Maximilian, Türkei, 2016, Schuljahr im Ausland mit Mercator-Stipendium:

Ich kann mich noch ganz genau erinnern, wie ich nach meinem 3-tägigen AFS-Camp in Istanbul am Flughafen Antalya ankam. Das war am 06.09.16 und obwohl der Sommer für Antalyas Verhältnisse schon längst vorbei war, war es für mich als Mitteleuropäer eine Qual, nur einen Fuß aus dem klimatisierten Flughafen zu setzen. Es waren immerhin noch um die 35 Grad. Nachdem ich nach kurzen Orientierungsschwierigkeiten den Ausgang des Flughafens gefunden hatte, wurde ich auch schon von meinem Gastbruder, Gastvater und einer Betreuerin von AFS begrüßt. Als mein Gepäck im recht neu aussehenden weißen Benz verstaut war, ging es auch schon los und wir stürzten uns in den Nachmittagsverkehr Antalyas.

Mein neues Zuhause

Nach halbstündiger Todesangst in demselben, erreichten wir mein neues zu Hause für die nächsten 10 Monate und mir war sofort klar, dass es eine super Zeit werden würde. Meine Gastmutter wartete schon mit Kuchen und dem typischen schwarzen Tee auf uns und wir ließen es uns schmecken. Wie sich herausstellte, sprachen nur mein Gastvater und mein Gastbruder Englisch und es wurde eine sehr interessante aber durch die Sprachdifferenzen auch sehr lange Unterhaltung. Am Abend schrieb ich meine Erlebnisse in meinem Tagebuch nieder und ließ meinen ersten Tag noch mal Revue passieren. Dabei verarbeitete ich meine ersten Eindrücke, die ich hatte, wie zum Beispiel den chaotischen Verkehr, die skurrile Mülltrennung,  meinen Ausblick auf das Mittelmeer, die fünfmaligen Rufe des Muezzins, aber auch die enorme Armut, die sich im Straßenbild Antalyas widerspiegelt.

In der Türkei wird jedem geholfen

Nach meinem heutigen Wissenstand kann ich meine Ersterfahrungen nur bestätigen und ergänzen, dass die Leute nicht nur chaotisch fahren sondern auch so laufen. Das gleichen sie aber durch die enorme Nettigkeit und vor allem Zugängigkeit mehr als aus. Man merkt schon die arabisch anmutende Mentalität der Menschen, welche mich sehr beeindruckt. Ob es nun das Schenken von 2 Lira an einen fremden Mann ist, der mit dem Fahrrad einen Platten hat und nach Hause möchte, oder das einem 17 jährigen Deutschen helfen, der völlig überfordert im Bus steht, und nicht weiß, wo er aussteigen muss. Jedem wird geholfen. Auch wenn die sprachliche Verständigung meist der Gestikulation und wildem Rumfuchteln mit Armen und Beinen Platz machen musste. Englisch ist zwar eine Fremdsprache, die in den Schulen gelehrt wird, aber diese eher vernachlässigt wird, da das Augenmerk mehr auf den Naturwissenschaften liegt.

Schule in der Türkei

Die Schule in der Türkei ist noch mal ein ganz eigenes Kapitel. Als erstes muss ich anmerken, dass das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler ein ganz anderes ist als in Deutschland. In der Türkei ist der Lehrer mehr dein Freund, denn eine alles kontrollierende Respektsperson. Es kann also sein, dass der Lehrer am Sonntag mit zum Klassenbarbecue eingeladen wird oder ihm von den Schülern eine neue Tafel für den Unterrichtsraum gekauft wird, wenn die Schule dafür kein Geld hat.

Natürlich gibt es auch Augenblicke, in denen die Disziplin großgeschrieben wird. Zum Beispiel bei dem an jedem Montag und Freitag abgehaltenen Fahnenappell oder der Schuluniformkontrolle. Bei der Schuluniformkontrolle wird darauf geachtet, ob der Schüler keine verbotenen Sachen trägt (z.B. Schminke, Parfüm, Schmuck), außerdem wird auch das korrekte Anlegen und die Sauberkeit der Schuluniform untersucht. Natürlich waren diese Dinge am Anfang ungewohnt für mich aber jetzt nach 4 Monaten muss ich sagen, dass mir diese Zeremonien sehr gefallen, da durch sie der nationale Zusammenhalt gesteigert wird, dessen Auswirkungen man überall spürt.  Generell wird die Nationalzugehörigkeit mehr hervorgehoben als in Deutschland. Ob es nun die türkischen Fahnen oder die Atatürk Portraits sind, überall kann man ein Stück türkische Geschichte entdecken.

Das türkische Essen wird immer mit Joghurt serviert

Insgesamt muss ich aber sagen, dass ich mich nicht großartig umstellen musste, um mich in Antalya zu integrieren, was aber auch daran liegt, dass Antalya durch den Tourismus eher westlich orientiert ist. Natürlich gibt es ein paar Sachen, an die man sich als Deutscher erstmal gewöhnen muss, vor allem, wenn man in einer türkischen Familie lebt. Einmal ist das zum Beispiel das Essen. Es wird immer reichlich und gehaltvolles Essen aufgetragen und dieses wird immer und ich meine wirklich immer mit Joghurt serviert. Ob Nudeln, Brot oder Chips immer gibt es eine Schüssel Naturjoghurt und Ayran (eine trinkbare Form von Naturjoghurt mit Salz) dazu.

Freizeit und Freunde

Durch die lange Schulzeit und die freiwilligen Unterrichtsstunden am Samstag, ist es leider etwas schwierig, nach der Schulzeit noch großartig etwas zu unternehmen oder mit Freunden rauszugehen. Aber wenn man mal Lust und Zeit hat, trifft man sich in einem Kahve oder einer Shishabar, welche ein reger Austauschsplatz von Informationen ist.
Außerdem werden dort verschiedene Gesellschaftsspiele gespielt, zum Beispiel Tavla (Backgammon) oder Okey.
Auch das Ausspannen in einem der zahlreichen Imbisse ist ein viel genutzter Zeitvertreib. Als sportliche Alternative ist der Besuch eines Fitnesscenters oder Kampfsportclubs sehr beliebt. Natürlich kann man in den Sommermonaten auch hervorragend verschiedene Wassersportarten ausprobieren.

Türkische Gastfreundschaft

Zum Thema Gastfreundschaft möchte ich unbedingt noch eine Erfahrung loswerden, die ich während des Opferfestes gemacht habe. Während des Opferfestes waren wir bei den Eltern meines Gastvaters, sehr gläubigen Muslimen. Das Opferfest ist eine Feierlichkeit, bei der Gott mit einem Opfer (in unserem Fall eine Ziege) gedankt wird.
Von dem Opfer wird dann ein Teil den Armen gegeben, ein Teil mit der Familie gemeinsam gegessen und der Rest unter den Familienmitgliedern verteilt.

In der Türkei ist es üblich, dass man sich während des heißen Mittags hinlegt und sich ausruht. Ich legte mich also wie die anderen auf das Sofa, um mich auszuruhen.Die Mutter meines Gastvaters sah das und stand wieder auf, nur um mir ein Kissen und eine Decke zu bringen und mich dann noch zuzudecken und mein Kopfkissen zurechtzumachen. Ich wurde generell wie ein Enkel von ihnen behandelt und nicht wie ein Gast. Dazu muss man sagen, dass wir uns erst vor ein paar Stunden kennengelernt hatten.

Mein Rat an künftige AFSerinnen und AFSer

Zukünftigen AFSern kann ich nur empfehlen, mit so wenig Erwartungen und Vorstellungen wie möglich in ihr Austauschjahr zu starten. Es wird immer anders kommen, als ihr es euch vorstellt. Dies meine ich nicht abwertend oder negativ, sondern eher als Teil eures Austauschjahrerlebnisses.

Zum Abschluss möchte ich meiner Gastfamilie und vor allem meinem Stipendiengeber Mercator danken, die mir dieses Austauschjahr erst ermöglicht haben. Ich hoffe, ich konnte durch diese kleine Geste wenigstens im Ansatz meine Dankbarkeit ausdrücken.

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