstliches Essen, viel Unterhaltung und sogar Geschenke erwarteten. Viele Organisationen und Firmen leisten ihren Beitrag in der Gesellschaft und unterstützen Organisationen wie Eden in Form von Spenden oder eben diesen Veranstaltungen.

Zusammengefasst habe ich ungefähr 30 Stunden pro Woche gearbeitet und gelegentlich an Events teilgenommen, welche abends oder am Wochenende stattfanden. Außerdem habe ich mit meinen Fähigkeiten im Bereich der Mediengestaltung geholfen und oft Fotos oder Grafiken erstellt.

Gastfamilien und Freunde

Viele Werte und Normen kann man nicht durch Bücher und Erklärungen lernen, man muss in das Leben eintauchen, beobachten und sich anpassen. Wobei das Anpassen hier in meinem Fall fast automatisch passiert ist. Anfangs habe ich mich oft gewundert, warum meine Freunde Stunden damit verbringen können, über Essen zu reden. Nach einiger Zeit aber habe ich mich selber dabei ertappt, wie ich das Essen aus Japan meinen Freunden, lang und ausführlich beschrieben habe. Auch der Humor in Malaysia ist etwas ganz besonderes. Gerne werden Wörter aus anderen Sprachen benutzt und in einer satirischen Weise verwendet. Doch das ist nur ein kleines Beispiel, denn der Humor ist sehr vielfältig und besitzt viele Variationen.

Gewohnt habe ich in einer Unterkunft meines Arbeitsplatzes. Das Haus wurde von den Männern mit Behinderung bewohnt, somit musste ich mir Bad und Küche teilen. Ich selber hatte ein angemessenes Zimmer mit Bett, Schreibtisch, Mikrowelle, zwei Ventilatoren (die auch dringend nötig waren) und ein paar kleinen Schränken. Die Küche und das Bad wurden gemeinschaftlich verwendet und auch wenn meine Mitbewohner manchmal ein bisschen lauter wurden, habe ich mich sehr wohl gefühlt und mich mit allen gut verstanden. Obwohl ich der jüngste war, nannten mich die meisten „koko“ (=großer Bruder) und waren oft sehr interessiert an meinen Alltagsaktivitäten.

Der Betreuer des Hostels hat mir am Anfang zwei Schlüssel für die Tore in die Hand gedrückt, weshalb ich keine Beschränkungen bezüglich der Ausgehzeiten hatte. Ich konnte meine Freizeit selbständig verbringen und da ich mich auch selber um mein Essen kümmern musste, kam mir das sehr gelegen.

In Malaysia ist es tagsüber, wie auch nachts, warm, weshalb auf den Straßen fast immer etwas los ist. Das Nachtleben war fast genauso aufregend, wie das Leben unter der Sonne und dank des leichten Temperatur Nachlasses auch sehr angenehm. Man hat zu jeder Zeit immer etwas zu essen bekommen und Leute getroffen. Viele Läden hatten 24 Stunden lang geöffnet, was dazu führte, dass ich nachts oft mit meinen Freunden unterwegs war. Wir waren Essen, am Strand, haben Fußball geguckt (Aufgrund der Zeitverschiebung sind die Übertragungen nachts) oder waren im Internet Café, das typische Leben eines jungen Asiaten in Penang. Da ich viele Interessen mit meinen Freunden teilte, meinten sie sogar manchmal, dass ich eigentlich ein Asiate im Körper eines Europäers sei. Aber wie schon gesagt, durch die Globalisierung und Erfindungen wie das Internet ist die Generation Y etwas ganz besonderes. Dank sozialer Medien und anderer internationaler Strukturen entsteht immer mehr eine gemeinsame „Internet“kultur.

Der Abschied fiel mir sehr schwer und ich bin sehr dankbar für die Menschen, die ich kennengelernt habe und für die tollen Erfahrungen, die ich machen durfte. Die Menschen in Malaysia haben mir viele schöne Seiten des Lebens gezeigt und mir Werte näher gebracht, die mir vorher unbekannt waren.
Die Gastfreundlichkeit unterscheidet sich von der, mit der ich aufgewachsen bin. Das habe ich auch besonders in den Gastfamilien gemerkt. Oft war die Atmosphäre viel wärmer und aufgeschlossener. Ich war sehr zufrieden mit meiner Balance zwischen der Selbständigkeit im Projekt und den kulturellen Erfahrungen in den Gastfamilien. Insgesamt habe ich an die drei Wochen in drei Gastfamilien verbracht. Diese Zeit hätte auch etwas länger sein können, aber hat gereicht, um einige wichtige Erfahrungen zu machen. Das Familienleben konnte ich ausreichend kennenlernen, da ich auch oft bei meinen Freunden zuhause war.

Zu meinen ersten Eindrücken in den Gastfamilien ist zu sagen, dass ich meist überrascht war. Die Lebensweise ist anders als in Europa, besonders durch das Klima gibt es viele Unterschiede wie z.B. eine Außen-Küche oder keine Fenster. Eine Gastfamilie hatte keine Dusche, sondern benutzte einfach nur eine Kelle. Da all diese Sachen ungewohnt für mich waren, war ich überrascht, aber nicht negativ, da ich wusste, was auf mich zukommt, und mich sogar darauf gefreut habe, das Leben von anderen Seiten zu sehen. Ich habe gelernt, dass ich viele Dinge gar nicht brauche, um glücklich zu sein.

Andererseits habe ich viele Aspekte in meinem Heimatland zu schätzen gelernt. Besonders während der Wahlen, als Pakatan einen historischen Sieg gegen Barisan Nasional eingeholt hat, habe ich gemerkt, wie wichtig eine funktionierende und gewissenhafte Regierung ist. In der Nacht der Wahlen habe ich mitgefiebert und mich mehr mit Malaysia verbunden gefühlt als je zuvor. Zusammen mit meinen Freunden haben wir die Wahlen im Live Ticker verfolgt und zahllose politische Diskussionen gehabt. Als Pakatan gewonnen hat, entstand ein unbeschreibliches Gefühl der Gemeinschaft in mir und im ganzen Land. Menschen überall haben diesen Sieg der Hoffnung zusammen gefeiert und sind tagelang jubelnd auf den Straßen herumgelaufen.

Betreuung durch AFS

AFS Malaysia ist in Chapter eingeteilt und jedes Chapter entspricht einem Staat. Ich war im Staat Penang. Genauer gesagt auf einer Insel nahe der malaysischen Küste, nördlich von Kuala Lumpur. Als die Projekte der Freiwilligen bekannt gegeben worden waren, wurde mir oft gesagt, dass ich viel Glück mit Penang habe. Und so war es auch, Penang ist einer der beliebtesten Orte in Malaysia und, dank der großen Diversitäten und vielen Möglichkeiten, die die Weltkulturerbestadt Georgetown, bietet, auch eine meiner Lieblingsstädte.

AFS war auf dieser Insel zahlreich vertreten, es gab viele junge und ältere Ehrenamtliche, Austauschschüler, Mitarbeiter und andere involvierte Personen. Leider haben wir davon nicht viel mitbekommen, da unsere AFS-Aktivitäten oft getrennt von denen der Schüler durchgeführt wurden. Des Weiteren hatten wir zwar eine Verbindungsperson, aber Kontakt, der über unseren Sprachunterricht und die monatlichen Berichte (was übers Handy geregelt wurde) hinausging, hatten wir nicht. Somit waren die Freiwilligen der vorherigen Anreise unsere einzige Anschlussmöglichkeit ans soziale Leben auf der Insel. Glücklicherweise wurden wir von ihnen herumgeführt und einigen Personen vorgestellt. Dies war der Grundbaustein, der für unser soziales Leben in diesem Jahr, gelegt wurde und unser AFS Chapter war offiziell kaum daran beteiligt, was ich sehr schade fand, da die anderen Chapter oft private Aktivitäten, wie z.B. eine Weihnachtsfeier mit den einheimischen Ehrenamtlichen gemeinsam hatten.

Im Großen und Ganzen war ich mit der Betreuung allerdings zufrieden, ernste Probleme wurden, meiner Erfahrung nach, aufgenommen und so schnell wie möglich gelöst. Dennoch war die Kommunikation nicht immer perfekt und auch viele Handlungen und Entscheidungen waren für mich nicht nachvollziehbar. Außerdem ist von AFS zu erwarten, dass die Mitarbeiter reflektiertes und gebildetes Verhalten an den Tag legen und ihre Entscheidungen aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten. Aber genug mit der Kritik, ich stehe nach wie vor hinter AFS und die negativen Erfahrungen werden von den positiven stark übertroffen.

Wir hatten einige Seminare, die zwar leider etwas abgeschieden von der Zivilisation stattfanden, aber trotzdem meine Erwartungen erfüllt haben. Die Teamer waren super und das Programm war, wie gewohnt, hilfreich und informativ. Außerdem blieb sogar fast genug Freizeit zum Essen, sich Austauschen und die Umgebung Erkunden. Ich habe mich immer auf die Seminare gefreut, da sie wie ein kleines Timeout waren, an dem ich mein Leben in Malaysia metaphorisch von oben betrachten konnte, vergangene Erlebnisse besser verstand und die Zukunft ein bisschen besser planen konnte.

Auch AFS Deutschland hat meine Erwartungen erfüllt. Bei den Vorbereitungsseminaren habe ich sehr viel gelernt und meine Vorfreude ist durch die Gespräche mit den Teamern noch weiter gestiegen. Auch meine Ängste wurden mir dank der lockeren Atmosphäre und den verständnisvollen Teamern größtenteils genommen.

Sprache und Kommunikation

Ein Grund, warum ich nach Malaysia gegangen bin, war die Sprache, denn in Malaysia wird neben Malay, Mandarin, Hokkien und Tamil auch viel Englisch gesprochen und so gut wie jeder Bürger besitzt Grundkenntnisse. Ich habe angefangen, Malay zu lernen und auch einen Sprachkurs von AFS erhalten, aber mein Projekt war chinesisch und es wurden überwiegend Hokkien und Englisch gesprochen, weshalb ich anfangs wenig Bezug zu der offiziellen Amtssprache hatte.

Nachdem ich aber angefangen habe, zu reisen und viel Zeit mit Einheimischen verbracht habe, wurden meine Sprachkenntnisse, dank der alltäglichen Nutzung, besser. Dennoch habe ich die Sprache kaum benötigt und konnte am Ende lediglich einfache Alltagsszenarien bewältigen oder einzelne Wörter in einen englischen Satz einbauen, was aber auch weiterhin kein Problem war, da die meisten Leute Englisch verstehen und ich somit nie hilflos herumirren musste. Mit „meinen“ Kindern auf der Arbeit habe ich mit Zeichensprache oder einem Mix aus Hokkien, Bahasa und Englisch, oberflächlich kommuniziert.

Eine Entwicklung im Bereich meiner kommunikativen Fähigkeiten konnte ich definitiv feststellen. Mit zunehmender Zeit habe ich viele Wörter und Redensarten gelernt, aber auch den malaysischen Redestil angenommen. Neben einigen Veränderungen in meinen Meinungen und Werten, war die Veränderung in meiner Sprache die auffälligste.

Globales Lernen und Entwicklungspolitik

In diesem Auslandsjahr lernte ich viele Dinge, große, lebensverändernde Dinge, aber auch kleinere, nicht so einflussreiche Dinge. Vor allem aber lernte ich, wie groß die Welt eigentlich ist. Bisher kannte ich immer nur eine Art zu leben, es gab zwar einen Spielraum bei den Werten und Einstellungen, die mir für den Rahmen meines Lebens beigebracht worden sind, aber im Grunde war es alles ziemlich geradlinig. In diesem Jahr aber erfuhr ich so viele neue Einflüsse und lernte so viele neue Lebensweisen kennen, dass dieser Rahmen geplatzt ist. Das Leben erscheint viel bunter und voller Möglichkeiten.

Globales Lernen bedeutete für mich, in diesem Jahr, meinen Rahmen zu sprengen und viele fundamentale Werte und Gewohnheiten zu hinterfragen. Deswegen wollte ich auch keinen Freiwilligendienst in Deutschland oder Europa machen, sondern in einer fremden Kultur, welche es mir ermöglicht, meine eigene Kultur aus einer neuen Perspektive zu betrachten. Globales Lernen vergrößert den Rahmen erheblich und man erhält ganz neue Ansätze, Probleme zu lösen, Probleme, wie die Frage nach dem heutigen Essen, aber auch Probleme, wie Toleranz, Integration oder die Frage nach den Zielen im eigenen Leben.

Auf unseren Vorbereitungsseminaren haben wir uns schon mit Entwicklungszusammenarbeit befasst und darüber diskutiert, ob unser Freiwilligendienst überhaupt eine Veränderung schafft. Es gibt Industrieländer, Schwellenländer und Entwicklungsländer, die jeweils kapitalintensive oder arbeitsintensive Güter produzieren, aber dennoch sind die Entwicklungsländer meist die Verlierer in der Weltwirtschaft, weshalb es viele Organisationen aus Industrieländern gibt, die versuchen, bessere Arbeitsbedingungen und nachhaltige Strukturen zu schaffen, welche für einen allgemeinen höheren Lebensstandard in den Entwicklungsländern sorgen sollen. Auch AFS kann zu diesen Organisationen gezählt werden, da viele Freiwillige mit dem entwicklungspolitischen Dienst, weltwärts, in Entwicklungsländer gesandt werden, um dort mit ihrem Engagement zu helfen.

Ich selber aber würde mein Jahr nicht direkt als Entwicklungszusammenarbeit beschreiben, wenn man aber die Auswirkungen mit einbezieht, bringt es definitiv eine Veränderung und kann somit im Großen und Ganzen doch als Entwicklungszusammenarbeit gesehen werden. Meine Arbeit in einem Heim für Menschen mit Behinderung war definitiv ein helfender Beitrag und hat die Arbeiter vor Ort in vielen Bereichen entlastet. Doch dies alles geschah nur auf einem sehr oberflächlichen Level. Ich sehe den Sinn von AFS hier eher in der Zukunft, denn die entwicklungspolitischen Freiwilligen verbringen viel Zeit in dem betroffenen Gebiet und bauen daher eine Verbindung auf. Sie lernen die Menschen persönlich kennen und werden, mit ihren eigenen Augen, Zeuge der Zustände, was ihnen auch beim Verständnis der Probleme hilft. Somit werden Menschen geschaffen, welche die Motivation besitzen, etwas zu ändern, da sie einen persönlichen Bezug zu den Problemen haben und diese aus einer erweiterten Perspektive kennen.

Umso mehr Austausch zwischen den Nationen der Welt geschieht, umso mehr wird die Welt zu einer Einheit zusammenwachsen und Probleme werden durch das Ziehen an einem Strang gelöst. Durch interkulturelles Lernen fällt es einfacher, zusammen zu arbeiten und kulturelle Hürden werden leichter überwunden. Denn im Zeitalter der Krise sollten keine Mauern, sondern Brücken gebaut werden. Entwicklungszusammenarbeit und interkulturelles Lernen erschaffen nachhaltige Strukturen, um die Probleme unserer Zeit anzugehen, und ermöglichen die gemeinsame Suche nach Lösungen.

Aber das Ganze birgt nicht nur Vorteile für die Allgemeinheit, sondern auch für die eigene persönliche Entwicklung, wie hoffentlich schon aus den vorherigen Abschnitten hervorgegangen ist. Mein Auslandsjahr hat mir eine buntere Welt gezeigt und mir wurden Seiten des Lebens vorgestellt, die ich vorher noch nicht kannte. Dieses Wissen will ich so gut wie möglich weitergeben, aber wirkliches Verständnis kann man nicht nur mit Worten weitergeben, deswegen sehe ich meine Aufgabe darin, Leute zu motivieren, über den eigenen Schatten zu springen. Das gilt nicht nur für den Schritt ins Ausland, sondern auch für alltägliche Situationen.

Für meine Zukunft hoffe ich, mich in einer globalen Community an meiner Universität einbringen zu können und eventuell als Mentor für Austauschstudenten tätig zu werden. Außerdem werde ich mich weiterhin bei Projekten des Kreisjugendrings (lokale Organisation für Jugendaustausch) engagieren und auch hoffentlich bald bei AFS mitwirken können. Ich hoffe, dass der deutsche Staat weiterhin Organisationen wie AFS unterstützt und die Förderungen von internationalen Projekten im Bereich des interkulturellen Austausches ausgebaut werden.

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